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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
13. Juni 2007
18:59 MESZ
Link: www.ArtBasel.com  
Foto: Art Basel
Speed sells: Schon vor dem eigentlichen Beginn der Art Basel reichte Gagosian Jenny Savilles "Reverse" (2002/03, Ausschnitt) weiter. Verkauft ab Katalog.

Eine Brutstätte angesagter Kunst: Art Basel
Trotz aller Etabliertheit immer für Überraschungen gut: Die internationale Kunstkarawane macht Station in der Schweiz

Dort hält die Art Basel, Kaderschmiede des Marktes für zeitgenössische Kunst, bis zum 17. Juni Hof.


Die Kunstszene hat derzeit ein dichtes Programm. Die Parallelität im Eröffnungsreigen wurde vermarktet, die Grandtour zum Konzept. Nach der Biennale in Venedig, vor der Documenta in Kassel und Münster, legt die Publikumskarawane dieser Tage einen Zwischenstopp in Basel ein.

Dort wartet ein komprimiertes Eventangebot – zu den von der Messeleitung der Art empfohlenen gehört die Voltashow 03, die Design Miami/Basel und die 12. Liste. Trotz aller Etabliertheit ist die Art Basel in ihrem 38. Jahr für Überraschungen gut. Weniger das Konzept betreffend, als das Bekenntnis zu einem Großunternehmen avanciert zu sein.

Längst müssen die Macher über eine Vielzahl von Talenten verfügen. Klonen geht nicht, witzelte René Kamm, CEO der Messe Schweiz. Das weiß niemand besser als Sam Keller und berücksichtigte es in der Nachfolgeplanung. Zumindest offiziell, denn inoffiziell munkelt man von einer Notlösung. Der verdiente Manager der Art Basel – zu den weiteren imaginären Berufsoptionen zählt er Schulbusfahrer in Brasilien oder Friedhofsgärtner in Italien – wechselt Anfang 2008 an die Spitze der Fondation Beyeler.

Als Berater bleibt Keller dem neuen Art Basel Triumvirat erhalten. Die Nachfolge? Der Wunschkandidat Hans-Ulrich Obrist, weltweit gefragter Ausstellungsmacher und Theoretiker, habe das Angebot abgelehnt. Die Verantwortlichkeiten wurden geteilt: Cay Sophie Rabinowitz übernimmt die künstlerische Leitung, Marc Spiegler zeichnet für Strategie und Entwicklung zuständig, und Annette Schönholzer, seit 2002 im Team, übernimmt Organisation und Finanzen. Der Vorteil einer derartigen Struktur: Beginnt es in einer dieser Units zu kranken, ist der Kopf schnell ausgetauscht.

First Choise folgte Preview folgte die Vernissage – von der Basler Zeitung als größter Apéro der Kunstwelt bezeichnet – es dauert eben, bis das etablierte Großevent offiziell als eröffnet gilt. Lange bevor Normalbesucher die Hallen betreten durften, hatte das Gewusel von Szene-VIPs und Sammlern solche Ausmaße angenommen, dass die Atmosphäre eher einer gut besuchten Markthalle glich.

"Total Liquidation" titulieren die Geschäftsleute ihren Abverkauf in den Schaufenstern: Das lockt versierte Schnäppchenjäger. Die Pheromone der Kunstwelt sind andere, solche mit denen die Art Basel zu kokettieren versteht. Die Kaderschmiede des Marktes für zeitgenössische Kunst weiß eben, was sie ihrem Ruf schuldig ist.

Im Rampenlicht

Selbst für die Riege etablierter Sammler hat Basel nicht an Reiz verloren. Da mag die hier vor Jahren begründete Kollektion längst im Kern abgeschlossen sein. Sie kommen wegen der flirrenden Atmosphäre, weil nirgendwo sonst die Essenz der Gegenwart deutlicher im Rampenlicht steht als hier. Eine Brutstätte angesagter Kunst, eine kontinuierlich sprudelnde Quelle, die den Markt konsequent versorgt. Mit allem Für und Wider.

Künstler, die es nicht nach Basel schaffen, müssen nicht nur an ihrer Vermarktung basteln. Mehr als 2000 sind aktuell mit von der Partie, im Sortiment der 300 teilnehmenden Galerien. Auf weiten Strecken sind es klassische Bestseller, das Establishment des Marktes, gezeigt wird, was verkäuflich ist. Inhaltlich monochrom, für die Teilnehmer aber schlichte Notwendigkeit. Man mag über die roten Punkte spotten, letztlich entscheiden aber auch bei der Art Basel Verkäufe über Erfolg oder Niederlage. Insofern kann etwa Karsten Greve schon vor dem ersten Publikumstag eine erfreuliche Zwischenbilanz ziehen: er verkaufte Achrome, in Klein- und Großformat von Piero Manzoni, eine Bronze von Louis Bourgois und Arbeiten von Cy Twombly und John Chamberlain. Das Gros der Galeristen übt sich in Diskretion.

Das Tempo ist ungleich schneller als noch vor zehn Jahren. Zeitdruck ist eine der Nebenwirkungen eines überhitzten Marktes, eine effiziente Verkaufsmaschinerie das Gebot der Stunde. Für Sammler sind die Zeiten, in denen "man ein Werk lieb gewinnen konnte", wie es Sammler Martin Hatebur gegenüber der Basler Zeitung kommentierte, schlichtweg vorbei.

Entscheidungen müssen in Minutenschnelle getroffen werden, ungesehen übers Telefon oder eben im Preview-Gerangel bei der Art Basel. Im Vergleich zu den Vorjahren scheinen die europäischen Käufer einen Zahn zugelegt zu haben. In die Schweiz, nach Deutschland, Frankreich und Österreich reichte man Kunstwerke in der Preiskategorie 250.000 Euro und darunter weiter. (Olga Kronsteiner aus Basel / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.6.2007)


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