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Rudi Stanzel. Reflektivität

Einladung: Rudi Stanzel. Reflektivität. 2013

07.05.2013 - 26.06.2013

Galerie Ulysses, Wien / Österreich

Reflektivität, auch bekannt als Reflexionsgrad, ist das Verhältnis von einfallendem zu reflektiertem Licht. Das ist nicht nur für Maler wichtig, die sich überlegen müssen: Ist die Struktur der Pinselstriche horizontal zum Licht oder vertikal; bilden sie Schatten oder nicht; erscheint die Farbe matt, glänzend oder stumpf. Reflexion spielt auch für alles Sehbare eine grundlegende Rolle. Ich schreibe mit Absicht „Sehbare“ und nicht „Sichtbare“, dazu mehr später.

Für Fotografen gibt es die sogenannte „Graukarte“.... Das ist ein grauer Karton, dessen Oberfläche genau 50 Prozent des einfallenden Lichts reflektiert. Anders ausgedrückt: Es wird die Hälfte des Lichts absorbiert. Damit können Fotografen die Belichtung ihrer Fotos genau einstellen.

In früheren Arbeiten (1990) verwendete ich Kopien dieser Graukarte, wobei ich am Kopierapparat ständig den Hell-, Dunkelregler verschoben habe, um so die Genauigkeit der Graukarte ad absurdum zu führen: Das Thema des reflektierten Lichts war eher Idee als Abbild. Anders bei den Materialien, die ich später verwendete: Auf der Suche nach spannenden schwarzen Flächen abseits der Ölfarbe stieß ich auf Müllsäcke und Siloschläuche, die - genauso wie später das Graphit und die Aluminiumfolie - für mich sehr interessante Materialien wurden: Sie reflektieren selbst das geringste Licht. Faszinierend ist, dass diese tiefdunklen Bilder weniger Beleuchtung brauchen als bunte, um lebendig und interessant zu wirken.

Während eines „artist in residence“- Aufenthalts im Jahr 2006 in Ningbo, China, begann ich, chinesisches Papier mit Silber- und Goldeinschlüssen zu verwenden und, nach einem Symposium in Wolfsberg (Kärnten), Eisenglimmer, der dort abgebaut wird. Dieser funkelnde Glimmer, eine Variante des Hämatits, der in anderer Form auch als Rötel als künstlerisches Zeichenmaterial verwendet wird, wurde zum Ausgangspunkt für Glitter.
Oft verwende ich Künstlermaterialien nicht auf ihre zugedachte Art und Weise. Aus Kohle-, Graphit- und Kreidestäben entstehen keine Zeichnungen, sondern Collagen, Skulpturen und Installationen. Das Material selbst wird zum Haupt-akteur der Oberfläche. Kein abgebildeter Gegenstand, kein lesbarer Inhalt lenken davon ab, wie sich das Material mit seinen spezifischen Eigenschaften zeigt.

Für die Bilder dieser Ausstellung nehme ich den sogenannten Hologramm-Glitter. Das sind kleine, reflektierende, in mehreren Ebenen beschichtete Plastikplättchen. Je nachdem, auf welche Schicht das Licht fällt, werden bestimmte Wellenlängen absorbiert und - abhängig vom Betrachtungswinkel - in den Regenbogenfarben von Blau bis Rot reflek-tiert. Wir kennen das von changierenden Öloberflächen oder Seifenblasen. Wobei interessant ist, dass wir diese Plättchen nicht scharf sehen können. Denn der Brennpunkt liegt hinter der Bildebene; wir sehen unscharfe Farb-wölkchen anstatt scharf abgegrenzter Flächen.
Wie wir die Bilder sehen, ist nicht etwas überprüfbar Konstantes. Es sind fast unendliche Wahrnehmungs-möglichkeiten jedes einzelnen. Für jeden Betrachter, zu jedem Zeitpunkt, wird das Bild durch jede noch so kleine Ver-änderung des Licht- und Betrachtungswinkels zu einem individuell, einzigartig wahrgenommenen Bild. Fotografische Abbildungen können nur Momentaufnahmen sein und geben weder die individuelle Erfahrung noch eine überprüfbare Wirklichkeit wider.

Das gilt auch für andere Bilder, ja, für alles, was wir sehen können. Doch das ist uns nicht bewusst, weil einerseits unsere Aufmerksamkeit damit beschäftigt ist, Farben, Inhalte und Gegenstände zu erkennen und zu interpretieren. Und weil andererseits die offensichtlichen Veränderungen minimal sind. Wenn jemand sagt: “Siehst du den blauen Tisch dort?“ muss nicht geklärt werden, was „blau“ und was „Tisch“ ist, obwohl beides sicher unterschiedlich, individuell wahrgenommen wird.

Farben entstehen erst über das Auge im Gehirn. Doch durch die weitgehende Übereinstimmung der Farberfahrung bekam das Licht mit seinen unterschiedlichen Wellenlängen Farbnamen, um unsere Wahrnehmungen austauschbar zu beschreiben. Diese Begriffe schaffen eine Wirklichkeit und wir können uns darüber unterhalten, wie etwas ausschaut. Denn eigentlich: Ein Bild an sich, die Welt an sich, das Universum an sich, schaut nämlich gar nicht aus.
Rudi Stanzel, Wien im April 2013

[Quelle: http://www.kunstnet.at/]

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