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Anaïs Horn. Fragmente einer Sprache der Liebe

Einladung: Anaïs Horn. Fragmente einer Sprache der Liebe. 2016

14.10.2016 - 11.11.2016

Fotogalerie des Grazer Rathauses, Graz / Österreich

Seit 2013 arbeitet Anai¨s Horn an dem Projekt »Fragmente einer Sprache der Liebe«. Ausgangspunkt dazu ist Roland Barthes‘ 1977 erschienene »Fragments d‘un discours amoureux«. Manche der 80 Begriffe, zu denen Barthes Zuga¨nge sucht, dienten als Vorlage fu¨r inszenierte Fotografien, andere fanden Ihre Entsprechungen in Szenen des Alltags, in Found Footage, in Fotografien aus meinem perso¨nlichen Archiv. an der Arbeit, die sich als unvollsta¨ndiges »Work in Progess« pra¨sentiert, vermischen sich Analog­ und Digitalfotografien in Farbe und Schwarz­ Weiss mit Found Footage und Fotos aus dem eigenen Archiv.... Diese werden collagenhaft mit Schwarz/Weiß­ Fotokopien von Textpassagen aus Barthes' Werk in Relation gesetzt. Fragmente also, Bruchstu¨cke einer alphabetisch angeordneten Konfession, die von »Abha¨ngigkeit« bis »Zugrundegehen« sich jeder systematischen Ordnung entziehen. Das Unberechenbare, das die emotionale Gemengelage des Liebenden terrorisiert, setzt sich in der Willku¨r der Anordnung – und der Begriffe – fort. Und doch gibt es eine Konstante, die die sprunghafte Melodie dieser Eintra¨ge mit einem melancholischen Basso continuo grundiert: Das ist die allem Sprechen zugrundeliegende Angst, verlassen zu werden – oder immer schon verlassen worden zu sein. Es ist kein Zufall, dass Goethes »Werther« Barthes‘ Kronzeuge ist. Die Arbeit sucht intime Zuga¨nge, bildet meine und Beziehungen aus meinem engsten Umfeld ab, aber relativiert auch, verallgemeinert und inszeniert sprachliche Begriffe – im zeitlosen Raum, allgemein gu¨ltig – oder nur fu¨r denjenigen, der liebt. Aber auch in der Utopie unserer Zeit und Gesellschaft und den Kontexten, in denen Beziehungen und Liebe heute stattfinden. Es entsteht ein fragmentarisches Bild, unendlich fortsetzbar, so beliebig, wie intim, so chaotisch und verzweifelt, wie von Glu¨ck und Erfu¨llung und gepra¨gt. »Die Liebe« also – himmelhoch jauchzend, zu Tode betru¨bt. So wurde sie in der Literatur besungen, so wird sie hier wieder heraufbeschworen. Die Liebe als grundstu¨rzendes Gefu¨hl, das nichts anderes als sich selbst und das geliebte Wesen kennt – diese romantische Auffassung von der geschlechtlichen Attraktion kommt uns in den Zeiten von Internet­Pornografie und Hook­up­Kultur womo¨glich noch anachronistischer vor als in der ideologisch gepra¨gten A¨ra der sogenannten sexuellen Befreiung, in der das Buch erschienen ist. Und doch galt auch damals schon, was inzwischen wohl mehr denn je gilt: dass na¨mlich »der Diskurs der Liebe heute von extremer Einsamkeit ist«.
Bu¨hnen des Alltags, Momente der Einsamkeit, Momente der sexuellen Intimita¨t, Szenarien des Liebens und des Umfelds des Liebenden – Ra¨ume, Gegensta¨nde, Personen, Landschaften – Pra¨gungen, scheinbare Erkenntnisse, neue Fragestellungen, Diapositive der Verbundenheit, der Sehnsucht und der Bru¨chigkeit, reihen sich bildlich aneinander. Sie suchen Ihre Entsprechungen oder werden gefunden – in Barthes‘ Fragmenten, Abha¨ngigkeit, Abwesenheit, Allein, Anbetungswu¨rdig, Angst, Askese, Beila¨ufigkeiten, Beru¨hrungen, Eifersucht, Entstellung, Erwartung, Herz, Katastrophe, Magie, Nacht, Objekte, Sehnen, Umarmung, Unbegreiflich, Unertra¨glich, Verbergen, Verru¨ckt, Wolken, Zugrundegehen ...
Denn eine »lange Kette von A¨hnlichkeiten verbindet alle Liebenden der Welt«, und die Verlockung der Projektion, die Barthes als das »Register imagina¨rer Lektu¨ren« charakterisiert, hat an Kraft bis heute nichts eingebu¨sst. Es geht also auch um die Verfu¨hrung des Lesers, um Ansteckung und Umgarnung, anders gesagt: um die Erotik der Sprache selbst. Die Erinnerungen und Reflexionen, die sich zu einem amouro¨sen Diskurs aus situativen »Figuren« zusammenfu¨gen, werden so zur Erfahrung des Lesenden. »Eine Figur ist dann zustande gekommen, wenn wenigstens einer sagen kann:
»Wie wahr das ist!«

Zitate aus: »Fragmente einer Sprache der Liebe«
Wie wahr das – noch immer – ist!
von Andrea Köhler, 7.11.2015 / Neue Zürcher Zeitung

[Quelle: kultur.graz.at]

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last modified at 18.10.2016


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