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Plein Air

Einladung: Plein Air. 2014

04.09.2014 - 11.10.2014

Neue Galerie, Innsbruck / Österreich

Das Plus (+) an der Eingangstür steht programmatisch für die Ausstellung PLEIN AIR. Eva Engelbert und Katrin Hornek entwickeln seit 2012 neben ihrem jeweils eigenen künstlerischen Œuvre gemeinsame, projektbezogene Konzepte. Die Künstlerinnen verbindet ein geteiltes Interesse an stereotypisierten Natur- und Sehnsuchtsbegriffen vor dem Hintergrund globalisierter Mobilitätszustände einer europäischen Kultur- und (Post)Kolonialgeschichte. Aus der Zusammenarbeit entstehen sowohl Gemeinschaftsarbeiten als Kommentar zu den von ihnen kuratierten Ausstellungen mit Beteiligung weiterer KünstlerInnen oder - wie in diesen Fall - treten die eigenständigen Arbeiten in einer Ausstellung in Kommunikation....
Als dialogische Klammer ist die gemeinsam entwickelte Wandmalerei Plein Air (ausgeführt von Maria Peters) zu verstehen, die sich als visueller Eingriff durch die Galerieräume zieht und Zeitsprünge zwischen historischen Kunstformen und zeitgenössischem Denken ermöglicht. Die Künstlerinnen stellen damit einen direkten räumlichen Bezug zu den barocken Prunkräumen der Hofburg her - im Speziellen zum Deckenfresko des „Riesensaals” , der sich direktüber dem Ausstellungsraum befindet-, setzen aber auch ein Statement zur Strenge der architektonischen Einbauten (Wände, Lichtsystem). Die wie Stempel an den Wänden und Decken verteilten Wolken lassen die Räume luftiger erscheinen. Und wenn zu späterer Stunde das orange Licht der Straßenbeleuchtung hereinscheint, scheinen sie einen „neuen Himmel“ bekommen zu haben.
Betritt man den ersten Raum trifft man auf ein Video und Fotografien, die durch minimale Interventionen neue Blickwinkel auf Orte ermöglichen oder neue Welten definieren. Die Künstlerinnen interessiert es neuralgische Orte zu finden, sei es in der näheren Umgebung oder auf Reisen und bei Artist in Residency Programmen. Sie erzählen von Spannungsfeldern, von Freiräumen und Stadt oder der Konstruktion von Natur. Der Titel der Ausstellung nimmt auch Bezug auf die Arbeitsweise der beiden Künstlerinnen: genaues Beobachten und Recherchieren steht am Beginn, aber durchgeführt werden ihre Projekte dann nicht im Atelier sondern vor Ort, unter freiem Himmel sozusagen.

Um die Veränderung und Erneuerung von Stadtgebieten geht es in Eva Engelberts zweiteiliger Arbeit o.T. (Wien/Innsbruck), die an den Frachtenbahnhöfen in Wien und Innsbruck entstand. Zwei in Architektur und Positionierung ähnliche Lagerhallen dienen als Träger für die Worte „Trans” und „Form”. In Wien werden die restlichen Buchstaben des vorhandenen ?Schriftzuges “Internationale Spediteure” mit weißer Farbe übermalt, so dass das Wort „Trans” übrig bleibt. In Innsbruck steigt die Künstlerin auf eine hohe Leiter und klebt die schwarzen Kartonbuchstaben f, o, r und m auf die Wand des Gebäudes. Die physischen Eingriffe stellen den Versuch dar, die beiden Orte miteinander zu verbinden. Für wen ist die „Aufwertung“ des spärlichen urbanen Freiraums von Nutzen? Die fragile Wortskulptur illustriert sowohl die erhabene Macht, als auch die Schwäche von Sprache. „Transform” bezeichnet zudem im Bildbearbeitungsprogramm Photoshop eine Funktion, mit der man Bilder vielseitig verändern kann. Man kann sie drehen, skalieren, perspektivisch verändern. usw. Aber kann man auch die Realität so einfach verändern?

Als Orientierungshilfe im digital dominierten Stadtdschungel könnte ihr Global Positioning System helfen. Aus einem Metall-Pfeil, der früher ein Werbeschild hielt, konstruiert sie mittels Smartphone-Kamera, jenem Werkzeug, das dank GPS eine ständige, genaue Verortung ermöglicht, eine Art Kompassrose. Mitten im urbanen Raum verweisen die Pfeile allerdings ins Nichts.
Ebenfalls um Verortung und Bewegung - in diesem Fall von Pflanzen - dreht es sich bei dem „Restoring to Zero Programm“ im Banff National Park in Kanada. Sogenannte „non-native, alien species“ (nicht heimische, fremde Arten), eingeschleppt von Europa und Eurasien sollen aus dem Nationalpark entfernt werden. Es wird somit versucht, das Ökosystem auf den Zustand vor seiner Kolonialisierung mit den Mitteln der heutigen Technik zurückzuführen. Katrin Hornek inszeniert die migrantischen Pflanzen mit der höchsten Vertilgungspriorität (Feldkamille, Flockblume, Nickende Distel, Margerite, Scharfer Hahnenfuß) vor einem gemalten Galaxy-Hintergrund. In einer horizontbildenden Anordnung innerhalb der fotografischen Serie Restoring to Zero wird eine künstliche Landschaft gebaut, die wie in einem Science-Fiction Film nach ihrem Ursprung fragt.
Beim ersten Blick auf Eva Engelberts Video The golden room scheint man ein Filmset oder eine Theaterbühne zu erkennen. Geblendet durch grelles Licht schwenkt das Kameraauge langsam durch einen Teil der historischen „Goldenen Stube“ in der Festung Hohensalzburg. Es wirkt befremdlich, dass es sich dabei um jenen Bereich des Raumes handelt, den die RestauratorInnen zum Arbeiten abgetrennt und beleuchtet haben. Genauso wie der über Kopfhörer vermittelte Audio-Guide-Text, der bis vor 5 Jahren eingesetzt wurde, in englischer Sprache mit indischem Akzent einen Irritationsmoment erzeugt. Das Video beschäftigt sich mit dem Bestreben Geschichte lebendig zu erhalten sowie mit der Theatralität, die einerseits der Vermittlung in Form eines Audio-Guides als auch dem Restaurierungsprozess innewohnt.
Dass auch Farben ihre Verortung haben können, zeigen Eva Engelberts Arbeiten Congo Blue und Tokyo Blue. Die Farbfilter (Produkte eines gängigen Filtersystems für Lichtdesign, Fotografie und Architektur) spannt sie in der Brache am Nordbahnhof in Wien auf und lässt uns so die bereits entstandenen Neubauten dahinter teils gefiltert sehen. Welches Blau hätte der Ort der Aufnahme, würde man ihn zu einer Farbe machen? Und welches fotografische Abbild dieses Ortes entsteht, wenn das Licht künstlich verändert wird?
Ist Natur noch natürlich oder nur noch konstruiert? Wie bedrohlich kann sie sein und wie sehr ist man ihr ausgeliefert? Vor der Kamera erscheint das Gesicht eines Rehs in Nahaufnahme. Bedrohlich oder niedlich? Katrin Hornek hat im Wald weiße Formen platziert, die sich auch in den Augen des Rehs spiegeln – deshalb auch der Titel White cubes in your eyes. Das Naheverhältnis zwischen dem Tier und der Kamera musste über einen Monat lang aufgebaut werden, um es von zwei Metern Entfernung aus filmen zu können.
Ihr soeben fertig gestellter Essayfilm Upstream erzählt von der Konstruktionsgeschichte des Colorado Rivers im wüstenreichen Südwesten der Vereinigten Staaten. Zum Zweck der Landwirtschaft, Trinkwasser- und Elektrizitätsversorgung wurden – im Takt des Wirtschaftswachstums des 20. Jahrhunderts - eine Vielzahl von Bewässerungsprojekten realisiert. In statischen Kameraeinstellungen reist der Blick dem Gesetz der Natur trotzend flussaufwärts vom konstruierten Flussende auf amerikanischer Seite (Salton Sea) bis zum Beginn des Lower Colorado Basins (Glen Canyon). Der Film spürt dem Fluss also bis zum geographischen und chronologischen Ursprung seiner exponentiellen Wachstumsidee nach. Die idyllisch erscheinenden Aufnahmen werden gebrochen, etwa durch Nahaufnahmen des verschmutzten Wassers, von Schildern die am Betreten hindern sollen und Aufnahmen von einem Werbeschriftzug „Rain for Rent“. Analog zur Fragmentierung des Flusses wird hier auch „Natur" als komplexes Netzwerk von politischen, sozialen und kulturellen Identitäten untersucht.

Eva Engelbert und Katrin Hornek erzählen in ihren Arbeiten Geschichten von Orten. Sie beobachten, recherchieren, verändern und stellen Zusammenhänge zwischen Innsbruck und der Welt her. In der dialogischen Ausstellung in der Neuen Galerie trifft Freilichtmalerei auf Konzeptkunst, das Außen wird nach innen und das Innen nach außen gebracht.

[Quelle: www.kuenstlerschaft.at]

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last modified at 10.10.2014


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