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11-06-2005 Kultur |
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Russland auf der Biennale in
Venedig |
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Auf der 51. Internationalen
Kunstausstellung im Rahmen der Biennale von
Venedig, die am 12. Juni beginnt, wird Russland
das Publikum... den Wind mit den Händen fangen
lassen.
Das für den russischen
Pavillon ausgewählte Projekt - die
Aero-Audio-Installation „Zauberwind" der Künstler
Sergej Proworow und Galina Mysnikowa - fordert das
Publikum auf, sich dem Element Luft ganz
hinzugeben. Eine sinnreiche ingenieurtechnische
Konstruktion, an der Professoren für Physik und
Mathematik gearbeitet haben, erzeugt den Wind,
dieser umbraust das Publikum mit dem Eifer eines
Perpetuums Mobile und verursacht bei ihm, wie die
Künstler versprechen, „komplizierte metaphysische
Erlebnisse".
Der Griff zur aerodynamischen
„Mystik" liege in der Bahn der neuen Strategien
der Weltkunst, versichern Proworow und Mysnikowa,
ein Ehepaar aus Nischni Nowgorod (Wolgaland). Sie
appellieren an „des Zuschauers sensorische und
psychosomatische Perzeption". Im ersten Abschnitt
des Pavillons kann der Zuschauer frei den Wind
berühren, ihn mit den Händen fangen, worauf er
„von der wachsenden Energie der Luftströme immer
abhängiger wird". Ein „alternativer"
Energiegenerator?
Wie übrigens die
Kuratorin des russischen Pavillons Ljubow
Saprykina, künstlerische Leiterin des Staatlichen
Zentrums für Gegenwartskunst in Nischni Nowgorod,
sagte, dürfe man sich in diesem experimentellen
Strom höchstens zwei Minuten aufhalten, sonst
schade er der Gesundheit. Nach einem längeren
Aufenthalt werden die psychosomatischen Erlebnisse
nicht ungefährlich. Kunst verlangt einem wie immer
Opfer ab.
Auf Englisch heißt die
Installation „Idiot Wind": ein Tribut der
russischen Künstler an Bob Dylan. Aber bei einem
versierten Publikum, das gewohnt ist, in der Kunst
nach Großen Ideen und einem Tiefen Sinn zu suchen,
wird das möglicherweise andere Assoziationen
erwecken. Im Übrigen erklärten die Kuratoren der
Exposition, sie rechnen mit einem
„unprognostizierbaren Ergebnis" der
Krafteinwirkung dieser Kunst.
Ein zweites
russisches Projekt bei der venezianischen Biennale
ist die interaktive Videoinstallation „Too Long To
Escape". Sie stammt von einer Gruppe der Moskauer
Künstler, die sich „Escape-Programm" nennt. Ihren
Worten zufolge zögen sie eine Strategie von
Art-Diversionen vor. Das Wesen der
Videoinstallation sei ein Spiel: Die Künstler
bewegen sich auf das Publikum mit einer
Geschwindigkeit zu, die zu der Zahl der
eintretenden Betrachter proportional ist. Bei
ihrer Komposition hätten sich die Künstler von der
russischen Avantgarde leiten lassen, eine ihrer
Inspirationsquellen sei Kasimir Malewitschs „Rote
Kavallerie" gewesen. Im großen Ganzen aber hätten
sie viel über den Dialog Künstler - Betrachter
nachgedacht und den Schluss gezogen, ein solcher
sei schwer zu Stande zu bringen.
An der
Biennale von Venedig beteiligen sich auch andere
Russen: Oleg Kulik, die Gruppe „Blaue Nasen" und
Georgi Pusenkow. Dieser schockt das Publikum mit
seinem Projekt „Mona Lisa fliegt in den Weltraum".
Nun ist aber die Pietät der Zuschauer gegenüber
Leonardo da Vincis Meisterwerk so hoch, dass ihr
keinerlei künstlerische Diversionen etwas anhaben
können. Die Länder und Völker haben die Gioconda
bereits in den bizarrsten „Reinkarnationen"
gesehen: mit Salvador Dalis Schnurrbart oder
überhaupt ohne Gesicht, welches durch einen
grinsenden Schädel ersetzt wurde. Das wirkte sich
jedoch auf die Wiedererkennbarkeit des
Meisterwerks und die weltweite Liebe dazu in
keiner Weise aus. Auch im luftleeren Raum wird
Mona Lisa wohl kaum schlechter als sonst aussehen.
Alexander Sawolokin, stellvertretender
Leiter der Verwaltung Gegenwartskunst in der
Föderalen Agentur für Kultur und Filmkunst,
behauptet: „Die Exposition bei der Biennale in
Venedig gehört zu den wichtigsten Aktionen von
Russlands Ministerium für Kultur und
Massenkommunikationen." Die russische
Gegenwartskunst befinde sich, so Sawolokin, im
Prozess der Integration in den weltweiten
Kulturraum. „Wir versuchen zu verstehen, wer wir
sind und wie wir in der Welt dastehen", sagt er.
Russland nimmt an der Biennale schon zum
dritten Male teil. Die Künstler erwarten vom Staat
freigebigere Geldzuschüsse in den russischen Teil
der Ausstellung. Der Staat seinerseits hofft, dass
der venezianische „Goldene Löwe", die höchste
Auszeichnung, früher oder später nach Moskau
kommt. (Olga Sobolewskaja,
RIA-Nowosti-Kommentatorin.). |
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