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Restitution: „Präziser, klarer, rascher!“

26.03.2008 | 18:25 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Ministerin Schmied regelt Kunstrückgabe neu, schiebt aber das Leopold-Museum auf die lange Bank.

Noch vor dem Sommer soll sich nach dem Willen von Bildungsministerin Claudia Schmied der Nationalrat mit einer Novelle zum Kunstrückgabegesetz 1998 (KRG) beschäftigen. Diese enthält jedoch keine Lex Leopold. Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch verwies Schmied neuerlich auf knifflige Rechtsfragen, die eine rasche Entscheidung über die Einbeziehung des Leopold-Museums ins KRG verunmöglichen. Eine „hochkarätig besetzte“ interministerielle Arbeitsgruppe, in der sich neben Vertretern verschiedener Ministerien auch der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Clemens Jabloner, Vorsitzender der Kunstrückgabe-Kommission, findet, soll hier dennoch Vorschläge machen, die ebenfalls noch vor dem Sommer präsentiert werden, so Schmied.

„Die Regierung wackelt nicht“, konterte sie auf Fragen, ob im Herbst die rot-schwarze Koalition noch amtieren werde, die nach der ersten Novellierung zu Allfälligem in der Kunstrückgabe die neuerliche Novellierung des KRG zum Thema Leopold beschließen müsste. Neuwahl? Kein Thema für Schmied.


Leopold-Stiftung kein Bundesvermögen

Ein interessanter Passus findet sich in der ersten Gesetzesvorlage: Das KRG soll künftig nicht nur für Bundesmuseen und -Sammlungen gelten, sondern auf das gesamte Bundesvermögen ausgeweitet werden. Ist die Leopold-Sammlung, die mit staatlichen Mitteln gekauft wurde, kein Bundesvermögen? So könnte man fragen. Das ist sie nicht, sie wird es erst nach dem Tod Rudolf Leopolds und seiner Frau, wenn alle Stiftungsvorstände vom Bund nominiert werden. Man sieht, auch äußerst heikle Themen am Rande der Pietät blieben bei der Pressekonferenz nicht ausgespart.

Die erste Novelle umfasst grob gesagt folgende Punkte: Das Gesetz soll nicht mehr nur für Kunstgegenstände, sondern für bewegliche Gegenstände überhaupt gelten, also z.B. für Stein- oder Kolibri-Sammlungen aus dem „Naturhistorischen“. Ferner soll das KRG auch für Güter gelten, die bereits Gegenstand eines Rückstellungsverfahrens waren. Der Zeitraum, Restitutionsansprüche anzumelden, wird von 1938–1945 auf 1933–1945 ausgeweitet. Um die Dauer von Rückgabeverfahren zu beschleunigen, soll künftig die Feststellung der Erben nach österreichischem Erbrecht erfolgen; die Einholung von Gutachten nach internationalem Privatrecht fiele damit weg. Die Ausnahme vom Ausfuhrverbotsgesetz – das die Ausfuhr wichtiger Kulturgüter im Rahmen des Denkmalschutzes beschränkt – soll künftig bis 25 Jahre ab der Ausfolgung zu restituierender Exponate bestehen und auf Rückgaben von Ländern und Gemeinden ausgeweitet werden.


Provenienzforschung objektivieren

„Restitutionsaktivitäten präziser, klarer, rascher“ gestalten, so lautet Schmieds Devise. Dem Leopold-Museum, das eine hauseigene Provenienzforschung (Geschichte von Herkunft und Besitzerwechsel der Bilder) hat, werden zwecks Objektivierung zwei Provenienzforscher des Bundes verordnet. Die weisungsfreien Stiftungsvorstände sollen dies am 2.April approbieren.

Aus Kreisen des Stiftungsvorstandes heißt es dazu trocken, nun werde sich herausstellen, dass mit der hauseigenen Provenienzforschung, die bisher im Rufe stand, sie gehe restriktiv vor („eine Frechheit, der Vorwurf“), alles in Ordnung sei. Schmied zitierte aus einem „Presse“-Exklusivinterview mit Sammler Rudolf Leopold. Sie ist optimistisch, dass Leopold, wie er sagte, den Weg der Versachlichung der Diskussion mitgehen werde. Allerdings hat das Leopold-Museum zu den jüngsten Gutachten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) bereits Gegengutachten in Auftrag gegeben. Der verfassungsmäßige Knackpunkt einer „Lex Leopold“ bleibe die rechtlich nicht vorgesehene entschädigungslose Enteignung, heißt es aus dem Stiftungsvorstand. Eben diese werde durch die Einbeziehung des Leopold-Museums ins KRG ermöglicht, meint dagegen Georg Graf, der in seinem Gutachten für die IKG elf zweifelhafte Werke in der Leopold-Sammlung beschrieb. Sollten speziell die Schieles unter ihnen eines Tages versteigert werden, dürften sie auf dem Kunstmarkt neue Rekorde erreichen.


IKG: Lex Leopold jetzt gleich!

„Sehr zufrieden“ über Schmieds Maßnahmenpaket, mit dem sie auf dem richtigen Wege sei, auch wenn es sich in puncto Leopold nur um eine Ankündigung handle, äußerte sich Mittwoch Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl. Mit einer Attacke gegen „Raubkunst“ in der laufenden Egger-Lienz-Schau im Leopold-Museum hatte Zinggl im Februar die Debatte losgetreten. Nun ist er überzeugt, dass es zu einem Mehrparteienantrag für die erste Novelle kommt („Warum sollten die Schwarzen dagegen sein?“), und dass auch ein Bruch der jetzigen Koalition die Neuregelung der Kunstrückgabe inklusive Leopold nicht aufhalten werde.

Die Novelle sei „absolut zu begrüßen“, meinte für die IKG Erika Jakubovits, Exekutivdirektorin des Präsidiums, ebenso auch die Neuaufrollung der Provenienzforschung im Leopold-Museum, „sofern es so gedacht ist, dass die Forscher alle Dokumente zur Verfügung haben und auch von anderen Seiten Informationen einholen können“. Die Lex Leopold wünscht sich die IKG bereits mit der ersten Novellierung und nicht erst im kommenden Herbst.

Ein noch ungeklärter Punkt der Neuregelung ist die „Preisfrage“. Derzeit müssen Kunstobjekte zurückgegeben werden, die ohne Bezahlung in den Besitz der Bundesmuseen gekommen sind, also durch „Entzug“ bzw. Raub der Nazi-Stellen. Künftig sollen auch Objekte retourniert werden, die zu schlechten Preisen Vertriebenen entzogen, genauer abgepresst, wurden. Die Berechnung dieser Preise wird möglicherweise schwierig. Z.B. In den frühen Fünfzigerjahren kostete ein Schiele 25.000 Schilling, das entsprach dem Durchschnittseinkommen von 35 Monaten. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland 1938: 1840 Reichsmark pro Jahr brutto. Schieles „Häuser am Meer“ aus der Sammlung Jenny Steiners, von den Nazis beschlagnahmt, wurde damals für 2400 Reichsmark bei einer Auktion angeboten. Fazit: Billig war Schiele nie. Nebenbei: Inzwischen notiert der letzte Rekord von 2006 bei 22,4 Mio. Dollar (für ein Ölbild), für Zeichnungen bei 11,3 Mio Dollar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2008)


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