Mit Mut und Konsequenz hat
sich die Wiener Generali Foundation im internationalen Kunstleben
positioniert.
Jeden Morgen, wenn sie ihr Büro betritt,
gießt Sabine Breitwieser Kunst. In einer flachen Holzkiste sprießt
das Ziergewächs Soleirolia, das in Amerika „Baby Tears“
(Kindertränen) heißt; in der Mitte des Beets ist die Silhouette
eines B52-Bombers ausgespart.
Das Stück stammt von der
amerikanischen Konzeptkünstlerin Martha Rosler und wurde von
Breitwieser, der Leiterin der Generali Foundation, für die
Kunstsammlung der Versicherungsholding angekauft.
Und nicht
zum ersten Mal fragten sich dabei einzelne Vorstandsmitglieder des
traditionsreichen Unternehmens: Ist das tatsächlich Kunst? Seit
fünfzehn Jahren sammelt Generali das, was nicht unbedingt unter
„Firmenkunst“ fällt: utopisches Design von Walter Pichler,
Video-Installationen von Gottfried Bechtold. Und immer wieder
Arbeiten von ausländischen Künstlern: Dan Graham, Gordon Matta-Clark
oder eben Martha Rosler.
Dass so spröde Kunst in den
personenverliebten österreichischen Medien mit-unter stiefmütterlich
behandelt wird, schmerzt Dietrich Karner, Vorstandsvorsitzender der
Generali Holding und Präsident der Generali Foundation: „Wir haben
die Latte sehr hoch gelegt und bekommen international bestätigt,
dass wir uns sehr gut positioniert haben.“
Eine große
Personalausstellung des amerikanischen Konzeptkünstlers Dan Graham
etwa, die im vergangenen Jahr in einer Reihe von wichtigen
europäischen Museen gezeigt wurde, bestand zu einem nicht
unbeträchtlichen Teil aus Leihgaben der Wiener Generali Foundation.
Eine der Installationen, „Video Space“, wurde 1995 für die
Eröffnungsausstellung der neuen Räume der Foundation in der Wiedner
Hauptstraße 15 in Wien-Wieden eigens in Auftrag gegeben und nahm
dann einen zentralen Raum bei der zehnten documenta 1997 in Kassel
ein. Und „eine repräsentative Personalausstellung von Valie Export“,
erklärt Sabine Breitwieser, „ist ohne unsere Sammlungsbestände nicht
mehr denkbar“.
Dabei begann alles, wie Karner versichert,
„ganz zufällig, wie meistens die guten Dinge“. 1988 übersiedelte die
Holding in eine neue Firmenzentrale in der Wiener Landskrongasse und
stand vor der Aufgabe, in den neuen Räumen auch Platz für Kunst zu
schaffen. Karner, damals gerade seit kurzem Generaldirektor, holte
sich Beratung. Eine Runde von Kunstleuten, darunter der Maler Max
Weiler, der Leiter der Secession, Edelbert Köb, und Kunstkritiker
Kristian Sotriffer bestärkten den Manager in der Idee, „eingefahrene
Geleise verlassen und Marktlücken erspähen“ zu wollen, was dem Image
eines Versicherungsunternehmens als Risikomanager durchaus
entsprechen würde. Als Gattungsschwerpunkt fasste man Skulptur ins
Auge, als Vision wurde definiert, Kunst zu sammeln, die
„international wichtig, aber in Österreich noch nicht anerkannt“
ist. Außerdem sollte es Kunst sein, die gesellschaftlich Stellung
bezieht.
Damit positionierte sich die Generali Foundation
auch deutlich gegen die Kunstaktivitäten anderer österreichischer
Geldinstitute. Die Bank Austria etwa, deren Vorgängerin Länderbank
in den siebziger Jahren Fotokunst gesammelt hatte, verlegte ihre
Tätigkeit weit gehend auf große historische Ausstellungen in ihrem
Kunstforum und konkurriert darin mit den Bundesmuseen. Die Bawag
sammelt und zeigt vorwiegend österreichische Kunst ohne erkennbare
Richtung (von Attersee bis Caramelle). Die Erste Bank hat in den
achtziger Jahren in Zusammenarbeit mit der Galerie St. Stephan eine
selektive Kollektion hochpreisiger internationaler Kunst
zusammengetragen und engagiert sich derzeit in junger Kunst aus den
osteuropäischen Ländern, während andere Institute, wie etwa die
Raiffeisenlandesbank Tirol, sich der regionalen Kunst verschrieben.
Erweiterte Skulptur
Um die
Positionierung der Generali Foundation glaubwürdig umzusetzen,
sollte ein Kurator bestellt werden, der gemeinsam mit einem
unabhängigen, alle drei Jahre wechselnden dreiköpfigen Beirat über
die Ankäufe entscheidet. Das Management – das wurde ausdrücklich
festgehalten – sollte keinen Einfluss haben.
Zur Kuratorin
wurde Sabine Breitwieser bestellt. Die promovierte Juristin aus
Oberösterreich, als Organisatorin der Wiener Galerie und
Künstlergruppe REM mit dem aktuellen Kunstgeschehen vertraut,
bezeichnet die Anfänge in der Foundation als „learning by trying“.
So stellte sich bald heraus, dass die klassische Skulptur eines
Wotruba, Hoflehner, Urteil oder Avramidis bereits „ums Eck“, nämlich
in der Bawag-Foundation, gesammelt wurde und auch im Museum moderner
Kunst vertreten war. Hingegen wurden andere, aktuelle Künstler,
deren Arbeiten im internationalen Kunstdiskurs zum Begriff
„erweiterte Skulptur“ gezählt werden, im Museum moderner Kunst nur
marginal wahrgenommen. Breitwieser: „Franz West und Valie Export
wurden vom Museum extrem spät gesammelt.“
1200 Kunstwerke von
160 Künstlerinnen und Künstlern bilden heute den Bestand der
Generali-Sammlung. Von Anfang an war der Kuratorin, die 1991 zur
künstlerischen Leiterin und Geschäftsführerin bestellt wurde, klar,
dass Sammeln, wenn es Wirkung zeigen soll, nur Sinn macht in
Verbindung mit Ausstellungen einerseits und mit wissenschaftlicher
Aufarbeitung andererseits. Breitwieser fordert „Bewahren, Erhalten,
Vermitteln – die klassischen Museumsaufgaben, die aber die meisten
Museen unter extremem Quotendruck nur mehr mangelhaft
wahrnehmen“.
Statt Quotendruck verspürt die künstlerische
Leiterin die Verantwortung, mit privatem Geld umzugehen, auch wenn
die Anlagen der Holding in Kunst nur ein Sechshundertstel der
Immobilienanlagen ausmachen. Breitwieser hat ein Aufwandsbudget von
derzeit 1,58 Millionen Euro – „damit können wir drei Ausstellungen
im Jahr machen“ – und einen Ankaufsetat von 250.000 bis 300.000
Euro: Letzterer bestimmt auch die Auswahl der Sammlung: „Gehypte
Künstler können wir uns nicht leisten, und das ist gut
so.“
Öffentlichkeitsarbeit
Der Foundation geht es nur so gut wie dem Unternehmen. „Wenn
der Konzern die Werbebudgets kürzt und Personal einspart, so müssen
auch wir das zur Kenntnis nehmen“, weiß Breitwieser. Zwölf zum Teil
nur halbtags tätige Mitarbeiter, davon die meisten Frauen, werken
für die Foundation. Den größten Arbeitsaufwand stellen neben der
Beantwortung von Anfragen internationaler Institutionen die
Bibliothek, die Mediathek und das Archiv – alle öffentlich benutzbar
– dar.
Nächstes Jahr endet Dietrich Karners Zeit an der
Spitze der Generali Holding. Dass sein Abgang die Foundation
gefährden könnte, kann sich ihr Begründer und Mentor nicht
vorstellen: „Wer immer mein Nachfolger ist, wird den Imagewert, auch
für die weltweite Generali, erkennen.“ Das soll noch heuer eine
internationale Wanderausstellung mit 300 Werken aus der Generali
Foundation untermauern.