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Kunstberichte

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Die Medusa in Vorarlberg

Aufzählung (cai) Was hat es bloß zu bedeuten, wenn einem Spielzeugauto brutal eine Tür ausgerissen wird, um es dann auch noch mit einer weißen Masse vollzupumpen? Na ja, dass es da um was sehr Persönliches geht. Rache zum Beispiel. Montezumas Rache? Nein, dann wär’ die Masse nicht weiß. (So heißt ja die üble Reisediarrhö.) Eher die Rache der Schwester, die sich dafür revanchiert, dass der böse Bruder Kaugummi in die Haare ihrer Barbie gepickt hat.

Trotzdem ist ein erwachsener Mann dafür verantwortlich, der schon mit einigen Modellautos der Marke Porsche seine Sado-Spielchen getrieben hat. (Eine Auswahl gibt’s in der Galerie Krinzinger.) Fände man so ein Schmerzensauto eines Tages in der Post, würden Banausen das notgedrungen als gefährliche Drohung auffassen. Kunstexperten freilich würden jauchzen: "Geil, ein echter Bechtold!" Gottfried Bechtold ist nämlich die Medusa von Vorarlberg. Wenn er einen ausgewachsenen Porsche anschaut (mit den kleinen hat er quasi geübt), verwandelt sich der in Beton. Okay, er muss ihm erst eine Gussform abringen, und dann braucht er noch viel, viel – Beton.

Sein Porschekult grenzt ja bereits an Fanatismus. Die sanft geschwungenen, steifen Textilien, die sich an einen Porsche 911 angeschmiegt haben und sich an die Karosserie genau erinnern können, dürften Reliquien sein. Wie das Schweißtuch der Veronika. (Gut, das hat sich erlauchtere Züge eingeprägt.) Und die vier Reifenabdrücke auf dem Boden sind beinah österlich. Obwohl: Wenn der Parkplatz plötzlich leer ist, ist das Auto ja nicht auferstanden oder in den Himmel gefahren. Man hat es abgeschleppt. Sobald man nun draufkommt, dass das nur Abfälle sind, die beim Gießen eines Sportwagens in Beton übriggeblieben sind, ist man geschockt. Schließlich hat man sie anstandslos als Kunstwerke akzeptiert. (Liegt an ihrem verwegenen Arte-Povera-Charme.) Irgendwie ernüchternd.

Galerie Krinzinger

(Seilerstätte 16) Gottfried Bechtold Bis 30. April Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr Sa.: 11 – 16 Uhr

Wo ist mein Scrabble-Gen?

Aufzählung (cai)"Leltonf." Hm. Essen kann man das vermutlich nicht. Ah, ich weiß: ein Anagramm. Da soll man die Buchstaben umstellen. Und wer das Scrabble-Gen besitzt, muss eh nicht alle 5.040 Möglichkeiten durchprobieren. Ungefähr die 23ste ist "Notfell". Ach, das was der Tarzan hat, also ein Lendenschurz? Aber wieso haben die Leute auf dem Bild dann zivilisierte Straßenkleidung an? Weil "Notfell" wohl doch falsch ist. Bis auf die Buchstaben, die beim Hendrik Krawen gern wild durcheinanderpurzeln, ist auf diesen sauberen Gemälden eh alles klar. Nur das Allernötigste befindet sich auf der nackerten Fläche. Ein paar Laternen, Passanten, Werbeplakate. Und der Horizont ist so niedrig, nicht einmal Limbotänzer kämen da drunter durch. Weil er identisch ist mit dem unteren Bildrand, auf dem jetzt alles balanciert. Speziell die mit grafischer Härte durchkomponierten Arbeiten machen einen souveränen Eindruck.

Engolm Engelhorn

Galerie (Schleifmühlgasse 3) Hendrik Krawen Bis 30. April Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Sehen wie ein Golfspieler

Aufzählung (cai)Die Schweizer starren Löcher in den Käse und Barbara Mungenast schneidet eben Gucklöcher in .. . tja, diese mysteriösen Alu-Dinger sind noch am ehesten Eier. Die makellose Glätte (weil sie mit Autolack überzogen sind) macht sie ziemlich sexy. Oder verführen sie einen mit ihren Öffnungen etwa nicht dazu, bei ihnen den vorwitzigen Blick dauernd einzulochen wie einen Golfball? Eine minimalistische Peepshow quasi. (Minimalistisch, weil ja nix drin ist, im "Ei".) Die Bilder rundum (platte Ovale, die Form und Farbe der "Eier" aufgreifen) wären für sich allein ja fad. Als Echo runden sie das Ganze aber kultiviert ab.

Gabriele Senn Galerie

(Schleifmühlgasse 1) Barbara Mungenast Bis 25. April Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 15. April 2009

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