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20.04.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Frisches Futter für Ideenfischer
VON ALMUTH SPIEGLER
Ausstellung. Maria Lassnigs überwältigende neue Malerei in der Sammlung Essl.

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ie kann Malerei heute besser sein? Wie kann sie mehr berüh ren, mehr ausdrücken als in den Bildern, die Maria Lassnig in den vergangenen Jahren geschaffen hat? Dieses in all seinen Zügen aufgerissene Gesicht etwa - eine einzige, untröstbare Verzweiflung. "Die Trauer" (2003) strömt über auf den eigenen Körper, krümmt ihn wie den des so vertrauten charismatischen Alter Ego der Künstlerin auf der Leinwand. Anders als früher setzt Lassnig in ihren jüngsten Ölbildern die Figuren in einer weitgehend unberührten weißen Leinwand aus, lässt sie schweben, durch perspektivische Verkürzungen den weiten Raum besetzen, sich spielerisch ausbreiten. Sei es als Opfer von "Ideenfischern", sei es in hilfloser "Abwehr" vor dem vorstürmenden Fußballer.

Alles scheint man zu verstehen hier, die Symbolik, die Ironie - und doch wird dieses "alles" nie völlig klar bei Lassnig. Es sind ihre Körper-Empfindungen, ihre "bodyawareness" und ihre ganz eigene Wirklichkeit, die sie in diesen seltsam grausamen Pastelltönen auswirft. "Schmerz- und Qualfarben, Druck- und Völlefarben, Höhlungs- und Wölbungsfarben" nennt sie das dominierende helle Grün und Türkis, das in allen Nuancen changierende Erdbeerrot, das satte Gelb. Eine unverwechselbare, expressive Sprache, der Lassnig seit den 70er Jahren treu geblieben ist - im Unterschied zu anderen Künstlern ihrer Generation aber auch immer noch weiterentwickelt. Dabei ist nichts krampfhaft neu, sondern bleibt verankert in einer Tradition, die Lassnig aufgesogen hat an ihren Lebensorten Paris (Surrealismus, tachistische Spontanität), New York (Neuer Realismus) und nicht zuletzt in Kärnten, woran vor allem die Farben (Herbert Boeckl, Nötscher Kreis) erinnern.

Karlheinz Essl ist sicher der eifrigste Sammler von Lassnigs Werk seit den 80er Jahren. "Atom-Mütter" machte den Anfang. Sein Bestand - 40 Gemälde, darunter einige Hauptwerke wie "Lebenszyklus", acht frühe Filme, fünf Skulpturen und 35 Aquarelle - ist jetzt erstmals geschlossen in Klosterneuburg zu sehen. Eine gültige Retrospektive, wie sie im 20er Haus 1985 und 1999 stattfand, konnte so nicht zustande kommen. Es fehlen vor allem die Phasen des Frühwerks. Dafür hat Kuratorin Christine Humpl die weniger bekannten Plastiken der Künstlerin eingefügt - "Fingerübungen", wie Lassnig selbst zugibt - sowie den 32-teiligen Porträt-Zyklus der "Landleute" von Feistritz. Humpl hat sichtlich "nur ein bisschen" geordnet, nämlich thematisch, womit man wenigstens eine Idee von Lassnigs Interessensgebieten bekommt: die Natur, eine fortschrittsskeptisch erfundene Dingwelt samt Mischwesen ("Science Fiction"), die auf sich selbst bezogene antike Mythologie ("Atlas"). Eine feministische Haltung wird - außer in den (Trick-)Filmen - vor allem durch eine Aussparung des Männlichen deutlich. "Ausnahmebilder", wie das "Porträt des Insektenforschers" (2003), bestätigen die Regel.

Eine Bestätigung sind die jüngsten Arbeiten auch dafür, dass Lassnig immer noch die international bedeutendste Malerin der Gegenwart ist. Traurig nur ihr gestörtes Verhältnis zu Österreich, das "sich's mit mir verdorben hat", wie sie 2002 sagte. Eine schwierige Situation, immerhin erhielt sie vor Jahren schon die höchsten Auszeichnungen des Landes. Da bleibt wohl nur, für Maria Lassnig neue Kategorien zu erfinden.

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