SEVDA
CHKOUTOVA
24h
AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG:
12. April 2011, 19:00 – 22:00 Uhr
Ausstellungsdauer: 12.04.2011 –
03.05.2011
Einführung: Dr. Monika Knofler
Die Künstlerin ist
anwesend.
projektraum viktor bucher
a 1020 vienna, praterstrasse
13/1/2
t/f +43 (0) 1 212 693 0
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Sevda
Chkoutova – 24h
Sevda Chkoutova ist 1978 in Sofia, Bulgarien geboren. Sie
zog mit 19 Jahren für ihr Grafik- und Malerei-Studium an
der Akademie der
Bildenden Künste nach Wien, wo sie heute noch lebt.
Chkoutova zeigt
einerseits beeindruckende Großformate mit stilistisch und inhaltlich sehr
divergenten Frauenbildern
von bestechender Technik. Sie scheint auf der
Suche zu sein nach einem ihr gemäßen Frauenbild in der postfemi-
nistischen
Ära und erzählt dabei von den Freuden und vielleicht noch mehr von den Leiden
der Mutterschaft. Auf der
Suche nach dem zeitgemäßen Mutterbild konfrontiert
uns die Künstlerin mit dem Busenkopf, dessen Warzenaugen
verwundert auf den
eigenen Körper zurückblicken. Der pralle Busen sitzt im Kopf und verdrängt das
Denken. Meine
zugegeben sehr persönliche, ziemlich unerotische Assoziation zu
dieser Zeichnung war: Trotz aller theoretischen
Geburtsvorbereitung und
mentalen Einstellung auf die Zeit nach der Geburt, kann Frau sich nicht wirklich
vorstellen,
was es heißt, plötzlich 24 Stunden Mutter und Milchspenderin zu
sein, zu stillen und je nach dem mit schmerzenden
Brüsten darauf zu. warten,
dass der Säugling einem Erleichterung verschafft oder umgekehrt zu befürchten,
dass man
zu wenig Milch haben könnte...
Alles unter einen Hut, alles in
einen Koffer zu stopfen, bringt die stärkste Frau an die Grenzen ihrer
Belastbarkeit. Es
gilt, Ansprüche hinunterzuschrauben, damit der Kofferkopf
nicht platzt.
Neben einer weiteren,
‚Madonna’ mit traditionellem Bildschema begegnen wir ‚Weibsbildern’ in
puppenhafter Starre.
Auch sie bieten kein positiv besetztes Bild von
Weiblichkeit.
Andererseits stehen wir vor einer Wand dicht voll
kleinformatiger oft skizzenhafter Tuschezeichnungen. Sie sind be-
völkert mit
einer wahren Fülle von meist weiblichen, oft nackten Figuren, aber auch Männer,
Babys, Puppen und Teddy-
bären kommen vor. Sie schildern bruchstückhaft und
karikierend den überbordenden, oft auch überfordernden Alltag
einer Frau und
Mutter und lassen dabei auch die dunkelsten Winkel der Sexualität nicht aus.
Dabei widerspiegelt die
collageartige Zeichnungswand nur ungefiltert und
ungeschönt die aktuelle Lebenssituation der Künstlerin, welche vor
ungefähr
eineinhalb Jahren ihr erstes Kind geboren hat. Auf sehr subjektive und
emotionale Art und Weise versucht sie
die eingreifenden Veränderungen auf
körperlicher und seelischer Ebene zeichnerisch umzusetzen. Trotzdem haben wir
es nicht nur mit einer autobiographischen Bilderzählung zu tun. Dazu sind
die Zeichnungen viel zu gekonnt, fantasievoll
und fragmentarisch,
expressiv und erregt.
„Die Betrachtung der
Frau in all ihren Facetten als Mutter, Geliebte, Frau, Hausfrau, arbeitende
Frau.“ So hat die Künstlerin
treffend ihren Motivkreis umschrieben.
Verfolgen wir ihre künstlerische Entwicklung der letzten zehn Jahre, hat sich
auch
ihr Stil verändert. Von ehemals häufig sehr naturalistischen- hin zu
persönlich gefärbten, lockeren Zeichnungen von großer
Virtuosität.
Sevda Chkoutova spürt
in ihren Zeichnungen der Entwicklungspsychologie vom Kind bis zur jungen Mutter
nach. Ihre
eigene künstlerische Entwicklung verläuft dabei parallel zu ihrer
persönlichen Entwicklung und scheint in die hybriden
Körper der
Dargestellten eingeschrieben. Dabei projizierte sie früher ihre persönliche
Lebenserfahrung, Fantasien und
Ängste gerne auf Fotos von Adoleszenten,
deren Gesichter sie erfindet. Waren es vor acht Jahren Kinderfotos, welche
sie in fotorealistischer Manier umsetzte, die mit ihren Titel sweet harmony
schon die Brüchigkeit des Idylls antönten,
folgte eine Serie mit dem Titel
Kinderspiel, das die Ambivalenz des kindlichen Spiels, das so leicht und
unschuldig nie ist,
thematisiert. In der Serie Karussell (2007) zeichnete
sie die Kinder vorpupertär, mitten in der körperlich-sexuellen Ent-
wicklung,
in der Serie verblüht schließlich sind es Kindfrauen, die ihre ersten sexuellen
Erfahrungen möglicherweise bereits
hinter sich haben. Diese irritierenden,
sexuell aufgeladenen Zeichnungen sind vor dem Hintergrund eines alten
bulgarischen
Sprichworts, das die Künstlerin in ihrer Jugend oft gehört
haben muss, besser einzuordnen: „Eine junge Frau verblüht in
dem Augenblick,
in dem sie der Finger eines Mannes berührt.“ Sie thematisieren die patriarchale
Doppelmoral von hohem,
von den Frauen erwartetem Jungfräulichkeits-ideal und
der Realität, in der immer auch tabuisierter Missbrauch mitschwingt.
Dass die Künstlerin in
ihren Zeichnungen oft Zuschreibungen von Weiblichkeit vornimmt, die wir sonst
eher aus männlicher
Perspektive gewohnt sind, macht die Sache noch
ambivalenter und verwirrender. Was für ein Frauenbild transportieren ihre
Zeichnungen heute?
Paula Modersohn Becker
war wohl die erste Frau, die sich künstlerisch eingehend damit befasst hat. Sie
ist mit 31 Jahren
an den Folgen der Geburt ihrer ersten Tochter im
Wochenbett verstorben. Unterdessen hat sich sehr viel verändert. Trotzdem
sind die Produktionsbedingungen von Künstlerinnen mit Kindern nach wie vor
schwierig. Eva Bächtold, Basel Mai 2010
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