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Brigitte Kowanz. VON NEUEM ANDERS, ANDERS ALSO ES VORHER WAR

03.09.2020 - 24.10.2020

Galerie Krinzinger, Wien / Österreich

Am 3. August 1984 um 10:14 Uhr wurde nach fast eintägiger Übertragungszeit von der Universität Karlsruhe das erste E-Mail empfangen: eine Grußbotschaft der Cambridge University in Massachusetts. Brigitte Kowanz thematisiert in einer ihrer neuen Lichtinstallationen dieses Datum als in Morsecode übertragene Datenspur, denn in ihm verdichtet sich die Genese unserer digitalisierten Gegenwart und die rapide Veränderung unserer Kommunikation. Das Internet – am 12. März 1991 präsentierte der Informatiker Tim Berners-Lee den Link zur ersten Webseite der Welt – und das E-Mail, das sind Resultate extrem beschleunigter Prozesse des Datentransfers, der Informationsübertragung, der Vernetzung und gleichzeitigen Distanzierung....

In Brigitte Kowanz’ Ausstellung treffen der Beginn des Webs und der Empfang des ersten E-Mails auf andere Zäsuren unserer Gegenwart, die gesellschaftliche und politische Umbrüche mit sich gebracht haben: die Einführung der Domain YouTube im Februar 2005, die Pariser UN Klimakonferenz im November 2012, der Anschlag auf die Redaktion der Zeitschrift „Charlie Hebdo“ Anfang 2015. Es sind Ereignisse, die im realen wie virtuellen Raum wie ein Richtungsvektor weit in die Zukunft ausstrahlen, deren Daten jedoch Punkte auf einer abstrakten Zeitleiste bleiben – bis sie, transformiert in Neon-Objekte mit spiegelndem, den Betrachter kommunikativ mit einbeziehende Hintergrund, über ihre numerische Präsenz neue Resonanz entfalten.

Seit langem setzt sich Brigitte Kowanz mit den physikalischen Eigenschaften des Lichts auseinander und koppelt das Medium an Sprache und das subjektive Erleben objektiver Gegebenheiten. Sie übersetzt Binärcodes wie das Morse-Alphabet in Neonzeichen, betont die intermediale Qualität des Lichtes und hebt immer wieder seine einzigartige Koppelung von Raum und Zeit hervor. von neuem anders, anders als es vorher war rekontextualisiert die Ideen und Konzepte ihrer künstlerischen Praxis angesichts gesellschaftlicher Veränderungen. Die Werkauswahl folgt dabei dem Prinzip, das auch die Digitalisierung letztlich auf der Zirkulation von Wissen und seiner Auflösung in Bilder und Zeichen basiert: Erst die Rekombination, semantische Umcodierung und Neuformatierung lassen das Neue entstehen, das selbst aus der Bezugnahme auf Bestehendes schöpft.

von neuem anders, anders als es vorher war thematisiert, konzeptuell verdichtet, die Veränderung der Sprache durch das Internet und mobile Technologien, digitale Bildproteste und ein immer wieder neu auszulotendes Verhältnis von Information und Erinnerung. Es geht aber auch um die Erweiterung der von Digitalisierung und Technologie gesetzten Grenzen in Zwischenräume, wo letztlich die subjektive Wahrnehmung triumphiert. Kowanz’ graue, scheinbar monochrome Bilder geben erst, wenn Licht auf die Oberfläche trifft, ihre Komposition aus Punkten, Strichen oder Rechtecken preis: geometrische Codes, die sich mit der Bewegung der Betrachter_innen in Spektralfarben brechen. Mit Lack bearbeitetes, reflektierendes Textil schafft diese faszinierenden optischen Sensationen, und doch sind es das Licht und vor allem das scannende und decodierende Auge, die die materielle Faktizität in immer wieder neue visuelle Erscheinungen verwandeln. Als Konstellation beschreibbar, entzieht sich das, was wir sehen, der verbalen Deskription. Hier evoziert Brigitte Kowanz einen ästhetischen Kosmos, in dem der unabschließbare Prozess der situativen Wahrnehmung an die Stelle eindeutiger Informationsvermittlung tritt, denn diese Codes offenbaren sich nur im realen Hier und Jetzt.

Vanessa Joan Müller, Kunsthistorikerin und Kuratorin

[Quelle: https://www.galerie-krinzinger.at/ ]

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