Unter Kult, Pop und Science Fiction ist Hans Rüdi
Giger, Schweizer des Jahrgangs 1940 – als Vater des Echsenmonsters Alien
Oscarpreisträger von 1980 – leichter einzuordnen als in Kunststilen. Die
Parallele zu den Wiener Phantasten und zum Tachismus sind in den
Sechziger-Jahren zeitbedingt, frühe Inspirationsquellen waren Salvador
Dalí und Alfred Kubin.
Nach der Tusche kam die Farbpistole, die seinen außerirdischen
Ungeborenen erst die richtig schleimige Glätte gibt – Airbrush ist die
Technik, die auch Gottfried Helnwein malerisch nützt. Die mit Vorliebe
gewählte Farbe ist leichenblasses Blaugrau, in dem maschinenhafte Materie
mit belebter verschmilzt.
Meister der erotischnekrophilen Gruselns
Auch für die ab den Neunziger-Jahren verstärkt auftauchenden Skulpturen
verwendet er glattes Aluminium, schwarzes Kunstharz oder Bronze, liebt
aber auch die rote Patina des Eisens. Wer gerne als "Grufti" in einer Art
Geisterbahngrotte leben würde, sei auf seine Harkonnen-Möbel hingewiesen.
Sie sind nun wirklich "gigeresk" und nicht nur das – der Meister des
erotisch-nekrophilen Gruselns kann einen eigenen "biomechanischen Stil"
für sich beanspruchen. Das schafften vor ihm wirklich nur Giganten wie
Michelangelo.
Mumien, Medusen und der Satan
Seine Wesen, die Biomechanoiden, passen natürlich gut in Hollywoods
Science Fiction-Filmwelt, nach der erfolgreichen Geburt des Alien folgten
weitere Ausstattungen wie für "Poltergeist II." Frühe Titel wie "Fressen
für den Psychiater" verraten nicht nur, dass er diese Spezies durch Kunst
umgangen hat, sondern auch einschlägige Lektüre über Träume ab Sigmund
Freud und vor allem die Esoteriker genau gelesen hat. Mumien, Medusen und
der Satan in allen möglichen Erscheinungen ziehen natürlich auch die ganze
Punk-, Gothic- und Heavy Metal-Szene nach Chur. Dort beherbergt Giger in
einem Schloss eine große Sammlung, in der neben seinen Werken auch
Österreicher wie Ernst Fuchs, Franz Ringel oder Arnulf Rainer zu finden
sind. Den "Hells Angels" hat er 1967 ein Bild gewidmet.
Neben dem Unterbewussten interessiert den Künstler, der selbst in der
Müllversorgung symbolisierte Stoffwechsel, Tod und frühe Stadien des
Lebens: Babyköpfe wiederholen sich neben Totenschädel und Penis. Der Sohn
eines Apothekers sieht seine vom Studium des Industriedesign ausgehende
Karriere gelassen und mit Humor. Er ist der lebende Beweis für einen, der
seine Wurm- und Medusenvisionen in der Kunst abarbeitet und dadurch
glücklich ist.
Bilder von HR Giger
Stephan Stucki (Kurator)
KunstHaus Wien
Untere Weissgerberstraße 13, 1030 Wien
Geöffnet täglich von 10 bis 19 Uhr
Regelmäßige Führungen: sonn- und feiertags 15.00 Uhr, http://www.kunsthauswien.at/
Bis 1. Oktober
Für Finsterlinge.
Freitag, 26. Mai
2006