Marilyn ist "andersrum"
Von Claudia Aigner
Ein Kompass, der nach dem Zufallsprinzip arbeitet: Das ist
Kirsten Klöckners "Orientierungswürfel" ("rechts", "links", "runter",
"rauf", "vorwärts", "zurück"). Für die anarchistische Bewegungsfreiheit.
(Man weiß zwar nicht, wo man hinwill, dafür ist man aber garantiert nie
dort.) Columbus hatte verlässlichere Methoden, um nach Indien zu fahren
und trotzdem in Amerika anzukommen. Wer das perfekte Geschenk sucht
für Leute, die einen Orientierungssinn wie ein Quietsch-Entchen haben (und
ihn auch behalten wollen), kann ja bis zum 18. August in der Galerie
Hilger (Doro- theergasse 5) vorbeischauen. Oder wer sich einfach nur
von der Fülle des hochkarätigen Angebots erschlagen lassen will: von
Alechinsky, Beuys, Picasso, Warhol etc. "Objets Trouves - Fundstücke. Der
Zauber der Vielfalt". Anders gesagt: Was Ernst Hilger auf Reisen und
Messen so alles erstanden hat. Eine Marilyn zum Beispiel, die
"andersrum" ist: Ihre Lippen sind so weiß wie Schnee und ihre
platinblonden Haare (genau wie ihr Teint) schwarz wie Ebenholz. Das ist
natürlich eine von Warhols melodramatischen Fotonegativ-Marilyns. Von
Georg Eisler: eine Harmonie in Schwarz, wo eine Pianistenszene bis an die
Grenze des Möglichen in der Dunkelheit absauft (was aber mehr ist als "ein
schwarzer Frack, wenn das Licht ausgegangen ist"). Und bei Alfred
Hrdlicka hat eine Steinskulptur eine reizvolle Affäre mit ihrem
Carrara-Marmor: Ein Frauenakt, der sich noch nicht ganz aus dem
Marmorblock befreit hat, überlässt sich den Händen, die aus dem Stein
heraus nach ihm greifen. Gleich daneben hat Hrdlicka mit viel
Einfühlungsvermögen Rembrandts "Nachtwache" geschändet, nämlich auf die
Lanzen der anwesenden Mannen einfach Köpfe gespießt und einer Dame die
Kleider vom Leib gerissen. Wie es halt so seine Art ist. Er hat ja sogar
auf den Maler Johann Heinrich Füssli so lange sein eigenes Bild gehetzt,
bis Brünhilde schließlich Füssli gezüchtigt hat (und nicht wie in Füsslis
Original Gunther betrachtet, den sie gerade am Plafond aufgehängt hat).
Eine Schau, in der praktisch jeder Geschmack an irgendeinem Fleck bedient
wird. Den berühmten "Badenden" von Paul Cezanne Schwimmverbot zu
erteilen, wäre schon etwas keck. Die 122 Nudisten in der Kiste von Danièle
Tisseyres Installation "Baden verboten" haben aber trotzdem einen ziemlich
cezannesken Körperbau. Wie auch immer: Es ist ja sowieso kein Wasser weit
und breit und der Sandstrand auf dem Kistenboden ist pures Waschpulver.
Würde man also doch noch Wasser dazuschütten, könnte man bestenfalls in
der Wasserqualität, die ein Waschgang in der Waschmaschine hat,
plantschen. Und was sagt uns das? Keine Ahnung. Die
bedeutungsschwangeren Arbeiten, die im Rahmen eines Austauschprojekts von
der Künstlervereinigung "bac off+" aus Lyon in die Hausgalerie im
Künstlerhaus geschickt wurden (bis 20. August), animieren das Hirn
zweifellos zum Denken. Die Pressefreiheit im Häfn: Michel Rémy Bez hat aus
zerknülltem Zeitungspapier eine vielsagende Mauer des
Zum-Schweigen-Bringens gebaut und das gedruckte Wort auch noch in
Vogelkäfige gesteckt. Im handgreiflichsten Sinne eine "Filmkünstlerin" ist
Anne Danjou: Sie komponiert aus Filmstreifen abstrakte Kompositionen, die
nicht weniger sinnlich als inhaltsschwer sind. Bei ihrem "burnt image", wo
es fast so aussieht, als hätte jemand einen Bunsenbrenner in ein
Streifenbild von Daniel Buren geworfen, kann man ja etwa an Zensur denken.
Aber Donnerstagsdemonstranten werden sich hier sicher andere Gedanken
machen als Daniel-Buren-Fans. Dick aufgetragen archetypisch: die Bilder
von Flaye.
Erschienen am: 11.08.2000 |
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