sueddeutsche.de München
Drucken 13.06.2005   09:59 Uhr
McCarthy, AP

Performance-Künstler Paul McCartney (r.) in Aktion Foto: AP

 

Performance

Freunde des Fiebertraums

Ein Planwagen zog durch den Englischen Garten, Schuhplattler tanzten dazu: Was aussah wie ein Tag der deutsch-amerikanischen Freundschaft, entpuppte sich als spektakuläre Ausstellungeröffnung im Haus der Kunst.
Von Christian Mayer

 

Aus Venedig sind sie gekommen, direkt von der Biennale, aus Rotterdam, New York und sogar aus Brasilien, und das alles nur, um in München die Eröffnung einer Ausstellung zu erleben - aber was für eine!

Schon aus einiger Distanz kommt einem das Haus der Kunst merkwürdig verwandelt vor: Auf dem Dach hat der Mann, um den sich an diesem Abend alles dreht, eine monumentale Plastikblumen-Landschaft installiert. Eine schöne Illusion, denn wenn man das Museum betritt, traut man seinen Augen nicht mehr.

Gleich im Mittelteil steht ein gewaltiges Fort wie aus einem Western, gestiefelte Typen in Militärjacken stehen herum, saufen Augustiner-Bier aus der Flasche und ziehen sich die Hosen runter.



 

vergrößern McCarthy-Mitarbeiter bei der Performance im Englischen Garten
Foto: AP

 

Im Saal nebenan wähnt man sich in einem Fiebertraum, den Herman Melville und die Hollywood-Produzenten von ¸¸Fluch der Karibik" gemeinsam ersonnen haben müssen: Ein Piratenschiff ragt bis zur Decke empor, an Deck liegen bluttriefende Figuren, Freibeuter mit abgehackten Beinen und offenen Eingeweiden nach einer Ketchup-Schlacht.

Zu allem Überfluss schlendert der echte Bayern-Doc H.-W. Müller-Wohlfahrt vorbei, ein Freund des Hauses, wie immer blendend jugendlich mit wallendem Haupthaar - fast ist man geneigt zu glauben, er sei Teil dieser Wahnsinns-Show.

Aber genug der phantastischen Bilder, die in den Feuilletons zur Genüge als Zertrümmerung des amerikanischen Traums interpretiert werden: Es ist Samstagabend, inoffizielle Eröffnung der großen Paul-McCarthy-Schau ¸¸Lala - Land, Parodie, Paradies" im Haus der Kunst. Eingeladen hat die Gesellschaft der Freunde, und es ist wohl die spektakulärste Vernissage, die die Münchner Kunstwelt in den vergangenen Jahren erlebt hat.


Man spricht Englisch, Italienisch und Holländisch, denn der Provokateur McCarthy, ein schüchterner Seebär, der älter aussieht als 60, hat internationale Kuratoren und Museumsleute angelockt. ¸¸Dieses Ereignis darf man nicht verpassen", sagt der brasilianische Sammler Bernardo Paz, der seinen weißhaarigen Künstlerfreund enthusiastisch umarmt. Vier Privatjets sind in München gelandet, um die McCarthy-Fans einzufliegen - etwa Jan Debbaut, Sammlungsdirektor der Tate Modern, oder Gary Garrels, Chefkurator des Hammer Museum in L.A.

Es dient dem besseren Verständnis, dass Hausherr Chris Dercon in seiner Ansprache von einer Sprache in die andere springt. ¸¸Wir in München sind es gewohnt, groteske Kunst zu bewundern", sagt Dercon in Anspielung auf all die Faune und Satyrn, die in den Pinakotheken hängen. Andreas Langenscheidt, Vorsitzender des Vereins der Freunde, zieht es vor, Publikum und Künstlerfamilie lieber gleich auf Englisch zu begrüßen.

Objekt der eigenen Peepshows

Und McCarthy? Verzieht während der Hymnen keine Miene, er lässt sich auch eher ungern fotografieren - vielleicht liegt das ja daran, dass er sich in seinen früheren Jahren oft selbst als Objekt seiner Peepshows missbraucht hat, mit dem ganzen geschundenen Körper. Für seine Aktionen hat der Sohn eines Metzgers einst Hot Dogs und Hamburger in sich reingemampft, aber die Zeiten sind vorbei.

Dafür sind seine Werke wuchtiger, radikaler und teurer geworden. Während die Gäste staunend durch die Säle spazieren und sich dann das Käfer-Büfett schmecken lassen, bleibt der Meister erschöpft im Hintergrund, nicht mal auf Schweinshaxn hat er Lust. Kein Wunder, wenn man in den letzten Wochen Dutzende Übersee-Container ausgepackt hat.

(SZ vom 13.06.2005)

Die Ausstellung "LaLa Land, Parodie Paradies" ist im Haus der Kunst noch bis zum 28.8.2005 zu sehen. Öffnungszeiten: Mo. - So.: 10 - 20 Uhr
Do.: 10 - 22 Uhr


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