Database > Exhibition / Event > Franz Yang-Mocnik. Ich bin die Botschaft und mein Interpret

Franz Yang-Mocnik. Ich bin die Botschaft und mein Interpret

20.01.2018 - 03.03.2018

Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz / Österreich

Im Zentrum der Kunst des Kärntner Künstlers Franz Yang-Mocnik, der seit 1970 in Graz lebt, stehen der Mensch, die Gesellschaft und die eigene Existenz.

Franz Yang-Mocnik ist ebenso Philosoph wie messerscharfer Beobachter. Er formuliert seine Erkenntnisse in einer ausdrucksstarken künstlerischen Sprache, die das Dasein in all seinen Facetten drastisch und eindrucksvoll chrakterisiert. Selbst Poetisches hat dabei seinen Raum. Als Maler und Zeichner ergründet er den Menschen in seinem Sein, als ausgesetztes Individuum, in Freuden und Nöten, in Angst und Schmerz, und führt ihn uns als vereinzeltes, als geistiges wie körperliches, als sexuelles Wesen vor Augen; vollzogen durch eine starke, expressive Handschrift, die sowohl Zeichnung als auch Malerei und Collage prägt, die sich in den figürlichen Darstellungen findet – nicht zuletzt am Gekreuzigten, der Salome oder der Verkündigung.... Er scheut vor dieser Ikonografie nicht zurück, im Gegenteil. Es sind quasi „Seelenlandschaften“ und „Wesensräume“ (Chr. Wetzlinger-Grundnig).

Wer Franz Yang-Mocnik in unserer Stadt [Graz, d.V.] begegnet, hat den Eindruck, eines Geistes ansichtig geworden zu sein. Es wäre an sich schön, das über jede und jeden sagen zu können – zoon logon echon, das war in unserer Kulturgeschichte schließlich eine Auszeichnung des Humanums – aber bei Franz Yang-Mocnik hat es auch den Charakter einer Erscheinung: etwas gebückt, sein Kopf mit schwarzem, nicht ganz gepflegtem Haar bedeckt, seine Haut ist ledern und wirkt weich, ein dunkler und zugleich heller Blick sticht aus seinen schwarzen Augen, fast immer ist er begleitet von einem weißen Hund mit eisblauen Lichtern. Man entkommt ihm nicht. Er ist plötzlich da. Mitten am Gehsteig. Er gehört in unsere Stadt [Graz, d.V.]. Franz Yang-Mocnik wohnt in seinem Atelier mit einem herrlichen Blick auf das Künstlerhaus, ein Schnäppchen positiver Schicksalswendung, wenn man die Geschichte dazu hört. Franz Yang-Mocnik lächelt dazu, wissend, hintergründig, und man vergönnt ihm Fortuna, weil man ahnt, welche Geschichten er vorher durchlebt hat.

Franz Yang-Mocnik weil natürlich seine Geschichten zu erzählen – wenn man ihn lässt. Auch jene, wie er auf andere wirkt. Das Verstören ist Teil seines Auftritts. „Ich will damit nicht sagen, dass ich meine Beklommenheit für etwas Höheres halte.“ Vor wenigen Jahren war zum Beispiel Friederike Mayröcker, durch Franz Yang-Mocnik portraitiert, zu ihrem 90. Geburtstag am Cover der Literaturzeitschrift „manuskripte“ zu sehen, das Original selbst lehnt im Atelier. Aber es ist nicht nur die Grande Dame österreichischer Gegenwartsliteratur, die Franz Yang-Mocnik portraitiert hat, er hat auch den damaligen Landeshauptmann seiner Heimat – Jörg Haider – gemalt, und er hat keine Scheu das zu sagen. Und grinst. Es gibt auch eine Zeichnung (aus doch sehr erhöhter Perspektive und zugleich von der Seite) vom damaligen Bischof seiner Heimat, Egon Kapellari. Franz Yang-Mocnik weiß von seiner Heimat viel zu erzählen, die ihn nun im Museum Moderner Kunst eine große Retrospektive gewährt. Diese hat, wie der damalige Bischof vermutlich sagen würde, aus ihm einst ein geschlagenes Kind gemacht.

Franz Yang-Mocnik lernte als Jugendlicher Tischler, weil der Vater es so wollte. Er ist gelernter Tischlergeselle. Sein Lehrherr war offenbar Sadist.

Einmal sperrte dieser ihn in den Sägespäne-Bunker:
„Jetzt gehst und schaufelst das Absaugrohr frei!“

50 Jahre später wird daraus ein erschütternder Zyklus, der bei meinem Besuch in seinem Atelier unmittelbar in der Nähe seines Schlafzimmers hängt. Ich höre ihm zu. Und man hört auch als Betrachter noch, wie der Alte schreit:
„Hilf dir selbst dann hilft dir Gott.“

Sein Stampfen mit der Schaufel, dazu die Schreie der Demütigung:
„Jeder verdient, wenn er Arbeiten tut, daß er
in der neuen Woche ausgeruht
Leid sitzt um so schwerer wo es bemerkt
daß man nur schwach es trägt“

Ein Narrenballett, die Bilder des Gedemütigten von einst? Franz Yang-Mocnik ist auch darin ein Meister, grinsende Zähne zu malen. Manches erinnert an Rembrandt, man kann sich dieser Assoziation nicht entziehen. Und ahnt die großen Meister, mit denen sich Franz Yang-Mocnik gemessen hat. Die Phasen, die er künstlerisch durchlaufen hat, sind demnach ziemlich zahlreich, von einem „Zeuxis des 17. Jahrhunderts“ bis hin zu Materialcollagen. Adolph Menzel, Beckmann, Klee waren einst die Anfänge seiner künstlerischen Liebe. Das Spätwerk Corinths, einige Werke Cézannes. „Aber meine Gesamtbefindlichkeit war, ich würde sagen, wie die eines Zeuxis des siebzehnten Jahrhunderts. Die Malerei der Holländer, angefangen mit Breughel, Browier, Gabriel Metsus ‚Das kranke Kind‘ oder ‚Das Atelier von Ostade‘“. Von den Besäufniszwängen, die einem angehenden Künstler Anfang der 1970er Jahre in Graz auferlegt wurden, war das zarte Pflänzchen Mocnik jedenfalls weit entfernt. Er wollte malen. Und sonst nichts. Wenngleich er sich auch bald skulptural betätigte.

Fast fünf Jahrzehnte später hat Franz Yang-Mocnik die Angewohnheit, auf Holztafeln in seinem Atelier, die eine Art Rahmen für sein Bilderdepot bilden, Sätze zu schreiben. Bei diesem Atelierbesuch sind diese offensichtlichen Finger- oder Memoübungen des Künstlers für mich auch irgendwie eine Art Rettung, diese Bilder zu ertragen, die sich nach und nach vor die Wände schieben – Franz Yang-Mocnik hat dazu eine spezielle Vorrichtung, sodass sie zum Vorschein kommen und wieder verschwinden. (So scheint etwa unvermittelt: „ASYL auf ZEIT“ hervor, ein politisches Unwort, das nach der Flüchtlingskrise von 2015 in der darauffolgenden kollektiven Angstbeschwörung entstanden war.)

Den dicken, schwarzen Strich der Kohle für die Fleischkörper auf seinen großformatigen Zeichnungen muss man erst einmal akzeptieren. Aus der Pornoabteilung der Zeichnungen hat die Lust reißaus genommen, die blanke Gier ist vielleicht noch da. Immer wieder die (männlichen) Hintern, die einem entgegen gestreckt werden. Dunkel, der Afterschlitz, breit im grafischen Auftrag.

Oder man ist, ganz nahe angeschlossen, in einer katholischen Abteilung aus Kreuzeskörpern gelandet, Kreuztragungen, Kreuzabnahmen, und man kann sich ihnen ebenso wenig entziehen. Wie auf der Fleischbank im Schlachthof hängen seine Körper herab, das Geschlecht zieht auf gleiche Weise nach unten. Ein Mensch? Ein Tier? Ein Marsyas?

Du bist wenigstens weis gewesen
Einer dieser Kreuzkörper hängt seit einigen Jahren in der neu erbauten Aussegnungshalle des Steinfeldfriedhofs in Graz, unmittelbar vor dem jeweiligen Sarg des oder der zu Beerdigenden. Mehrere Bilder scheinen dabei übereinandergelegt zu sein – wie Skizzen zu einem virtuellen Film. Nicht von ungefähr erinnert daran einiges an Pier Paolo Pasolini, der für Franz Yang-Mocnik in seiner Auseinandersetzung mit der Christusfigur eine große Rolle spielte. Zwei Figuren auf einem bereits bearbeiteten Grund scheinen in diesem Bild zu einer zu verschmelzen. „Eine sanfte Bewegung ist im Bild. Hinter einem leblos nach unten hängenden Kopf ist ein Gesicht mit verklärtem Blick erkennbar. Die verzerrte Bewegung der ineinander verschlungenen Beine scheint gegen die Schwerkraft und den Zug nach unten anzukämpfen, die Arme der hinteren Figur sind nach oben gereckt, – oder werden sie nur von den Nägeln oben gehalten?“

In seinem Atelier sind noch einige derartige Kreuzkörper versammelt. Was treibt einen Künstler an, sich der dunklen Leidinszenierung der katholischen Bildwelt auf diese Weise zu stellen? Man erfährt vielleicht mehr, wenn man die Inschriften in den genannten Tafeln dazu zur Kenntnis nimmt:
„Jesus du armer Teufel, du bist umsonst gestorben, täglich werden Menschen zum Spaß gefoltert weil sie schwarz sind. Du bist wenigstens weis [sic!] gewesen und hast gewusst
warum du stirbst!“

Und dann, offensichtlich aus einer anderen Schreibzeit:
„Nein du hast deinen Tod willentlich
herbeigeführt.
Aus einem sündhaften übersteigerten
Sendungsbewusstsein“

So formuliert jemand, der Auflehnung mit Gebet zu verbinden im Stande ist. Besser: der mit einem zu sprechen weiß, dessen Sinnhaftigkeit zur (inneren) Debatte steht. Franz Yang-Mocnik hat die katholischen Rituale aus seiner Kärntner Kindheit am Bauernhof seines Großvaters verinnerlicht. Mit ihnen auch die Bildwelten von Pathos und Schmerz, Schmerzverliebtheit und Selbstverleugnung. Und die vielleicht lebenslänglich anstehende Auseinandersetzung mit dem Kontrast, der nachher kam. „Ja, die Tatsache, dass man so viel Mittelalterlichem begegnete in diesem Landstrich nördlich von Völkermarkt in Kärnten, von wo ich herstamme, genauer aus dem Trixner Tal, die vielen Burgruinen und intakten Wehrkirchen. Von dieser zerklüfteten Landschaft habe ich mich eingeschlossen gefühlt, wie in einem Erlebnispark, einem romantischen Mikrokosmos mit all den merkwürdigen Individuen, den kropferten und buckligen alten Frauen, denen wir in der Kirche begegneten und die ihre Gebete im slowenischen Dialekt mit Rosenkränzen in den Händen vor sich her lispelten.“ Es ist ihm dabei nicht nur das Abstoßende daran eine Faszination geblieben, sondern auch die andere Seite dieser Dunkelheit: ein dunkles Leuchten, das das Gemarterte in der conditio humana künstlerisch vielleicht irgendwie rettet. Es ist nicht so, dass die Auseinandersetzung mit der über Jahrhunderte währenden Leidfixierung christlicher Bildwelten in der jüngeren Gegenwart auch nur ansatzweise eine – nun wirklich „wörtlich“ verstandene – „Sym-Pathie“ durch einen zeitgenössischen Künstler erhält. Im Gegenteil. Auch die Zeiten des Existenzialismus, der dem leidenden Christuskörper immer wieder eine besondere Beachtung schenkte, und der nicht zuletzt vom Schrecken des 1. Weltkriegs mitgezeichnet war, sind nun schon ein ganzes Jahrhundert lang vorbei. Und doch: Einer dieser Künstler, nämlich Lovis Corinth, hat einen großen Einfluss in Yang-Mocniks bildnerischer Sprache gehabt. Man ahnt es besonders in seiner Malerei, wenn ihre Strichführung später zu einem vom Künstler eigenständig entwickelten, flirrenden Leuchten wird. Franz Yang-Mocnik hat vor wenigen Jahren auch einen Auftrag der Grazer Schulschwestern angenommen, einen „Auferstandenen“ als zeitgenössisches Altarbild für deren Kirche zu malen. Angesichts seiner Grafik mit der Dunkelheit und Schwere der leidenden Körper kommt dieser Auftrag einer Bild-Revolution gleich. Aber es ist vielleicht auch nur die andere Seite der Medaille, die mit dem „Narrenballett“ auf seinen Holztafeln im Atelier einfach so notiert ist:
„NARRENBALETT [sic!]
mein Gott
ist das leicht
mein Gott ist
das schwer."

Auch Franz Yang-Mocniks Bilder sind demnach beides. Wer nur das Dunkle findet ist überrascht von seinen Bildern des Lichts und des Leichten. Das Memo, das unmittelbar zu seinem „Narrenballett“ notiert ist, kreist um das Wort
„Epitaph:
Gedenkinschrift,
Nachgereichter Vers,
Grabschrift“

Epitaphe sind jedenfalls kein Ballett. Oder ist es doch der Tanz des Todes oder auch die ihm eigene Freiheit? Wenn man Epitaphe an Kirchwänden und Pfeilern betrachtet, so zieht vor allem im Barock eine erstaunliche Relativierung des im Leben Erreichten einher: Eine Sanduhr etwa wird entgegengestreckt, irdische Machtinsignien relativiert. Franz Yang-Mocnik ist diese Relativierung von Grund auf vertraut. Er misstraut den Mächtigen in gleicher Weise wie er mit ihnen auch Bündnisse schließt. Franz Yang-Mocnik ist niemals einseitig zu interpretieren.

Mitunter hat man den Eindruck, Franz Yang-Mocnik will mit seinen Memos auf seinen Holztafeln auch sich selbst zureden, wenn er das Manna für das Geistige herbeibeschwört:
„DAS MANA [sic!] FÜR DAS GEISTIGE, DER VERZICHT!
Die große Geste der Leere.“

Franz Yang-Mocnik, der Direktor des Narrenballetts, hat viele überraschende Facetten parat, die man der Dunkelheit seiner Bilder nicht zurechnen würde. So existenziell, so schwer, so geschunden, so verletzlich Franz Yang-Mocniks Leiber in Erscheinung treten, er hat ein Faible für das
„Projekt:
‚Poesie de Jour’“

Was das sein könnte? Jedenfalls ein grenzenloses Unterfangen. Denn:
„95 % der Unendlichkeit ist unerforscht“

Aber ganz in der Nähe steht auch geschrieben:
„Das Universum repäsentierte [sic!] eine
schlechte Unendlichkeit wenn 5% davon
erforscht wären“

Ist das ein Einspruch? Ein Widerspruch gar? Kann man das Unendliche endlich machen?
Mein Gott ist das schwer. Mein Gott ist das leicht.
Das sind Franz Yang-Mocniks Bilder.

Johannes Rauchenberger

[Quelle: www.kultum.at]

READ MORE


show all
close all
+
Participants
[1]

No result

+
Publications
[1]

No result

     

last modified at 30.01.2018


Art and Research Database - basis wien