Kunsthalle: Schwebende Magnetbänder des Litauers Zilvinas Kempinas
Abgespult und weggeblasen
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Säulen, nur scheinbar sakral: Auch Weihevolles fertigt Zilvinas Kempinas aus Videobändern. Foto: Wyckoff/Kunsthalle
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Die Kunsthalle Wien feiert einen neuen Star am Kunsthimmel mit sechs
Installationen: Zilvinas Kempinas, den 1969 in Litauen geborenen
Künstler, der seit Jahren in New York lebt. Er wird Litauen 2009 auf
der Biennale in Venedig vertreten, gewann 2007 den renommierten
Calder-Preis und fiel heuer auf der Manifesta 7 in Bozen auf. Dabei
verwendet er in der Kunsthalle ausschließlich abgelaufene Videobänder:
kilometerlang abgespult und neu gespannt, erzeugen sie durchsichtige
Raumteiler, Säulen und schwebende Ovalformen.
Man kennt die
malerische Wirkung von Schatten, die durch Jalousien in einen Raum
fallen: Scheinwerfer-Licht sorgt hier für einen ähnlichen Effekt. Der
Wind von Ventilatoren gibt dem Ganzen Bewegung und Geräusch.
Freilich: Ohne Marcel Duchamps frühe Spiele mit dem Schatten
wandelbarer Gegenstände, ohne die Minimal Art mit ihren kleinen
geometrischen Interventionen und kinetischen Konzepten, auch ohne die
ärmlichen Materialien der Arte povera und die Einbeziehung der
Betrachter durch die Op-Art gäbe es diese Werke nicht. So schwingt hier
eine Menge selbstreflexives Nachdenken über die Kunst und ihre
Geschichte mit – wie so oft in der Postmoderne.
Das Augenmerk des Betrachters wird geschickt auf die magische
Verwandlung von Räumen durch schwebende Linien und deren Flirren
gelenkt – sowie auf die Verfremdung eines mittlerweile betagten
Materials. Wer erinnert sich nicht an den Verlust eines Tonbands durch
Riss oder Verwirrung zum Knäuel? Durch die Geräuschkulisse der
schwirrenden Bänder ist diese Nostalgie kaum zu unterdrücken. Doch
liegt in dieser Ausstellung offenbar nur wenig Ironie begraben, mehr
ist sie ein Lehrstück an Leichtigkeit der minimalen konzeptuellen
Eingriffe.
Am Rand zur Lächerlichkeit
Kempinas erzeugt mit dem leichten und billigen Material nicht nur
reduzierte Schwebeplastiken, unter denen die Besucher – bei günstigem
Aufwind durch die Ventilatoren – durchschlüpfen können, sondern auch
einen Tempelraum mit Säulen. Die Bewegung, Durchsicht und Schwingung
nehmen dem erhabenen Architekturthema die Schwere, wieder kommt man am
Rand zur Lächerlichkeit an.
Ebenso wie die heute veralteten Videobänder verwendete Kempinas
anfangs Filmspulen für seine Installationen; seine erste
Raumverspannung erzeugte der Künstler als Kind mit Wollfäden. Da sind
ihm der Amerikaner Fred Sandback oder die Österreicherin Waltraut
Cooper in den 70er Jahren allerdings schon vorangegangen.
Wichtig ist für die Kunsthallen-Schau auch angewandte Physik –
beispielsweise, dass einander anblasende Ventilatoren eine
Luftzirkulation erzeugen, deren Energiestrom ein oder mehrere
kreisförmig geklebte Videobänder in der Luft in Rotation hält.
Doch nicht immer klappt das: Zuweilen zieht ein Saugeffekt die
tanzenden Ovalformen auch zerstörerisch in einen Ventilator hinein.
Dann reißt die Kunst – und die minimalistischen Skulpturen müssen
ersetzt werden.
Ausstellung
Zilvinas Kempinas
Gerald Matt (Kurator) Kunsthalle Wien, Halle 2 http://www.kunsthallewien.at bis 25. Jänner
Printausgabe vom Donnerstag, 06. November 2008
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