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19.06.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
Art Basel: Vergoldete Erdäpfel für den Infinity-Pool | ||
VON ALMUTH SPIEGLER | ||
Art Basel. Die weltwichtigste Kunstmesse als seichter Spielplatz der Superlative: Schön ist das nicht mehr. | ||
Eines muss man Erwin Wurm lassen: Der international zur Zeit präsentes
te österreichische Künstler hat Hu mor. Nach diversen künstlichen
Verfettungen von Menschen, Autos und Häusern parkte er heuer mitten in der
"Art Unlimited" - der ultimativen Noch-viel-mehr-ist-möglich-Halle der
Basler Kunstmesse - ein telekinetisches Meisterstück: Der orange
70er-Jahre-VW-Bus soll - laut ans Fenster geklebtem dokumentierten
Email-Verkehr - doch tatsächlich von einem indischen Guru derart geknickt
worden sein, wie Uri Geller es sonst nur mit einem Löffelchen vermag.
Applaus! Einer der wenigen kleinen Siege des Geistes über
die Materie an der heurigen "Art Basel". So eine smooth verbogene
Karosserie sagt zwar nicht viel Tiefes über unsere Befindlichkeit aus, hat
aber wenigstens Witz, hat ein Konzept, dazu muss man lesen können! Was
schon um einiges mehr ist als die meisten anderen Arbeiten, die heuer am
heißesten, hipsten und hyperventilierendsten "Place to be" der
grassierenden Kunstmarkt-Hysterie serviert wurden, einem abverlangten. Für
die Schlussbilanz von Veranstalter und Galerien ist das egal. Sie wird,
ganz sicher, wieder phänomenal. Je mehr Geld im Spiel ist - und mehr soll es nach
diversen Statistiken und Auktionsrekorden nie gewesen sein -, desto
schwächer scheint die Kunst zu werden. Unter dem enormen Produktionsdrang
und der permanent dementierten Frage "Wann platzt die Blase?" dünnen
Inhalte wie Ästhetik derart aus, dass es einen schon in die
Luxus-Depression stürzen kann. Doch jeder scheint zu wissen: Wer sich
nicht genau jetzt voll in den Markt schmeißt, der hatte seine Chance auf
die Villa mit Infinity-Pool in Miami. Wie schmeißt man sich in den Markt? Mit kostbaren
Oberflächen, großen Formaten, enorm viel Acrylfarbe, hohem
Erlebnis-Potenzial, viel schimmerndem Gold - und seien es vergoldete
Erdäpfelchips von Michel Francois - sie waren ausverkauft! Humor ist in
diesem seichten Sumpf schon eine Mutprobe - schließlich wird er
kulturübergreifend nicht gleichermaßen verstanden. Und geht noch dazu
schwer aufs Display eines Fotohandys. Lauter Eigenschaften, die gefragt
sind am globalisierten Kunstmarkt, den neben Russen, Lateinamerikanern
zunehmend auch Sammler aus Asien und Nahost bestimmen. Dass da auch
politische Inhalte weniger gut ankommen, kann man sich wohl mit Links
ausmalen. Ja, die Malerei. Seit Beginn des neuen Jahrhunderts war
sie zwar stets im Vormarsch - jetzt dominiert sie das Angebot auf der
Weltkunstmesse aber dermaßen, dass selbst schon Galeristen einen neuen
Trend, am besten "Skulptur", raunend herbeireden wollen. Und über kurz
oder lang wird dieser wohl kommen - denn sind die Wände der Sammler voll,
bleibt ja immer noch der Freiraum dazwischen. Da muss die Kunst nur den
nicht mehr viel glatteren Konkurrenten "Design" noch im Zaum halten -
dieser baute sich heuer erstmals zeitgleich mit der "Art Basel" mit einer
eigenen Messe in der Elisabethenkirche auf. Mit derart unguten Gefühlen schwankt man hindurch
zwischen starr glupschenden Glasaugengewächsen von Sylvie Fleury, einem
Brunnen aus drei durchlöcherten pistazienfarbenen Köpfen von Bruce Nauman
und älteren Herren, die mit geil glitzernden Kinderaugen und der beringten
Hand am Scheckheft auf Carsten Höllers Ringelspiel baumeln. Doch die paar
hier am Contemporary-Sektor verstreuten Milliönchen sind noch nichts gegen
den wahren Picasso-Rausch, dem heuer die Moderne-Händler frönten,
motiviert durch den jüngsten Rekord von 95 Millionen Dollar für ein
Dora-Maar-Porträt des Meisters. Auch Matisse ist massig vertreten.
Schließlich haben bereits 100.000 Besucher seine Personale in der
Fondation Beyeler nahe Basel besucht. In all diesem so beliebig gewordenen globalen Überdrüber
mischten auch neun österreichische Galerien mit, darunter Georg Kargl mit
den zwei Ausnahme-Künstlern Markus Schinwald und Gabi Trinkaus, Martin
Janda mit Adriana Czernin und Roman Ondak sowie die Galerien Senn und
Artelier. Ropac kam in seinem Stand mit dem Umhängen kaum nach.
Ernst Hilger konnte sich dafür kaum durch die staunenden Gruppen vor John
Gerrards computeranimierten drehbaren Wunderbildern durchquetschen, um
seine zahllosen roten Verkaufspunkte daneben zu setzen. Letztes Jahr
kosteten die magischen Displays noch 14.000 Dollar. Heuer sind es bereits
35.000. Mit einer fast kunsthistorischen Strategie hatte
Rosemarie Schwarzwälder Erfolg: Sie stellte Künstler wie Katharina Grosse,
Herbert Brandl mit je einer alten und einer neuen Arbeit aus - und
verkaufte etwa Bernard Frizes "Vu frontal" (1985) ans Kunsthaus Zürich.
Ursula Krinzinger vermeldete sanft lächelnd, dass jetzt sogar schon die
Rubells, Miamis Supersammler, ihren wilden Norweger Bjarne Melgaard
entdeckt haben. Und Christine König beantwortete die Frage "Who's got the
big picture?" auf Johanna Kandls Großformat mit einem gelassenen: "Einer
türkischen Sammlung". |
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