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Kunstberichte
Die Metropole am Bosporus feiert den Programmstart als Kulturhauptstadt – Öffnung Europas gefordert

Istanbul, "Hauptstadt der Freiheit"

Mit einer riesigen Show startet Istanbul in das Kulturhauptstadt-Jahr. Foto: epa/Szigetvary

Mit einer riesigen Show startet Istanbul in das Kulturhauptstadt-Jahr. Foto: epa/Szigetvary

Aufzählung Ministerpräsident Erdogan: "In Istanbul findet jede Kultur ihre Identität".
Aufzählung Feuerwerke, Shows und mehr als 400 Projekte.

Istanbul/Wien. (eb) Das Staatliche Opernhaus von Istanbul hat Wolfgang Amadeus Mozarts "Entführung aus dem Serail" ebenso auf dem Programm wie Jacques Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" und ein paar Opern mehr, die man von den Spielplänen der mitteleuropäischen Häuser kennt. Die Musik des 20. Jahrhunderts kommt mit einem Einakter-Abend im Zeichen des Telefons zum Zug: Gian-Carlo Menottis "Telefon" und Francis Poulencs "Menschliche Stimme".

Istanbul hat auch zwei Symphonieorchester, nämlich das Staatliche Istanbul Symphonie Orchester und das relativ junge, 1993 gegründete Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra des Konzerns Borusan. Beide Orchester sind westlich geprägt, das Borusan-Orchester, an dessen Spitze der österreichische Chefdirigent Sascha Goetzel steht, hat internationales Niveau.

Istanbul – eine Metropole, in der die westliche Hochkultur eine wichtige Rolle spielt? Auf diese Weise sieht man die Hauptstadt der Türkei vom Westen aus nur allzu selten.

Am Wochenende ist Istanbul in sein Jahr als europäische Kulturhauptstadt 2010 gestartet. Ein spektakuläres Feuerwerk am Himmel über Istanbul und tanzende Menschen auf den Straßen waren das deutliche Zeichen: Man ist stolz auf diese Rolle, man freut sich über diese Rolle. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan rief zum Schutz der Vielfalt auf. Die türkische Metropole sei "Hauptstadt der Freiheit" sagte Erdogan. Istanbul sei ein gemeinsames kulturelles Erbe der Menschheit, sagte Erdogan.

Muslimischer Gebetsruf und Kirchenglocken

"In Istanbul kann jede Kultur ihre eigene Identität finden", sagte Erdogan. Der muslimische Gebetsruf sei unweit der Glocken christlicher Kirchen zu hören. "Istanbul hat immer Richtung Europa geschaut und wird immer eine europäische Stadt sein", sagte Erdogan. Allerdings sollte das Kulturjahr in Istanbul auch eine Chance sein, damit sich Europa der Türkei gegenüber öffne, sagte der Regierungskoordinator des Kulturjahres, Staatsminister Hayati Yazici.

Istanbul ist in diesem Jahr eine von drei Kulturhauptstädten zusammen mit Essen und dem gesamten Ruhrgebiet sowie der ungarischen Stadt Pécs, die ihre Feierlichkeiten bereits früher abhielten.

Istanbul ist die mit Abstand größte und bedeutendste Stadt der Türkei. Ihre Lage auf zwei Kontinenten ist so einzigartig wie ihre mehr als 2000 Jahre alte Geschichte. Der Titel Kulturhauptstadt wird vom Europäischen Rat jedes Jahr mindestens einer europäischen Stadt verliehen. Damit soll bei den Europäern ein Bewusstsein ihres gemeinsamen kulturellen Erbes geschaffen werden.

Die Feierlichkeiten am Bosporus waren der Auftakt für mehr als 400 Kunst- und Kulturprojekte in diesem Jahr. An sieben Plätzen der Stadt waren Konzerte und Veranstaltungen organisiert, darunter ein Auftritt des Popstars Tarkan. Zehntausende Menschen bejubelten die Feuerwerks- und Lichtshows, die von artistischen Auftritten am Boden begleitet wurden. Am Goldenen Horn wurde die Show "Istanbul Magic" aufgeführt, für die Regisseurin Yekta Kara mehr als 300 Künstler auf die Bühne brachte. Die Show sollte die Schätze Istanbuls, Hauptstadt dreier Weltreiche, präsentieren.

Die Macher der Kulturhauptstadt im Ruhrgebiet wollen in diesem Jahr eng mit Istanbul zusammenarbeiten. Rund 25 der insgesamt 300 Ruhr.2010-Projekte seien als Kooperation mit dem Programm Istanbuls geplant oder befassten sich mit der Situation Türkischstämmiger in Deutschland und ihrer Heimat, sagte ein 2010-Sprecher. "Eine intensivere Zusammenarbeit gab es noch nie", sagte Asli Sevindim, eine von vier Künstlerischen Direktoren bei der Ruhr.2010 und zuständig für den interkulturellen Austausch.

Printausgabe vom Dienstag, 19. Jänner 2010
Online seit: Montag, 18. Jänner 2010 16:12:14

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