Das Kunstforum der Bank Austria zeigt Arbeiten ihrer Sammlung Fotografis: "Collection reloaded"
Vom Bauchnabel zur Vogelschau
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André Kertesz: Distortion No. 40 (1933). Foto: Sammlung Fotografis der Bank Austria
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Es war eine Pioniertat in Österreich: die in den 70er Jahren von Anna
Auer mit dem damaligen Kunstleiter der Länderbank, Ivo Stanek,
angelegte Sammlung Fotografis. Bis 1986 ist diese Kollektion, die die
klassische Fotografiegeschichte seit dem frühen Experiment von Henry
Fox Talbot umfasst, in vielen Ausstellungen präsent gewesen – doch seit
1986 schlummerte sie im Depot.
Mit Gegenwartspositionen garniert
und damit ans heutige Publikum angepasst, soll der Schatz nun, nach der
Schau im Kunstforum, in der Narodni Galerie in Prag präsentiert werden
und wandert 2009 als Dauerleihgabe an das Museum der Moderne in
Salzburg. Bleibt in Wien zu hoffen, dass die neuen italienischen
Eigentümer der Bank Austria nicht ihr kulturelles Silber verschleudern
und die Institution Kunstforum Bestand hat.
Qualitäten der Fotografie
Kurator Florian Steininger hat gemeinsam mit Lisa Kreil und Heike
Eipeldauer das Konzept durch wichtige Leihgaben auf heutige
Genre-Beiträge erweitert. Der Anpassung der Fotografie um 1900 an die
Malerei mit dem "Piktorialismus" steht in unseren Tagen – nicht ganz
unähnlich – das große Format der C-Prints gegenüber: Künstler wie
Andreas Gursky oder Axel Hütte erzeugen echte Konkurrenten monumentaler
Leinwände für Museen. Aber auch die Reisefotografie des 19.
Jahrhunderts hat einen Nachfolger in Elger Esser gefunden, der sogar
das Postkartenmotiv aufgeblasen weiterleben lässt.
Die Besinnung der Fotografie auf ihre eigenen Qualitäten durch
Größen wie Edward Steichen, Alfred Stieglitz oder Paul Strand um 1920
setzen nach den Dokumentaristen Bernd und Hilla Becher in den 60ern
Candida Höfer, Margherita Spiluttini oder Günther Förg mit ihren
Architekturfotografien heute fort.
Das Zeitalter des großen Experiments mit Man Ray, László Moholy-Nagy
oder Alexander Rodtschenko kommt auch noch einem bildhauerisch
denkenden Künstler wie Erwin Wurm zu Gute. Er bildet mit "Hamlet" von
2008 den Ausklang als international anerkannte österreichische Position
unserer Tage.
Während die Russen der Revolutionszeit die extreme Vogelperspektive
propagierten, ist aktuell die damit verpönte "Bauchnabelperspektive"
als unmittelbare Sicht durch die Kamera auf die Welt durchaus kein
Mangel an Erfindungskraft. Dazwischen wird als Kontrast die soziale
Reportage eines Lewis Hine, Henri Cartier-Bresson bis zu Weegee und
Manfred Willmann mit mehr als einem ganzen Raum eingeschoben.
Am Ende ist die Frage, warum die Fotografie für Gegenwartskünstler
das am meisten verwendete Medium darstellt, weitgehend beantwortet:
Qualität zieht an – hier sicher nicht nur Experten.
Ausstellung
Fotografis
Collection reloaded Florian Steiniger, Lisa Kreil (Kuratoren) Zu sehen bis 29. Oktober
Mittwoch, 10. September 2008
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