Alles begann mit Hunden, die ich hasse. Bei einem Abendessen in einer Galerie fühlte ich mich von ihnen aufs Unangenehmste umzingelt, umhechelt, beäugt und belauert – aber auch bewacht, und ich war, zu meiner größten Überraschung, fasziniert von einer Schönheit in dieser Hässlichkeit, von ihrer Kraft. Kampfhunde. Noch dazu hier diese dumpfen Staffordshire Bullterrier. Dort ein Rottweiler. Riesengroß. Auf Leinwand. Hyperrealistisch. In extremer Nahaufnahme. Und dann noch dazu in Weiß auf Schweinchenrosa.
Keine Ahnung mehr, was ich damals auf dem
Teller hatte. Neben mir jedenfalls saß die verwunderte junge Malerin,
die ich zwar bisher nicht kannte, die dafür meine kleine, aber ziemlich
unübersehbare Hundephobie gleich zur Vorspeise serviert bekam.
Seither
verfolgen mich die Viecher. Nicht nur nachhaltig in meiner
therapiebedürftigen Seele. Sondern auch und immer öfter in der Kunst.
Gehetzt noch dazu von den permanent bohrenden Fragen meines engeren wie
weiteren Bekanntenkreises, der rundum zu glauben scheint, dass gerade
die glücklich hundelose Kunstkritikerin die besten willigen
Porträtisten für diverse Schoßtiere in Dutzenden an der Leine führt.
Was natürlich meist herbe Enttäuschungen zur Folge hat – ist es heute
ja schon schwer genug, für einen Menschen einen akzeptablen
Auftragsporträtisten empfehlen zu können, guten Gewissens noch dazu.
Aber für Hund, Katze und Lieblingsgoldfisch? Da muss meist die unterste
Schublade des Gewerbes, bevorzugt im Internet, gezogen werden, wo sich
die Angebote à la „Akademischer Maler malt haarigen Liebling mit Herz –
Fotos retour nur mit beigelegtem Bargeld“ häufen.
Hunde unter
dem Hammer. Aber was erwartet man sich auch von der Wiener Kunstszene?
Wir sind ja schließlich nicht im hundewahnsinnigen England, wo etwa das
Auktionshaus Christie’s regelmäßig eigene „Dog-Auctions“ veranstalten
kann, in denen ausschließlich und sehr erfolgreich historische und
moderne Hunde- beziehungsweise Jagd-Sujets in die ganze Welt verklopft
werden.
So fiel mir lange Jahre als immerhin hochkarätiger
Notnagel für tierversessene Kunstliebhaber und umgekehrt nur ein Name
ein: Alois Mosbacher. Wofür der Arme allerdings wirklich nicht viel
mehr konnte als seine bereits älteren Hühner- und Hunde-Serien. Purer
Zufall, dass ich den
einstigen Jungen Wilden gerade damals, in den
späten 90er-Jahren, zu beobachten begann. Wobei eigentlich auch seine
Hundebilder selbst einem Zufall entsprangen: Hatte der 1954 geborene
Steirer vor ungefähr acht Jahren zwar durchaus für einige Monate die
Wohnung eines Freundes in Los Angeles hüten wollen, nicht aber
unbedingt auch gleich dessen Hund dazu. Doch schon folgte eine
Zeichnung, ein Ölbild, ein Aquarell und ein Hund dem anderen – und
schließlich hatte Alois Mosbacher dem Motiv vier Jahre (2000 bis 2003)
und viel Humor gewidmet.
Entstanden sind dabei extrem sympathische und lockere Hunde-Porträts, die in ihrer auch stilistischen Vielfalt und ihren poetischen Schattierungen mehr an individuelle Charakterköpfe erinnern als an kläffende Schnauzen mit Ohren – obwohl dem Maler als Vorbild bald auch Plastikspielzeugfiguren dienten. Doch selbst in deren recht platten Physiognomien legte er etwas Persönliches, nimmt so unseren guten Glauben, unser Hündchen-Schema aufs Korn. Traurig, nachdenklich, angriffslustig, träumerisch, naiv, verspielt zeigen sich so ein Prego und ein Jagger, ein Lurch, Mufti, Schimanofsky, eine Bella, Zucka oder Selma – und zwar in allen ihnen zur Verfügung stehenden Ausdrucksmitteln, in ihren Blicken, Ohren, Stirnfalten, Lefzen und Hautfalten.
Mag das jetzt dem ersten Eindruck nach an die abgeschmackte affirmative Hunde-Vermenschlichung eines Fotografen wie William Wegmann erinnern – vergessen Sie es. Alois Mosbacher geht unvergleichlich subtiler vor. Die gewisse menschliche Anmutung seiner Hunde schleicht sich nur ganz langsam ins Bewusstsein ein, Seite um Seite, die man sich durch sein 2003 erschienenes grandioses Hund-Buch mit Beiträgen von Elfriede Jelinek, Franzobel und Wolf Haas blättert (Jung und Jung Verlag).
Doch
was hilft jetzt all die Nostalgie. Mosbacher schwebt längst in anderen,
virtuelleren Welten (Galerie Krinzinger). Als sein bester, weil
bösester Nachfolger in der Enttarnung einer vielleicht fast
menschlichen Hundeseele hat sich ein anderer Steirer entpuppt, der 1970
in Leoben geborene Ronald Kodritsch. In der neuen Grazer Galerie
„artepari“ (www.artepari.com) zeigte er gerade seine „Bastards“ – als
würden Mosbacher-Hündchen sich gerade mit viel Chemie direkt ins
Nirvana spritzen.
Adressat Herrchen. Mit
ihren langen Haaren und leeren Blicken, angedeuteten Dreitagesbärten
und ungesunden Gesichtsfarben erinnern Kodritschs „Bastards“ eindeutig
eher an dunkle Rockstars als an Lassie. Gemalt in seinem „schlampigen
Realismus“, wie er selbst es nennt, will der ehemalige Damisch-Student
mit seinen Porträts eher die Herrchen und Frauchen treffen als ihre
Hunde, weit entfernt von edel und gut: „The beauty that will save the
earth is the love that shares our pain“, steht da etwa quer unter einem
schrägen Schnäuzchen.
Den ersten Platz der „Best of Böse“-Liste der künstlerischen Tierverwerter muss Kodritsch aber an einen Kollegen aus dem Osten abtreten: Dabei tat Ondrej Brody, 1980 in Prag geboren, nicht viel mehr als das, was für Schaf oder Kuh gerade recht zu sein scheint, fürs Schoßtier interessanterweise aber noch weniger in Betracht gezogen wird. Er zog Hund wie Katz schlicht das Fell ab – und fertig war der Bettvorleger. Mittlerweile sind die Hunde-Teppiche des jungen Performance- und Videokünstlers zu Schockern von Kunstmessen wie der „Viennafair“ avanciert. Die Kadaver bezieht er übrigens nicht aus Nachbars Körbchen, sondern aus Ecuador.
Aber jetzt endgültig Schluss mit lustig. Wo bleiben Ernsthaftigkeit und Würde? Damit kann jetzt genau jene Malerin dienen, deren brutale Kampfhund-Beautys mich zu Beginn dieses Ausflugs so aus der Fassung und um den Appetit gebracht haben. Zwei Jahre hat die 1970 geborene Wienerin Fiona Hernuss auf der „New York Academy of figurative Art“ nur Akte gemalt. Nach ihrem Diplom aber brach ihre Leidenschaft durch, waren es bald sowohl ihre eigenen wie auch streng ausgewählte befreundete Hunde, denen sie mit ihrer perfekt geschulten Technik ans Fell rückte.
Die
Schönheit im Hässlichen reize sie an ihren Motiven, erzählt sie.
Aufträge nehme sie aber nur bei garantiert völliger künstlerischer
Freiheit an. Da sei sie sehr heikel. Zurzeit arbeitet sie sich übrigens
an nichts weniger Ungefährlichem ab – einem (zumindest ausgestopften)
Stierkopf mit prächtigen Hörnern, gefallen in einer Stierkampfarena,
den ihr Mann, ein Tierfotograf, ihr zur freundlichen Scheidung
geschenkt hat. (www.hernuss.com)
Menschliche Züge.
Weniger für „Kraft, Ehre, Power“, wie Hernuss ihre Stiere und
Kampfhunde beschreibt, als für Dekadenz steht einer der – auch in
Österreich – gerade sehr beliebten Modehunde, der fragile Whippet. Mit
eindeutig britischer Kühle wendet sich die Londoner Fotografin Jo
Longhurst diesem und nur diesem zu. In ihren teils klinisch anmutenden
Fotos versucht sie, unsere unterschiedlichen Blickwinkel auf diesen
Rassehund zu erforschen: einerseits die auf Perfektion gerichtete Sicht
des Züchters, andererseits die gierig nach etwas Verwandtem, etwas
Menschlichem heischende des glücklichen Besitzers. „I know what you’re
thinking“ untertitelt die Britin etwa eine Serie von Frontalporträts,
ebenfalls noch bis 15. Juni bei einer großen Longhurst-Ausstellung im
Folkwang Museum in Essen zu sehen. Was die Herzen von Whippet-Fans
sicher höher schlagen – die der Skeptiker wohl aber eher erschaudern
lässt.
Denkmal. Doch jetzt genug von Hunden.
Auch Brieftaubenzüchter und Milchbauern haben Recht auf künstlerische
Befriedigung! Die Taube als Symbol der Stadt hat sich etwa die 1980 in
der Schweiz geborene Malerin Amina Broggi als eine Art Markenzeichen
gesichert. In mehreren Jahren setzte die mittlerweile in Berlin lebende
Angewandte-Absolventin den ungeliebten Gesimssitzern ein Denkmal, malte
sie Dutzende Male, badend, schlafend, aufgeplustert, fragmentiert oder
so, wie viele Denkmalschützer sie am liebsten sehen – nämlich tot.
Einer ähnlich mono-animalischen Obsession scheint die oberösterreichische Malerin und ehemalige Damisch-Schülerin Christa Mayrhofer verfallen, die es tatsächlich zu ihrer aktuellen künstlerischen Leidenschaft erklärt hat, dem gemeinen Mühlviertler Fleckvieh „eine Seele zu geben“. Wer „Lanzelot“, „Hael“ oder „Wolke“ also tief in die traurigen Augen blicken will, der wende sich an die Wiener Galerie Hrobsky oder, kein Scherz, an die Grazer Galerie Schafschetzy.