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Kunstberichte

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Freie Sicht auf die Wand!

Aufzählung (cai) Der MacGyver kann vielleicht aus einer Büroklammer und einem Wassertropfen eine voll funktionstüchtige Leselupe herstellen. Das ist trotzdem nix gegen das, wozu Hadrien Dussoix fähig ist. Der erzeugt nämlich aus diversen Materialien ... einen Klumpen. Das beeindruckt Sie nicht? Aber dieses Es-ist-was-es-ist schaut doch ungemein ehrlich aus.

Na ja, wie wär’s dann mit einem Klumpen, der deutliche Ähnlichkeit hat mit einem Huhn? Der Titel ist freilich sehr "poetisch": "Fresh Air Smells Funny" – frische Luft riecht komisch. Obwohl: Das könnte ein Ex-Legebatteriehuhn und nunmehriges Freilandhendl ja durchaus empfinden, wenn es sein allererstes glückliches Open-Air-Ei legt. Hm. Hendl. Haben wir nicht eh grad ein Hendl-Jahr? Immerhin ist das Hendl, äh: der Händel, heuer ja genau zum 250sten Mal tot. Oder so. Egal. Die nicht unlustigen Skulpturen sind jedenfalls entweder typische Beispiele der Du-mich-auch-Kunst oder zeugen vom Galgenhumor eines Künstlers, der mit dieser neckischen Huschpfusch-Billigästhetik auf die Wirtschaftskrise reagiert. Oder sie sind etwas völlig anderes. Und ein leerer Bilderrahmen (aus trivialem, wucherndem Bauschaum) ist sowieso eine Frechheit. Oder ein Manifest. (Fort mit den Bildern, freie Sicht auf die Wand!)

Doch das wahre Verdienst vom Dussoix ist wohl: Seine Tafelbilder (voll mit vulgären Slogans) besitzen eine Aura , also das, was das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit angeblich längst verloren hat. Okay, das Leuchten ist ein billiger Trick. Die Bilder sind seitlich mit Neonfarbe angemalt, die von der weißen Wand diffus reflektiert wird. Oh, die Arbeiten sind ja raffinierter, als sie selber zugeben!

Projektraum Viktor Bucher
(Praterstraße 13/1/2)
Hadrien Dussoix
Bis 26. Juni
Di. – Fr.: 14 – 19 Uhr

Fährt der Yeti Auto?

Aufzählung (cai) Um eine Maus in einen (vermutlich exorbitant kleinen) Hund zu verwandeln, muss man sie nur viermal operieren. Maus, Haus, Hans, Hand, Hund. Also vier Buchstaben transplantieren. Damit aus einem Käferl ein Schmetterling wird, reißt Harry Jeschofnig ihm freilich die Flügel aus und arrangiert sie neu (die Kot -Flügel, vom VW-Käfer). Gut, da ist man leicht verunsichert, ob man den Falter auch wirklich brillant finden darf, denn schließlich kann man ihn sich (stark verkleinert) auch als Brosche am Revers vorstellen. Bei den übrigen Visionen aus Autoblech hat man aber keine Bedenken. Pittoreske Reliefs und liebenswerte Kreaturen. Also keine peinlichen Mahnmale für Totalschäden. Kein Memento motori, äh: mori. Die New Yorker Skyline setzt sich aus Teilen zusammen, die inzwischen ausgestorben sind wie der Tasmanische Wolf: Chromstoßstangen. Und in Autowracks findet der "Blechmann" dauernd Sehenswürdigkeiten: eine ansichtskartenreife Salzburg-Impression, Darth Vader, ja und der Yeti ist da sicher auch irgendwo. Ein bissl nachhelfen muss der Jeschofnig schon. Schneiden und schweißen. Doch nie im Leben würd’ er die heißen Rundungen der Karosserie mit einem Hammer verbeulen.

Galerie Artefakt
(Strauchgasse 2)
Harry Jeschofnig
Bis 26. Juni
Mo. – Fr.: 13 – 18 Uhr

Rorschachtestgelände

Aufzählung (cai) Pinsel? Wer braucht denn so was?! Klavier spielt ja auch bloß ein Snob mit Messer und Gabel. (Na gut, das ist nicht dasselbe.) Christian Platny erzielt jedenfalls spektakuläre Ergebnisse, indem er die Farbe seekrank macht (das Bild schwenkt), wieder was abkratzt oder zu Chemikalien greift. Bis das Ganze aussieht wie ein abblätterndes Fresko, das sich in einen Rorschachtest verwandelt hat. (Hunde setzen zwar auch Chemie ein, um den Verputz von den Wänden zu ätzen, doch Platny hebt garantiert kein Bein – denk’ ich.) Aber muss das gar so gepflegt dekorativ sein?

Galerie Frey
(Gluckgasse 3)
Christian Platny
Bis 18. Juli
Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr
Sa.: 10 – 16 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 17. Juni 2009

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