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Thomas Hartmann. Direkter Umweg - Neue Malerei

10.03.2017 - 29.04.2017

Christine König Galerie, Wien / Österreich

In seiner Malerei aus den letzten Jahren weist sich Thomas Hartmann (*1950, Zetel, Deutschland) als besonders aktiver Bewohner der Gutenberg-Galaxis aus: Bücher, Zeitschriften, Druckwerke aller Art sind neben Containern und Paketen die zentralen Inhalte seiner Bilder. Eine Welt der Buchstaben und Objekte wird evoziert, in der die Menschen beinahe verschwunden sind oder im Chiaroscuro der Farb- und Formenspiele aufgehen. Manchmal wird eine Realsituation im Gemälde gespiegelt, wenn etwa zwei Bibliotheksregale spitz aufeinander zulaufen wie ein Schiffsbug.... Dann wiederum erscheinen die zu Stapeln getürmten, in Fächer gequetschten oder zu Bündel geschnürten Bücher und Zeitungen wie Indices eines sinnlichen Gestaltens, das über die Konturen des Erkennbaren hinaus sein ganz eigenes individuelles Spiel des formalen Ausfransens und der koloristischen Feinabstufungen betreibt. Thomas Hartmann ist ein Homme de lettre, doch einer, der sich nicht im semantischen Pluriversum verliert, sondern als Künstler das Sprachzeichen und das Druckwerk in seiner realen Erscheinungsform hypostasiert.

In seinen Bildern ist das Buch kein fetischistisches Einzelobjekt, das einen Inhalt zur Entschlüsselung anbietet, sondern immer Massenware – mal sorgfältig zum Ornament der textuellen Vielfalt arrangiert, dann wiederum in geradezu bösartige Formen der Verwahrlosung überführt. Manchmal überschmiert der Künstler die Bildoberflächen, so dass die Arbeiten wie grindig abgeriebene oder abgerubbelte Ausschussware wirken – die Aura des Pretiösen ist seine Sache definitiv nicht: Wenn die Sache zu glatt und gefällig zu werden droht, wird sie durch paradoxe Interventionen aufgeraut, um den kontemplativen Blick Widerstand zu leisten. Man mag aus diesen Gemälden die, je nach Sichtweise, tröstliche oder trostlose Botschaft herauslesen, dass der externalisierte Gedankenreichtum des Menschen diesen im Buch überlebt hat. Dass Papier dort ist, wo einst Leben war.

Hartmann besetzt in der zeitgenössischen Malerei eine einzigartige Position: Er navigiert mit hoch entwickelter Sensibilität für Formen, Farben und Bildaufbau zwischen Zeichnung und Malerei, zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Er schafft Energiefelder, die vor innerer Spannung zu bersten drohen, erweckt aber in der räumlichen Organisation seiner kleinteiligen Module gleichzeitig den Eindruck einer nachgerade transzendentalen Harmonie.

Thomas Hartmann liest aus den formlosen Konfigurationen des Malgrundes Figuratives heraus und er transformiert konkrete Objekte in der seriellen Auffächerung in abstrakte Zeichen. Er setzt in seiner Zelebration des gedruckten Wortes dem menschlichen Schöpfergeist ein Denkmal und er evoziert gleichzeitig ein post-barockes Vanitas-Gefühl. Wenn man seine kafkaesken vollgestopften Bücherwände und Regale, die durcheinanderfliegenden Gegenstände im Ramschladen oder in der Postsortierstelle in ihrer erhabenen Nutzlosigkeit sieht, fällt es schwer, nicht an ein Bild zu denken, das Michel Foucault in „Die Ordnung der Dinge“ entworfen hat: Der Mensch werde verschwinden „wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand.“

[Quelle: http://www.christinekoeniggalerie.com]

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