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Susanne Bürner. legerdemain

Einladung: Susanne Bürner. legerdemain. 2015

06.11.2015 - 19.12.2015

Neue Galerie, Innsbruck / Österreich
Premierentage 2015, Innsbruck / Österreich

In der 3-Kanal-Videoinstallation Legerdemain spielen vier Personen mit. Eine Frau tritt als erstes auf. Es folgen ein etwas älterer Mann mit schulterlangem, weißem Haar und zwei junge Männer, ein Asiate und ein südeuropäischer Typ. Aufgeteilt auf drei Projektionen scheinen sie auf eine spezielle, stark von Gesten getragene Weise miteinander zu kommunizieren und sich gegenseitig Impulse zu geben. Nach einiger Zeit wird klar, dass es sich bei den ProtagonistInnen um DirigentInnen handelt, die ohne Taktstock agieren.... Susanne Bürner hat sie bei der Arbeit gefilmt, sie aus ihrem Kontext dadurch gelöst, dass sie sie von ihrem jeweiligen Klangkörper isoliert hat, und rückt sie in einen neuen Zusammenhang, in dem sie – scheinbar – aufeinander reagieren. Die Frau dreht sich im Halbkreis und gibt reihum die Einsätze. Sie ist Mistress of Ceremonies und moderiert das Geschehen. Die beiden jungen Männer liefern sich ein Battle, liegen in einem Wettstreit untereinander, wohingegen der ältere Mann die Contenance bewahrt und in sich ruht. Für die Soundebene hat Susanne Bürner auf eine Technik der Frühzeit des Films zurückgegriffen und – vergleichbar mit Livevertonungen von Stummfilmen – drei Musiker gebeten zu den Bildern zu improvisieren. Mit Cembalo, Klavier, Posaune und DJ-Effekten wie Scratching unterstreichen diese die vermeintlichen Charaktereigenschaften der DarstellerInnen.
Bei Besuchen der Berliner Philharmonie und anderen Konzerten beobachtete Susanne Bürner die Szenerie, war fasziniert von der Rolle der/des Dirigierenden und davon, dass durch kleinste Bewegungen große Reaktionen erzeugt werden können. Den stark mit Macht konnotierten Beruf gibt es erst seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bald haben sich verschiedene Typen entwickelt: „die Selbstinszenierer, die Magier, die Exzentriker, die Humanisten, die Skrupulösen.“[1] Wohl waren die Rollen inspiriert von den zur jeweiligen Zeit herrschenden Idealen von Kreativität, Macht, Männlichkeit und Führungsstil, die Debatte um das Erscheinungsbild jedoch war in der Rezeption von Dirigenten von Beginn an allgegenwärtig.[2]
Inzwischen hat zumindest in Bezug auf das Machtgefälle zwischen DirigentInnen und MusikerInnen einiges verändert und es gibt kaum noch die absoluten Herrscher der alten Schule. Nach wie vor geht es natürlich darum, wie der/die Orchester- oder ChorleiterIn auf die MusikerInnen (ein)wirkt. Da dies mit Mitteln der Körpersprache passiert, hat das Dirigieren immer etwas sehr Expressives an sich. Oder gibt es darüber hinaus auch mentale Verbindungen? „Der Dirigent soll sein Bewusstsein in das kollektive Unbewusste der Musiker transportieren."[3] Wie das passieren könnte, lässt Susanne Bürner in Legerdemain offen. Der Titel der Arbeit gibt jedoch einen Hinweis darauf, dass die Künstlerin Übernatürliches in Betracht ziehen könnte. „Legerdemain” ist ein – zumindest im US-amerikanischen – selten gebrauchter englischer Begriff, der aus dem Französischen stammt und die Wörter „leicht“ (léger) und „Hand“ (la main) in sich trägt und ein Synonym für Zauberei ist. It´s magic![4]
In der gleichnamigen Soloschau von Susanne Bürner in der Neuen Galerie der Tiroler Künstlerschaft sind zwei weitere Arbeiten zu sehen, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung mit dem Thema des Dirigierens entstanden sind. Leuchtend farbige, an Fahnen oder auch Zaubertücher erinnernde auf dünne Seide gedruckte Fotografien zeigen jeweils zwei isolierte, grafisch freigestellte Hände, die aufeinander Bezug nehmen. Das Dirigieren ohne Taktstock ermöglicht, so die Künstlerin, dass beide Hände gleichberechtigt sind. Bereits in dem Schaukasten vor dem Eingang zur Galerie befindet sich eine Collage aus Exemplaren einer Print Edition auf Zeitungspapier, die anlässlich eines Screenings mit Artist Talk bei Printed Matter Inc. im Juli dieses Jahres in New York bei Boabooks erschienen ist, und bei der es ebenfalls darum geht, dass die freigestellten Hände interagieren.
Neben den neuesten Arbeiten zeigt Susanne Bürner die Fotoserie Vampyr aus dem Jahr 2007. Wie in dem 3-Kanal-Video Legerdemain und in der Rauminstallation spielen auch hier Vorhänge als dramaturgisches Element eine wichtige Rolle. Vorhänge vor denen im Gegenlicht Menschen in einer Art Prozession vorbei gehen. Aufgenommen wurden die Bilder 2007 bei der documenta 12 in Kassel, als die KuratorInnen Roger Buergel und Ruth Noack u.a. das Leitmotiv „Ist die Moderne unsere Antike?“ ausriefen und neben zeitgenössischer auch historische Kunst zeigten. Aus konservatorischen Gründen musste der Raum in Zwielicht getaucht werden und die RezipientInnen schritten im „Modus der Kunstbetrachtung“ einher. Dieses „Getrieben Sein“ führte ebenso zur Wahl des Titels der Serie, wie auch die Begeisterung für die Stilmittel schemenhafter Figuren in hinterleuchteten Fenstern und einer starken Betonung von Schatten, die für den 1932 entstandenen Film Vampyr eingesetzt wurden. Die Arbeit ist als Hommage an den ersten Tonfilm des dänischen Regisseurs Carl Theodor Dreyer zu sehen, der mit seiner überzeichneten Körperlichkeit, den sparsamen Dialogen und den Textzwischenblenden noch stark dem Stummfilmgenre verhaftet ist.
Susanne Bürner beschäftigt sich seit langem mit den Themen Abwesenheit und Verschwinden, mit zentralen Fragen nach (subjektiver) Wahrnehmung und visueller Darstellbarkeit. Die neuesten Arbeiten und diese Ausstellung erzählen von physischer Mediation und mystischen Schatten, die aufgrund der Ausblendung oder einer Verschiebung des Kontextes ins Leere laufen. Sie handeln von Repräsentationsformen des Unsichtbaren in physischen und psychischen Räumen und spielen mit deren emotionalen Dimensionen.

Ingeborg Erhart

[Quelle: http://kuenstlerschaft.at]

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last modified at 12.01.2016


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