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Karel Malich - Ute Müller

16.01.2016 - 05.03.2016

Galerie Max Hetzler Berlin, Berlin / Deutschland

Mit dieser Ausstellung soll der Blick auf ein ganz junges Werk gerichtet werden, das ein neues Interesse am großen Spannungsfeld von Material und Prozess zeigt. Und es soll auf ein wenig bekanntes Werk eines großen Künstlers in der konstruktivistischen Tradition Osteuropas aufmerksam gemacht werden. Bei den Werken der jungen Österreicherin Ute Müller (*1978) und des wohl bedeutendsten 'klassischen' tschechischen Künstlers Karel Malich (*1924) mag manche vordergründige Ähnlichkeit auffallen. Es ist aber vor allem verblüffend, über die Generationen hinweg, Parallelitäten und Ähnlichkeiten in der künstlerischen Haltung und in den Prozessen der Werk- und Formfindung nachzuspüren und damit Grundsätzliches zu einer Kunst zu erfahren, die uns in ihr Entstehen einbindet....

Als ich in den späten 1980er, frühen 1990er Jahren die Länder hinter dem 1989 gefallenem eisernen Vorhang intensiv bereiste, musste ich, als ein eingeschworener Vermittler künstlerischer Positionen dieser Jahre und damals vorherrschenden Strömungen einige neue, oder auch alte Türen der Wahrnehmung von Kunst öffnen. Da war natürlich die Differenz zweier politischer Systeme mit ganz unterschiedlichen Ansätzen zur Funktion von bildender Kunst, unterschiedliche Situation der Information, der Präsentation. Unterschiedliche Arbeitsbedingungen von Künstlern und Künstlerinnen. Unterschiedliche Geschichten. Aber da war auch die großartige Kontinuität der Moderne. Dem konnte ich ganz überraschend und unmittelbar in Polen und in der Tschechoslowakei begegnen. Das war eine andere Moderne, die über die Zeitläufte eine andere Geschichte entwickelt hatte, die aus den Folgen des kalten Krieges eine starke Tradition im Widerstand weiterführen musste. Einem Widerstand, der zeitweise großen Mut, in jedem Fall ein großes Durchhaltevermögen erforderte. In der Zeit nach 1918 begleitete die Hinwendung zu neuen Formen der Kunst und des Bauens einen beispiellosen Aufbruch von Ländern wie Polen und der Tschechoslowakei. So entstand das erste Museum Europas, das ausschließlich der modernen Kunst gewidmet war, meistgesuchte mit dem Museum of Modern Art in New York, in der polnischen Industriestadt Lodz unter der Federführung des konstruktivistischen Künstlers Wladyslaw Strzeminski. Es gab einen einzigartigen Aufbruch in neue Formen in Architektur, Kunst und Fotografie, der in der Tschechoslowakei auch die besondere Dynamik einer der fortgeschrittensten Volkswirtschaften begleitete und Zeugnisse von Kunst und Architektur hervorbrachte, die, anders als in Polen, bei weitem noch nicht ausreichend gewürdigt sind.

Diese Kulturen einer hohen Moderne waren nach den Zerstörungen des Krieges, ab den späten 1940ern mit den strengen Vorgaben sozialistischer Kulturpolitik konfrontiert, was zu einer Gratwanderung zwischen Anpassung und Widerstand bei den meisten Kulturschaffenden führte, die nicht den Weg ins Exil suchten. In Nischen entwickelte sich eine konsequente Beschäftigung mit modernen Formen weiter, die jedoch kaum eine Öffentlichkeit im eigenen Land oder im westlichen Kontext bekam.

Dabei entstanden gerade in der Tschechoslowakei Werke größter Eigenwilligkeit und Bedeutung als künstlerische Visionen von Künstlern, die aus diesen Traditionen schöpften und den totalitären Zügen der Gesellschaft etwas entgegensetzen wollten. Karel Malich war einer dieser Künstler in einem reichen Umfeld, das sich auf kleinstem Raum abspielte.

Auch wenn sein Werk gelegentlich in westlichen Ausstellungen in durchaus bedeutenden Museen zu sehen war, wurde es von den Paradigmen des westlichen Konstruktivismus verdeckt. Die Hintergründe und Parameter der Wahrnehmung waren vielleicht zu unterschiedlich. Erst heute sind wir besser in der Lage, den Konstruktivismus anderer Weltgegenden wie der Lateinamerikas oder Osteuropas zu lesen und in ihrer Unterschiedlichkeit zu verstehen. Und, bei genauerer Betrachtung stellt sich die Frage, wie viel Malichs Werk überhaupt mit dem Konstruktivismus zu tun hat?

Es ist interessant, welches Licht eine Ausstellung neueren Datums im Museum of Modern Art New York (Transmissions: Art in Eastern Europe and Latin America, 1960–1980) auf solche Differenzen wirft und augenscheinlich demonstriert, welch unterschiedliche künstlerische Strategien scheinbar ähnlichen Formen zugrunde liegen.

In jedem Fall stellen die Skulpturen aus Draht, die Malich seit den 1970er Jahren entwickelte, eine einzigartige Werkgruppe im Kontext der Kunst des späten 20. Jahrhunderts dar. Die wichtigsten Elemente aus seiner Auseinandersetzung mit dem Konstruktivismus, aber auch die schon sehr frühe Beschäftigung mit quasi ausgenommenen Räumen, 'negative Spaces', wie sie im englischen genannt werden, führt zu Konstruktionen aus Draht, in denen er sich wiederum verstärkt seinem frühen Interesse nach spiritueller Wahrnehmung, der Verbindung von Figur und Landschaft und der Darstellung von Energien zuwenden kann. Dass diese Entwicklung des Werkes in eine Zeit fällt, in der der große gesellschaftliche Aufbruch der Tschechoslowakei in den Jahren zuvor, durch eine regressive Unterdrückung ausgelöscht wurde, mag neben folgerichtigen und stringenten künstlerischen Gründen diesen Weg in eine Innerlichkeit und Spiritualität gefördert haben. In seinem Prager Atelier dieser Jahre entstanden wahre Wunderwerke von Leichtigkeit und Wahrnehmung von Räumlichkeiten.

In der Ausstellung werden zwei Werke aus dem konstruktivistischen Kontext der 1960er Jahre zu sehen sein, die in vielen eher schon zum Minimalismus tendieren. Dabei handelt es sich um eine Plexiglasskulptur von 1967-69, in der gleichsam zwei Räume durch transparentes und schwarz getöntes Plexi ineinander gestülpt werden, und um den Blauen Korridor von 1970, der mit einer großen minimalen Geste eine ganze Reihe von Wandarbeiten abschließt und mit der Wahl der Farbe auch ganz bewusst auf den französischen Künstler Yves Klein verweist.

Die weiteren Skulpturen in der Ausstellung sind alles Drahtarbeiten aus den 1970er Jahren. Zwei davon (Weiße Wolke, 1975 und Die entfesselte Landschaft I, 1973-74) in den Atelierversionen des Künstlers und zwei weitere in einer handwerklich präzisen Fertigung, die dem Künstler immer auch sehr wichtig war (Energy, 1974-75 und Kosmisches Ei, 1973-74/2014).

Wenn heute eine jüngere Generation von Künstlerinnen und Künstlern sich wieder ernsthaft mit der Sprache von Materialien auseinandersetzt, wie es Ute Müller tut, dann ist es auch gut, diese Auseinandersetzungen in eine Perspektive zu stellen, wie es die vorliegende Ausstellung mit der Konfrontation mit dem Werk von Malich tut. In der heutigen Wiener Kunstszene und nicht nur da, sondern auch an anderen Orten, werden vermehrt Fragen danach gestellt, was das Material der Kunst heute ist, was Material bedeuten kann, welche Bedeutungen von welchen Materialen getragen werden, welche Rolle kreative und handwerkliche Prozesse dabei spielen. Das geschieht heute vordergründig in erster Linie im Bereich einer neuen Form von Skulptur, die sich aus den Rauminstallationen wie sie in den letzten Jahrzehnten vorherrschend waren, herauslöst. Es geschieht aber auch in der Malerei, die in erster Linie abstrakte Bildgrösse thematisiert und neue Bilderwelten und -sensibilitäten entwickelt. In Ute Müllers Werk finden wir beide Ansätze vor, sowohl den malerischen wie auch einen skulpturalen. Neben einer kleinen Gruppe von Skulpturen, die in einer schönen Art und Weise unterschiedliche Themen des Gestaltens von räumlichen Einheiten abhandeln und sich dabei als ikonische Einheiten verhalten, sind es vor allem vier Bilder in Eitempera auf Leinwand, die den Werken von Malich entgegengestellt werden. Es sind Bilder, die die Möglichkeiten des Materials und der Prozesse des Malens in besonderer Art und Weise thematisieren und weiter entwickeln. Der Malprozess scheint die Form zu bestimmen. Die Energie des Farbauftrags lässt sehr subtil Bilder entstehen. Diese Bilder implizieren Räume der Präsenz und der Absenz, der Leerstellen, auch hier im Sinn von 'negative space' vordergründig sogar auch visuell 'verwandt' mit Malichs 'Bildern' im Raum, viel wichtiger aber noch, von ähnlichen Energien bewegt.

- Peter Pakesch

[Quelle: http://www.maxhetzler.com]

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last modified at 03.02.2017


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