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MUMOK: Festspiele aus Licht und Schatten

24.06.2010 | 18:35 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Zwei Jahre lang hat Brigitte Kowanz an ihrer Einzelausstellung gearbeitet: Große Lichtkunst zwischen intellektuellem Heimleuchten und poetischem Design.

Der Spiegelsaal in Versailles hat Konkurrenz bekommen: Im Wiener Museum moderner Kunst hat Brigitte Kowanz die Erdgeschoßhalle zur prächtigen Kulisse für das Selbst umgestaltet. Auf rundum verspiegelten 450 Quadratmetern lässt es sich nicht nur schillernd charityspeisen, sondern auch hervorragend reflektieren: über das Werk einer der interessantesten, erfolgreichsten, aber auch ambivalentesten Künstlerinnen Österreichs.

Licht, Sprache und Spiegel sind die ephemeren Materialien der 1957 geborenen Wienerin, die voriges Jahr den Österreichischen Staatspreis bekam. Bekannt ist sie vor allem für ihre Arbeiten im öffentlichen Raum – die leuchtende „Outline“ am Gebäude-Eck der Kommunalkredit-Bank in der Liechtensteinstraße etwa. Oder den Schriftzug „Now I see“, der seit Montag auf der Fassade des Uniqa-Turms erscheint. Dass Kowanz' Kunst bei Versicherungen und Banken so beliebt ist, sich so glatt in Businessparks, Krankenhäuser und Polizeireviere einfügt, weist schon auf ihre Problematik hin: Die Objekte und Installationen aus Neonröhren und Glas verströmen einen clean Chic, der schnell davon abhält, sich dafür zu interessieren, was hinter der dekorativen Oberfläche lauert.

 

Das Unsichtbare plötzlich wahrnehmen

Dabei ist das keine leichte Kost: Kowanz beschäftigt sich seit den 80er-Jahren konsequent mit der Sichtbarmachung dessen, was man zur Wahrnehmung braucht, aber selbst nicht wahrnimmt. Licht etwa: Braucht man zum Sehen, sieht es aber nicht bewusst. Sprache: Braucht man zum Denken, denkt dabei aber nicht daran. Spiegel: Braucht man zur Selbsterkenntnis, bemerkt ihn dann aber nicht mehr. Nachzuspüren, wenn man etwa optisch in einen von Kowanz' gläsernen Särgen kippt. Diese Art „Luminarien“ für ihre Neonschriften, die mithilfe einfachster Spiegeltricks unendliche Schächte der Bedeutung auftun. Wenn man sein Abbild inmitten der Aura des Morse-Alphabets verliert. Oder wenn man einfach liest, was man sieht: „Light is what we see“ lautet der Leitspruch von Kowanz, der sich mehr oder weniger verschlüsselt, in Morsezeichen oder Schwungschrift, durch ihr Werk zieht.

Der Schwerelosigkeit ein präzises Abbild zu verschaffen sei die besondere Kunst der Brigitte Kowanz, bringt es Kurator Rainer Fuchs auf den Punkt. Das gelingt im besten Fall bezaubernd, vor allem im stillsten Raum der Ausstellung, gewidmet der Installation „Lux“ von 1998: ein raffiniertes Spiel mit Schatten, Spiegeln und Selbstbild. In diesem Zusammenhang vermisst man schmerzhaft einen Rückblick auf das wenig bekannte Frühwerk von Kowanz, die eigentlich von der Malerei kommt und in den 80er-Jahren mit Franz Graf fluoriszierende Farben testete.

Einige ältere Arbeiten hätten die allzu einheitliche Ästhetik der Ausstellung wohl angenehm gebrochen. Stattdessen wird diese mit den poppigen, unregelmäßig umrissenen Sprechblasen – definiert von aufgefüllten Schriftresten – noch verstärkt. Sie bilden den bisherigen Endpunkt des von Kowanz eingeschlagenen Wegs in die Abstraktion und erhellen sicher perfekt jedes schicke Bankfoyer. Aber sie verlocken nicht mehr zur Mühe, sie auch tatsächlich entziffern zu wollen.


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