Galerien live
Seines oder nicht seines
(cai) 126 Jahre nachdem Pat Garrett Billy the Kid erschossen hatte, hat Heimo Zobernig auch
einem Billy etwas angetan, nämlich Billy dem Regal. Dessen
Gebrauchswert tendiert jetzt gegen null, soll heißen: Ein Kulturmensch
würde das nur noch mit Handschuhen anfassen. (Barbaren täten ihre
Bücher da freilich schon noch reinstellen. Die wissen es
halt nicht besser.) Nein, der Zobernig hat eh nix Unappetitliches damit
angestellt. Er hat einfach dasselbe gemacht wie der Duchamp einst mit
einer Schneeschaufel: Er hat das Ding zum Kunstwerk erklärt.
Das Rumpelstilzchen musste noch Stroh zu Gold spinnen, ein Künstler bräuchte die Halme bloß einzeln zu signieren ,
damit sie wertvoll sind. (Na ja, auch eine Heidenarbeit.) Andererseits
hat der Zobernig das Regal mit Spiegeln hinterlegt, was die Frage
"Seins oder nicht seins, sondern meins und deins (weil die Möbel von
Ikea ja der ganzen Menschheit gehören)?" verkompliziert. Edek Bartz und
Krüger & Pardeller, die Kuratoren, konfrontieren uns mit Objekten,
die sich nicht immer klar zuordnen lassen (Kunst oder Design?) und
sogar geübte Betrachter verunsichern. Ich hab mich selber dabei
ertappt, wie ich beim extrem löchrigen Teppich von Gilbert Bretterbauer
auf Zehenspitzen in die Löcher reingestiegen bin, um nur ja nicht aufs
"Kunstwerk" zu treten.
Eine funktionstüchtige Eckbank von Donald Judd haben Kunstexperten
kurzerhand ins Museum verschleppt. Wer sich da jetzt draufsetzt, kriegt
ein schlechtes Gewissen, als hätte er die Mona Lisa geschändet (sie als
Schneidbrettl benutzt). Und was David Moises aus Skiern baut:
Sitzgelegenheit oder eine Skulptur mit der Botschaft "No sports"? Denn
immerhin wird da aus einem Sportgerät ein Denkmal für die Faulheit,
deren Inbegriff ja das Sitzfleisch ist. Eine bewusstseinsfördernde
Schau.
Kunstraum Niederösterreich
(Herrengasse 13)
Twilight Zone
Bis 27. Juni
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr
Yin und Yang am Strand
(cai) Die klassische Sandburg hat Türme, Zinnen und einen Wassergraben. Doch diese
Modelle hier (sauber aus Karton gebastelt) sind eindeutig
internationaler Stil. Klare Formensprache, schmucklos, Flachdach. Kein
Wunder, Hazem El Mestikawy hat die Pläne dafür ja aus dem Nachlass von
Walter Gropius. Nein, natürlich nicht. Er hat sie aus dem arabischen
Alphabet. Und das sind auch keine Sandburgen , sondern
stilisierte Buchstaben. Indem El Mestikawy die Schriftzeichen in
Architektur übersetzt, führt er quasi eine alte Tradition fort: das
intime Verhältnis der arabischen Baukunst zur Schrift, zumal Kaligrafie
dort gern die Wände als Ornament ziert. Zu jedem Karton-Opus gibt es
nun ein exakt passendes, korrespondierendes Gegenstück, und beides
lässt sich zu einem perfekten Quader zusammenstecken, zu einer
minimalistischen Skulptur. Ein 3-D-Puzzle aus zwei Teilen, die sich
gegenseitig durchdringen – in China würde man dazu wohl Yin und Yang
sagen. Unwiderstehlich, diese unglaubliche Präzision.
Atrium ed Arte
(Lerchenfelderstraße 31)
Hazem El Mestikawy
Bis 27. Juni
Di. – Fr.: 14 – 18.30 Uhr
Sa.: 17 – 20 Uhr
Knautschen für die Kunst
(cai)Ein Blatt Papier im Affekt, also mit viel Gefühl, zu zerknüllen,
ist wirklich keine Kunst. Jedenfalls keine japanische Papierfaltkunst
(Wut-Origami). Metallabfälle zu zerknautschen (in der Schrottpresse)
macht schon mehr Eindruck. Die suggestiven Klumpen von Dee Sands sind
energiegeladen. Und mit ein bissl Fantasie könnte ihr "Red Pepper"
tatsächlich ein Paprika sein. Georg Lebzelters aufwändige, dichte
Radierungen daneben (collageartig mit jeder Menge Radierplatten
hergestellt) sind farblich delikat, doch geradezu übertrieben
angeräumt. Bummvoll.
Galerie Ulrike Hrobsky
(Grünangergasse 6)
Zusammenhänge
Bis 4. Juli
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 24. Juni 2009
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht automatisch
veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen.
Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in
der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer
nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird
online nicht veröffentlicht.