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Kunstberichte

Biomechanische Traumpassagen

Das KunstHaus Wien zeigt bis 1. Oktober eine Personale mit 100 Werken des Schweizer Surrealisten HR Giger
Illustration
- Totenköpfe, Schlangen und andere Gebilde gehören zu Gigers Markenzeichen.  Foto: Giger

Totenköpfe, Schlangen und andere Gebilde gehören zu Gigers Markenzeichen. Foto: Giger

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Unter Kult, Pop und Science Fiction ist Hans Rüdi Giger, Schweizer des Jahrgangs 1940 – als Vater des Echsenmonsters Alien Oscarpreisträger von 1980 – leichter einzuordnen als in Kunststilen. Die Parallele zu den Wiener Phantasten und zum Tachismus sind in den Sechziger-Jahren zeitbedingt, frühe Inspirationsquellen waren Salvador Dalí und Alfred Kubin.

Nach der Tusche kam die Farbpistole, die seinen außerirdischen Ungeborenen erst die richtig schleimige Glätte gibt – Airbrush ist die Technik, die auch Gottfried Helnwein malerisch nützt. Die mit Vorliebe gewählte Farbe ist leichenblasses Blaugrau, in dem maschinenhafte Materie mit belebter verschmilzt.

Meister der erotischnekrophilen Gruselns

Auch für die ab den Neunziger-Jahren verstärkt auftauchenden Skulpturen verwendet er glattes Aluminium, schwarzes Kunstharz oder Bronze, liebt aber auch die rote Patina des Eisens. Wer gerne als "Grufti" in einer Art Geisterbahngrotte leben würde, sei auf seine Harkonnen-Möbel hingewiesen. Sie sind nun wirklich "gigeresk" und nicht nur das – der Meister des erotisch-nekrophilen Gruselns kann einen eigenen "biomechanischen Stil" für sich beanspruchen. Das schafften vor ihm wirklich nur Giganten wie Michelangelo.

Mumien, Medusen und der Satan

Seine Wesen, die Biomechanoiden, passen natürlich gut in Hollywoods Science Fiction-Filmwelt, nach der erfolgreichen Geburt des Alien folgten weitere Ausstattungen wie für "Poltergeist II." Frühe Titel wie "Fressen für den Psychiater" verraten nicht nur, dass er diese Spezies durch Kunst umgangen hat, sondern auch einschlägige Lektüre über Träume ab Sigmund Freud und vor allem die Esoteriker genau gelesen hat. Mumien, Medusen und der Satan in allen möglichen Erscheinungen ziehen natürlich auch die ganze Punk-, Gothic- und Heavy Metal-Szene nach Chur. Dort beherbergt Giger in einem Schloss eine große Sammlung, in der neben seinen Werken auch Österreicher wie Ernst Fuchs, Franz Ringel oder Arnulf Rainer zu finden sind. Den "Hells Angels" hat er 1967 ein Bild gewidmet.

Neben dem Unterbewussten interessiert den Künstler, der selbst in der Müllversorgung symbolisierte Stoffwechsel, Tod und frühe Stadien des Lebens: Babyköpfe wiederholen sich neben Totenschädel und Penis. Der Sohn eines Apothekers sieht seine vom Studium des Industriedesign ausgehende Karriere gelassen und mit Humor. Er ist der lebende Beweis für einen, der seine Wurm- und Medusenvisionen in der Kunst abarbeitet und dadurch glücklich ist.

Bilder von HR Giger

Stephan Stucki (Kurator)

KunstHaus Wien

Untere Weissgerberstraße 13, 1030 Wien

Geöffnet täglich von 10 bis 19 Uhr

Regelmäßige Führungen: sonn- und feiertags 15.00 Uhr, http://www.kunsthauswien.at/

Bis 1. Oktober

Für Finsterlinge.

Freitag, 26. Mai 2006


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