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Katrina Daschner. DASCHNER

Einladung: Katrina Daschner. DASCHNER. 2015

10.04.2015 - 23.05.2015

Kunstpavillon, Innsbruck / Österreich

Ausstellungen, Raumchoreografien, Filme und Bühnenperformances von Katrina Daschner verhandeln Lust- und Machtprozesse sowie Blickregime und stellen tradierte Geschlechterstereotype in Frage.
Kunstpavillon, Innsbruck, Kleiner Hofgarten: Besucher_innen des 1842 als Teesalon erbauten und 1951 zur Oberlichtgalerie adaptierten Gartenpavillons gelangen normalerweise von der Terrasse direkt in den Ausstellungsraum. Daschner grenzt den Vorraum mit Garderobe und Toiletten vom eigentlichen Ort des Geschehens ab.... Man gelangt durch eine Türöffnung mit Vorhang dorthin und betritt eine Bühne. Stage (Material: Las Vegas) ist eine monumentale, aus zwei glitzernden Lamettavorhängen bestehende Installation, die den Ausstellungs- auch zum Bühnenraum macht und die Kubatur des Kunstpavillons maßgeblich zu verändern scheint. Sechs von der Künstlerin handgefertigte Stickbilder, die wie Storyboards oder technische Zeichnungen für Bühnenarchitekturen zu lesen sind und im Entwicklungsprozess parallel zu den Filmarbeiten entstehen, werden hier präsentiert. Der Vorhang hebt sich (Las Vegas #2, 2015), das Licht geht an (Lichtstrahl, 2012 und Light curve, 2015), die Darsteller_innen werden positioniert (Bertha, 2012) und der Vorhang fällt (Final curtain, 2015); Der Auftritt endet, wo er begonnen hat: Backstage (Panele, 2015).
Um in den abgedunkelten Kinoraum zu gelangen, muss man ein zweites Mal einen Lamettavorhang durchschreiten.
Seit 2012 arbeitet Daschner an einer neunteiligen filmischen Serie, die auf Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ (1) basiert. Drei der Arbeiten, die einmal in der Zusammenschau eine filmische Oper ergeben werden, sind bereits fertiggestellt. Parole Rosette (2012) und Powder Placenta (2015) gelangen im Kunstpavillon zur Aufführung.
Ein silbriger Fadenvorhang hebt sich, im Spotlight stehende in hellblau-silbrige Ganzkörperanzüge gehüllte menschliche Gestalten, von deren Köpfen Nabelschnurartige Schläuche ausgehen, sind zu sehen. Cut. Eine idyllische an Arkadien gemahnende Landschaft, eine illusionistische Wandmalerei erscheint und Vogelgezwitscher setzt ein. Hellgraues Fell bewegt sich im entspannten Atemrhythmus und eine schlafende Person in einem vegetabilen Kostüm befindet sich an einem friktionsfreien Ort der Glücksseligkeit. Wölfe schlafen und trotten gemütlich dahin. Erwachende mit unschuldig, erstaunten Blicken lächeln und die pralle, gemalte Landschaft zeigt Vögel, Früchte, Knospen und Blüten. Die Darsteller_innen streicheln an Sexspielzeug erinnernde Skulpturen und geben Blicke auf geschmückte Brüste und Genitalien frei. Die Harmonie, die über den Szenen liegt, ist kein stabiler Zustand, sondern ein Dazwischen. Die Menschen, Tiere und Pflanzen scheinen an einem Ort zu sein, an dem eine Differenzierung in Klassen, Arten, Rassen und Geschlechter noch nicht stattgefunden hat. Nichts ist kategorisierbar und alles in der Schwebe. Trotzdem geht von dieser Unsicherheit keine Bedrohung aus. Die Medien Bühne und Film sind per se instabil und erlauben dadurch einen produktiven Dialog zwischen den verschiedensten Ebenen. Die Wandmalereien, die in Powder Placenta eine wesentliche Rolle spielen, befinden sich im niederösterreichischen Schloss Harmannsdorf in der Sala Terrena eines ehemaligen Getreidespeichers, in der bereits seit dem Barock Aufführungen stattfinden und wo auch Bertha von Suttner Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts Theater spielte. Daschner, die Theaterräume immer auch in Bezug auf Hierarchien, das Verhältnis zum Publikum und die Blickregime interessieren, findet hier für die paradiesischen Szenen von Powder Placenta einen idealen, nicht auf eine frontale Schaubühne gerichteten Aufführungsort vor, der zudem die Schnittstelle zur Natur thematisiert bzw. diese zur Kulisse macht.

In dem spektakulären Zuschauerraum des Teatro Regio in Turin verhält sich das völlig anders. Der Fokus liegt auf der Guckkastenbühne. Außer, wenn die Lichter angehen: dann regiert der rote Plüsch der Sitze und die glamouröse Deckenlandschaft mit dem bombastischen, aus unzähligen Stableuchten bestehenden Luster. Details aus diesem Theater aus dem 18. Jahrhundert, das von Carlo Mollino nach einem Brand neu inszeniert und 1973 wiedereröffnet wurde, werden im Film Parole Rosette mit Sequenzen einer streng choreographiert aufmarschierenden queeren Truppe verschnitten. Trotz der amazonenhaften und skulpturalen Uniformierung behält jede Person ihre Individualität. Mechanisch spulen sie ihre Gruppenchoreographie ab und folgen der Regieanweisung: „No romance!“. In den Close-ups von Sitzen und der Decke scheint mehr Emotionalität zu liegen als in den Gesichtern der Performer_innen. Für Katrina Daschner sind Objekte, Kulisse und Bühne gleichermaßen Subjekte wie Menschen. Hierarchiefrei werden alle Ebenen miteinander verschränkt und sprechen durch das filmische Stilmittel der Montage miteinander. Der lüsterne Luster macht die Lust der Darsteller_innen deutlich. Genauso wie die ungeklärte Genderebene in Powder Placenta eine Parallele in dem ungerichteten Theatersaal des Schlosses Harmannsdorf findet, in dem es keinen ausgewiesenen Publikumssektor gibt.

Die nicht-lineare Erzählweise und die Positionswechsel der Protagonist_innen in den Filmen werden in Daschners Soloschau durch die Dramaturgie des Raums und das Einbinden der Besucher_innen in dieselbe verstärkt. Wie viel individuelle Wahrheit enthalten Traumwelten, die den Blick auf ungeahnte oder zumindest unausgesprochene Bedürfnisse und Begierden lenken…
An Schnitzlers „Traumnovelle“ interessiert Katrina Daschner neben der hohen Visualtität des Textes von fast filmischer Qualität (2), die Uneindeutigkeit von Traum und Wirklichkeit, der Zwischenbereich von Realität und Fiktion und, dass die innere Wahrnehmung und die der vermeintlich äußeren Welt voneinander untrennbar sind. Das Fluktuieren zwischen Bewusstem und Unbewusstem öffnet unzählige Assoziationsebenen.

Ingeborg Erhart

(1) 1925 kapitelweise in der Zeitschrift "Die Dame" erschienen, in Buchform 1926 verlegt.
(2) (2) So konnte sich beispielsweise Stanley Kubrik für "Eyes Wide Shut" eng an den Text Schnitzlers halten.

[Quelle: http://kuenstlerschaft.at]

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