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Die inneren Bewegungen der Natur

Vier monumentale Leinwände Max Weilers, als Ensemble geschaffen, zu Lebzeiten des Malers aber nie gemeinsam aufgestellt, sind nun wieder vereint.

WIEN. In den Räumen des ehemaligen "Depots", heute "quartier 21" im Museumsquartier, schaffen die "Vier Wände" einen Ort der Kontemplation. Zwischen 1973 und 1977 arbeitete Max Weiler - ohne Auftrag - an vier Leinwänden, jede davon rund zweieinhalb mal sechs Meter groß.

Der reale Raum, den sich Max Weiler für diese Arbeiten vorstellte, ist unbekannt. Tatsache ist, dass die vier Bilder noch nie gemeinsam ausgestellt werden konnten: Zwei von ihnen waren bisher im Juridicum der Universität Wien aufgestellt, die beiden anderen befinden sich im Besitz des Wiener Museum Moderner Kunst.
Die Zusammenführung war längst überfällig, handelt es sich bei den "Vier Wänden" doch um Arbeiten, die ihrer inneren Konzeption nach aufeinander verweisen und im Zusammensein ihren übergeordneten Sinn entwickeln. Gewiss kann jede der monumentalen Leinwände für sich allein sprechen, doch im Miteinander erschließt sich ein ganzer Kosmos, eine Schöpfungsgeschichte, in der der Künstler den inneren Bewegungen der Natur nachspürt.

Der Weg - folgt man chronologisch der Entstehung der Leinwände - führt von der Materie und von größter Bewegung zu höchster Transzendenz. In "Ganz rechts lebende Natur", dem ersten Bild aus 1973, drängt sich an den rechten Rand geballte Energie, gischen grüne Wellen, kontrastiert vom Schweben zielloser Partikel in ungeformter Leere.

Bewegte Nebel

"Natur mit Caput mortuum", 1974, führt in die Erde hinein, einen konvulsivisch sich öffnenden Schlund; "Über der Baumgrenze" aus 1976 lässt allein am rechten Rand noch Erinnerungen an den Boden unter den Füßen zu. Der Blick schweift in bewegte Nebel. In der "Himmelslandschaft" aus 1977 breiten sich freundlich belebte Wolken, frei für alle Assoziationen des Betrachters.

Trotz ihrer Größe laden die Bilder auch zur Lektüre aus nächster Nähe ein: mit Mikrostrukturen, feinen Vorzeichnungen oder liebevollen abstrakten Stillleben innerhalb des großen Zusammenhangs. Die vier überdimensionalen Leinwände umfangen den Betrachter und entwickeln eine Atmosphäre, die unser Kulturkreis aus sakralen Räumen kennt.

Vergleiche mit den Seerosenbildern Claude Monets, wie sie der Weiler-Interpret Gottfried Böhm zieht, sind fraglos nachvollziehbar. Anzudenken sind aber auch innere Verwandtschaften zum amerikanischen abstrakten Expressionismus und seiner imaginativen Kraft. Der temporäre Ort, an dem die Bilder nun aufgestellt sind, ist barock: ein tonnengewölbter ehemaliger Pferdestall, in dem jedoch dynamische Fenstereinschnitte und Medaillons ihr Eigenleben führen.

Ein besserer Ort

Der Platz ist gut für die Bilder, lässt aber auch den Wunsch wachsen, einen noch besseren Ort zu imaginieren. Den Bilderzyklus auf Dauer vollständig zugänglich zu machen, wäre ein Gewinn: Max Weilers Stellung ist unbestritten, er hat Propaganda nicht nötig. Aber das Publikum bräuchte diese Bilder.


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Ausstellungshalle im Staatsratshof, Wien; 21. Jänner bis 2. Mai, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr. Eröffnung heute Dienstag 18 Uhr.
2004-01-19 16:58:07