Prekäre Objekte, die bereit sind geschwind andere Formen anzunehmen: Motiv oder Symptom der zeitgenössischen Skulptur?
Seine Präsentation begleiten Ausstellungen von Inés Lombardi und Alfons Egger.
Wien - Der Kasten ist schon da. Es fehlt nur noch die Skulptur von Franz West, die auf dem malerisch abgewrackten, die Spuren seiner Verwendung nicht verhehlenden Rollkasten ruhen könnte. Unweit davon hat Christoph Meier ein illuminiertes amorphes Objekt auf einem Dreibein platziert; daneben - ebenfalls elektrifiziert von innen heraus leuchtend - bedruckte, eingeschlagene Papierbögen, die wie beiläufig auf einem Stahlrohrsessel positioniert wurden.
Und auch ein Aquarium wird zum transparenten Sockel umfunktioniert. Jedoch: Das in diesem Darunter platzierte zarte Glühlämpchen stellt Ebenbürtigkeit zum Darauf, einem minimalistischen gelb-blauen Folien-Etwas her. Man scheint mitten in eine Konjugation des West'schen Sockeltopos geplatzt zu sein. Bei Franz West gibt es keine klare Trennung zwischen Skulptur, Sockel und Möbel. Und auch die Grenze zwischen autonomem Kunstwerk und benutzbarem Alltagsobjekt negiert der 64-jährige Österreicher.
Christoph Meiers Schau scheint ein Konzentrat solcher Ideen. Die Ausstellung im Untergeschoß der Secession liest sich wie eine Ode daran, nicht zuletzt wegen des Interieurcharakters, den der Künstler hergestellt hat: Bereits im Treppenhaus leuchtet eine improvisierte Lampe, eine Leuchtstoffschlinge im wiederverwerteten Pappkarton - an der Wegzweigung zum Beethovenfries Klimts den richtigen Pfad.
Und folgt man einem anderen Weg, jener komplexen Kopierstraße, wird aus der Vermutung Gewissheit. Kann doch aus dem Multipliziergerät die Broschüre Buch der Sockel gezogen werden. Und oben auf dem monströsen Xerox eine fragile Konstruktion, die diesen massiven Unterbau wohl braucht. Die Kopiermaschine als Symbol für den kunstgeschichtlichen Unterbau? Für das Kopieren und Wiederverwerten von Quellen und auch Materialien, die sonst bei der Wertstoffsammelstelle ihrer recycelten Wiedergeburt harren müssen. Und wieder passt West: "Das ist überhaupt eine Arbeitsmethode bei mir, dass ich eigentlich fremde Ideen ausführe", sagte er Eva Badura-Triska 1994 in einem Interview.
Zitat und Referenz
Auch das Thema des Zitats spinnt Meier weiter. Etwa in den CMYK-Farbkompositionen, die er im Internet fand. Der E-Mail-Verkehr mit einem gewissen Raph Levien klärt auf, dass es sich bei den Farbornamenten um fehlerhafte Ergebnisse in einem Bilder produzierenden Programmiercode Leviens handelt. Symbolisch gesehen schleust sich also ein Fehler als Referenz ins System Kunst ein. Obendrein ist die komplette Ausstellung selbstreferenziell - mit Absicht. Denn Meier installierte hier bereits im Herbst, einen Leerstand der Räume nutzend, Arbeiten. Installationen, die die Basis der jetzigen sind. Das Leben in der Kunst: ein steter Kreislauf.
Kreisbewegungen ortet auch der Kulturwissenschafter Vitus Weh: Immer mehr Künstler einer jüngeren Generation schaffen diese Form "prekärer Skulpturen", beobachtet er. Trotz großen Gespürs für Ästhetik habe Meier dennoch Arbeiten geschaffen, die "weltvergessen um sich selbst kreisen". Anzeichen eines Betriebs-Ennui unter den Kunstschaffenden, wie Weh glaubt. - Wohin soll das führen? Die Frage ist berechtigt. Greift tatsächlich eine Orientierungslosigkeit in der Kunst um sich, die - zweifelsfrei mit großer Könnerschaft - direkt an die Generation davor, etwa an Professoren wie Manfred Pernice, anschließt, statt sich mit ihr anzulegen? Muss dieser Kuschelkurs nicht irritieren?
Der Begriff des Prekären, ein politischer, der besonders treffend die Arbeitverhältnisse junger Künstler beschreibt, scheint sehr gut zu passen. "Die kreativen Subjekte des Postfordismus sind dazu gezwungen, frei zu sein", erinnert Christoph Brucker im Katalog. Freiheit, eine Bürde.
Ästhetisch ansprechend auch Inés Lombardis Auseinandersetzung mit Protagonisten der brasilianischen Moderne im Hauptraum und Alfons Eggers Installation im Grafischen Kabinett, die sich zwischen Freud und Beuys entspinnt. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 26. Februar 2011)
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