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Marlies Liekfeld-Rapetti. rucke-di-gu

28.08.2013 - 29.09.2013

Living Studio der Stadtgalerie Klagenfurt, Klagenfurt / Österreich

Marlies Liekfeld-Rapetti verbrachte 2007 und 2009 auf Einladung der Kulturabteilung jeweils ein halbes Jahr im Künstleratelier der Stadt Klagenfurt im slowenischen Dorf Šmartno. Dort in dieser idyllischen, aber auch sehr einfachen Umgebung fand die Idee zu dieser Ausstellung ihren Anfang. Intensiv empfand Rapetti bei ihren Aufenhalten diese faszinierende Ambivalenz: die wunderbare Landschaft, die Ruhe – aber andererseits auch das doch eher Ärmliche, das Enge.

Das Gegensätzliche nebeneinander.... –
Wie Gut & Böse, Schuld & Unschuld im bekannten Märchen „Aschenputtel“ der Brüder Grimm.

In diesem Märchen wird das Schicksal der jungen Tochter eines reichen Kaufmannes erzählt, die zunächst noch wohlbehütet aufwächst. Doch nach dem Tod ihrer Mutter heiratet ihr Vater eine Witwe, die zwei Töchter mit ins Haus bringt. Stiefmutter und Stiefschwestern machen dem Mädchen nun auf alle erdenkliche Weise das Leben schwer. Weil es nicht nur gröbste Schmutzarbeit leisten, sondern fortan auch in der Asche neben dem Herd schlafen muss, wird das Mädchen Aschenputtel genannt.

Arm sein, das bedeutet Asche. Und die gibt es in dem 220-Seelendorf Šmartno zur genüge, wird doch überall noch mit Holz geheizt. In dieser inspirierenden Umgebung – Marlies Liekfeld-Rapetti hat sich in der Zwischenzeit selbst ein Atelier in Šmartno gekauft – entstanden so im Laufe des heurigen Jahres Aschekleider in verschiedensten Größen – „Träumerkleid“, „armes Kleid“.
In Berlin, wo sie derzeit noch wohnt, gibt es keine Asche mehr. In dieser örtlichen Situation hätte diese Ausstellung gar nicht entstehen können und so ist die Ausstellung auf verschiedensten Ebenen eng mit Šmartno verbunden.

Auf den 8 großen Fußsohlen am Boden beginnt das Märchen vom armen, unglücklichen Aschenputtel, wird dann auf den insgesamt 10 überlangen Aschenputtel-Kleidern weitererzählt.
Akribisch in schwungvoller Handschrift steht jedes einzelne Wort des Märchens darauf – und findet schließlich seinen Höhe- und Endpunkt in den „Körperkleidern zum Tanz“, wie Marlies Liekfeld-Rapetti die kunstvoll gestalteten Kleider in der Glasvitrine nennt.
Kunstvoll und wunderschön wie jene Kleider, die der weiße Vogel am Grab der Mutter von einem Baum auf Aschenputtel hinunterwirft, damit sie trotz des Verbotes ihrer bösen Stiefmutter auf ein dreitägiges Fest tanzen gehen kann, bei dem der Sohn des Königs seine zukünftige Gemahlin wählen soll.

Auf 4 Podesten, die die langen, hängenden, mit Asche und blutroter Farbe befleckten Papierkleider räumlich fast wie eine Klammer zusammenhalten, hat Marlies Liekfeld-Rapetti 4 Paar Schuhe, die mit blutgetränktem Papier überzogen sind, positioniert.

Aschenputtel hat bekanntlich am letzten Abend des Tanzfestes einen ihrer goldenen Pantoffel verloren. Und der Königssohn, der sich unsterblich in die unbekannte Schöne verliebt hat, lässt überall nach jenem Mädchen suchen, dem dieser Pantoffel passt.

Auch der bitterbösen Stiefmutter, die nicht einmal davor zurückschreckt, ihren eigenen zwei Töchtern Ferse und Zeh abzuschneiden, damit sie mit ihren zu großen Füßen in den Schuh passen, hat die Künstlerin in der Ausstellung eigene Exponate gewidmet: die „Stiefmutterspieße“ ragen bedrohlich und spitz aus der Wand und lassen eine Assoziation zu dem Ende des Märchens zu, an dem Tauben Aschenputtels nicht minder bösen Stiefschwestern die Augen mit ihren spitzen Schnäbeln auspicken.

So wie das gesamte Schicksal von Aschenputtel von einem SCHUH und dem perfekten FUSS dafür abhängt und die Hauptrolle spielt, so bildet auch das Thema „Fuß bzw. Schuh“ im oberen Bereich des Ausstellungssaales die zentrale Rolle:

„Füßlinge“ nennt Marlies Liekfeld-Rapetti z.B. die beiden Papierarbeiten auf Leinwand gleich zu Beginn im 1. Stock links.
Und die „Fundschuhe“ am zweiteiligen Alu-Dipond-Druck ein paar Meter weiter sind Strandgut aus Slowenien, die sofort emotionale Fragen aufwerfen: wem haben sie gehört, welches Schicksal steckt wohl dahinter, wie und warum hat der Besitzer sie verloren, was ist passiert?

Die Einzelteile eines Schuhes, die die Künstlerin ebenfalls am Meeresstrand aufgelesen hat, hat sie wieder zusammengefügt – das Zerbrochene wird wieder zu einem Ganzen. Und so bleibt die Hoffnung, dass doch so Manches wieder heilbar ist und zu einem guten Ende führt.
Passend zum guten Ende des Märchens, bei dem zum Schluss dem armen Aschenputtel der Schuh wie angegossen passt und Hochzeit mit dem Königssohn gefeiert wird, legt Marlies Liekfeld-Rapetti den reparierten Strandgutschuh als Krönung ganz oben auf die Vitrine mit den schönen Kleidern. Jene „Körperkleider zum Tanz“, die Aschenputtel letztendlich zu ihrem „Märchenprinzen“ und zu einem besseren, zu einem glücklichen Leben verholfen haben.

Und so heißt es dann nicht mehr:

"Rucke di gu, rucke di gu,
Blut ist im Schuh:
Der Schuh ist zu klein,
die rechte Braut sitzt noch daheim."
sondern:
"Rucke di gu, rucke di gu,
kein Blut im Schuh:
Der Schuh ist nicht zu klein,
die rechte Braut, die führt er heim."

Beatrix Obernosterer / Stadtgalerie Klagenfurt, 2013

[Quelle: www.stadtgalerie.net]

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last modified at 08.01.2014


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