Aus Venedig sind sie gekommen, direkt von der
Biennale, aus Rotterdam, New York und sogar aus Brasilien, und das alles
nur, um in München die Eröffnung einer Ausstellung zu erleben - aber was
für eine!
Schon aus einiger Distanz kommt einem das Haus der Kunst
merkwürdig verwandelt vor: Auf dem Dach hat der Mann, um den sich an
diesem Abend alles dreht, eine monumentale Plastikblumen-Landschaft
installiert. Eine schöne Illusion, denn wenn man das Museum betritt, traut
man seinen Augen nicht mehr.
Gleich im Mittelteil steht ein
gewaltiges Fort wie aus einem Western, gestiefelte Typen in Militärjacken
stehen herum, saufen Augustiner-Bier aus der Flasche und ziehen sich die
Hosen runter.
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Im Saal nebenan wähnt man sich in einem
Fiebertraum, den Herman Melville und die Hollywood-Produzenten von ¸¸Fluch
der Karibik" gemeinsam ersonnen haben müssen: Ein Piratenschiff ragt bis
zur Decke empor, an Deck liegen bluttriefende Figuren, Freibeuter mit
abgehackten Beinen und offenen Eingeweiden nach einer Ketchup-Schlacht.
Zu allem Überfluss schlendert der echte Bayern-Doc H.-W.
Müller-Wohlfahrt vorbei, ein Freund des Hauses, wie immer blendend
jugendlich mit wallendem Haupthaar - fast ist man geneigt zu glauben, er
sei Teil dieser Wahnsinns-Show.
Aber genug der phantastischen
Bilder, die in den Feuilletons zur Genüge als Zertrümmerung des
amerikanischen Traums interpretiert werden: Es ist Samstagabend,
inoffizielle Eröffnung der großen Paul-McCarthy-Schau ¸¸Lala - Land,
Parodie, Paradies" im Haus der Kunst. Eingeladen hat die Gesellschaft der
Freunde, und es ist wohl die spektakulärste Vernissage, die die Münchner
Kunstwelt in den vergangenen Jahren erlebt hat.
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Man spricht Englisch, Italienisch und Holländisch,
denn der Provokateur McCarthy, ein schüchterner Seebär, der älter aussieht
als 60, hat internationale Kuratoren und Museumsleute angelockt. ¸¸Dieses
Ereignis darf man nicht verpassen", sagt der brasilianische Sammler
Bernardo Paz, der seinen weißhaarigen Künstlerfreund enthusiastisch
umarmt. Vier Privatjets sind in München gelandet, um die McCarthy-Fans
einzufliegen - etwa Jan Debbaut, Sammlungsdirektor der Tate Modern, oder
Gary Garrels, Chefkurator des Hammer Museum in L.A.
Es dient dem
besseren Verständnis, dass Hausherr Chris Dercon in seiner Ansprache von
einer Sprache in die andere springt. ¸¸Wir in München sind es gewohnt,
groteske Kunst zu bewundern", sagt Dercon in Anspielung auf all die Faune
und Satyrn, die in den Pinakotheken hängen. Andreas Langenscheidt,
Vorsitzender des Vereins der Freunde, zieht es vor, Publikum und
Künstlerfamilie lieber gleich auf Englisch zu begrüßen.
Objekt
der eigenen Peepshows
Und McCarthy? Verzieht während der Hymnen
keine Miene, er lässt sich auch eher ungern fotografieren - vielleicht
liegt das ja daran, dass er sich in seinen früheren Jahren oft selbst als
Objekt seiner Peepshows missbraucht hat, mit dem ganzen geschundenen
Körper. Für seine Aktionen hat der Sohn eines Metzgers einst Hot Dogs und
Hamburger in sich reingemampft, aber die Zeiten sind vorbei.
Dafür
sind seine Werke wuchtiger, radikaler und teurer geworden. Während die
Gäste staunend durch die Säle spazieren und sich dann das Käfer-Büfett
schmecken lassen, bleibt der Meister erschöpft im Hintergrund, nicht mal
auf Schweinshaxn hat er Lust. Kein Wunder, wenn man in den letzten Wochen
Dutzende Übersee-Container ausgepackt hat.
(SZ
vom 13.06.2005)
Die Ausstellung "LaLa Land, Parodie
Paradies" ist im Haus der Kunst noch bis zum 28.8.2005 zu sehen.
Öffnungszeiten: Mo. - So.: 10 - 20 Uhr Do.: 10 - 22 Uhr
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