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Rosa Barba. Spacelenght Thought

Einladung: Rosa Barba. Spacelenght Thought. 2017

06.04.2017 - 25.06.2017

Vereinigung Bildender KünstlerInnen, Wiener Secession, Wien / Österreich

Das Werk der deutsch-italienischen Künstlerin Rosa Barba lässt sich vor dem Hintergrund eines erweiterten Skulpturbegriffs lesen. Neben Fragen nach der Komposition, der Körperlichkeit und der Plastizität von Form, spielt die zeitliche Dimension eine zentrale Rolle. Der Aspekt der Zeitlichkeit sowie mit ihrem Interesse, wie Film Raum artikuliert, setzt sie Werk und Betrachter in ein neues Verhältnis, was sich auch im Inhalt ihrer Filme widerspiegelt. Jeder Film ist eine topografische Studie des „modernen Unbewussten“.... Es sind Räume der Erinnerung und der Ungewissheit, die trotz der instabilen Realität, die sie darstellen, als versichernder Mythos zu lesen sind. Barbas filmische Arbeiten bewegen sich zwischen experimentellem Dokumentarfilm und fiktionaler Erzählung und sind zeitlich nicht eindeutig festgelegt. Sie fokussieren häufig Naturlandschaften und vom Menschen verursachte Eingriffe in die Umwelt, sie untersuchen das Verhältnis zwischen historischer Aufzeichnung, persönlicher Anekdote und filmischer Darstellung.

In ihrer Einzelausstellung Spacelength Thought in der Secession präsentiert Rosa Barba eine Auswahl ihrer Filme, die sich mehr oder weniger mit dem Begriff des Archivs beschäftigen, sowie einige ihrer skulpturalen Arbeiten. Eingangs eröffnet die Künstlerin mit den alternierend gezeigten Filmen Somnium (2011) und Disseminate and Hold (2016) zwei wesentliche Aspekte in ihrem Schaffen: zum einen die Verbindung zur Literatur als Quelle für und Referenz in ihren Arbeiten, zum anderen ihr Interesse an einem offenen Begriff des Archivs. Somnium nimmt direkt Bezug zur gleichnamigen Erzählung des Astronomen, Mathematikers und Naturphilosophen Johannes Kepler. In seinem 1608 verfassten Text, der als frühestes Beispiel des Science-Fiction-Genres gilt, beschreibt Kepler eine imaginierte Mondfahrt und wie er sich die Erde, vom Mond aus gesehen, vorstellte. In Barbas Film, den die Künstlerin in Maasvlakte, einem Erweiterungsgebiet des größten europäischen Hafens in Rotterdam drehte, werden Passagen aus Keplers Erzählung von einer körperlos geisterhaften Stimme gelesen, während eine zweite kollektive Stimme die Vorstellungen der hier arbeitenden und lebenden Menschen von der Zukunft dieses Ortes vermittelt. Eine einzige Person wird im Film porträtiert und wie so oft in Barbas Arbeiten wird eine Randfigur zum Protagonisten. In Somnium ist dies ein Imker, der hier der voranschreitenden Unterwerfung der Natur durch die Industrie zum Trotz weiterhin seine Bienenstöcke pflegt. Einen Fokus ausgerechnet auf die für die Balance unseres Ökosystems so wichtige Bienenzucht zu legen, kann durchaus als symbolträchtiges Statement gelesen werden.

In Disseminate and Hold wiederum stellt die Künstlerin die 1969 unter der brasilianischen Militärdiktatur in São Paulo errichtete Stadtautobahn Minhocão („großer Wurm“) in den Mittelpunkt und entwirft eine Narration, die sich um dessen historische, gegenwärtige und imaginäre Bedeutung für das urbane Gefüge entfaltet. Diesem städtebaulichen Eingriff, der selbst eine durchaus kontroversielle Rezeptionsgeschichte aufweist, die im Film auch thematisiert wird, kommt die Funktion eines städtischen Gedächtnisses zu. Anhand dieses signifikanten Bauwerks wird nicht nur ein Ausschnitt der urbanen Entwicklung und des gesellschaftlichen Wandels São Paulos beschrieben. Die Einspielung von Textexzerpten des regimekritischen brasilianischen Konzeptkünstlers Cildo Meireles betont die Bedeutung des Öffentlichen im Allgemeinen, wie für die Kunst.

Mit diesen beiden Filmen bietet Barba, gleich dem Funktionsprinzip eines Relais, einen jeweils unterschiedlichen Zugang zu ihrer Arbeit. Wie zwei Entrees erlauben sie eine situationsbedingt veränderliche Wahrnehmung der Ausstellung, denn sie verströmen eine jeweils unterschiedliche Stimmung: In Somnium wird vor der dystopischen, artifiziellen Landschaft des Rotterdamer Hafens ein düsteres Szenario gezeichnet, unterstrichen vom mitunter beunruhigenden Filmsound von Jan St. Werner mit spitzen metallenen Klängen und tiefen flächigen Drones, während in Disseminate and Hold eine stark befahrene, erhabene Stadtautobahn, die São Paulo auf einer Länge von mehr als 3 km brutal durchschneidet, von den Anrainern als öffentlicher Raum zurückerobert wird. Hier ist eine, wenn auch brüchige Aufbruchsstimmung spürbar und der percussionlastige Soundtrack der deutsch-brasilianischen Formation Black Manual drückt geballte Energie aus.

Der 35mm-Film The Hidden Conference: About the Shelf and Mantel (2015) bringt im Museumsdepot der Tate in London gelagerte Werke zum Vorschein und untersucht den Status von Kunstwerken, wenn sie nicht ausgestellt sind; dabei entfaltet sie eine fiktive Konversation unter den Werken.

Zum ersten Mal in Europa zeigt Barba auch ihren erst kürzlich fertiggestellten Film Enigmatic Whisper (2017) – das Porträt einer der kinetischen Skulpturen von Alexander Calder in seinem Atelier in Roxbury, Connecticut, dessen poetische Qualität die freie Improvisationsmusik von Jan St. Werner, John Colpitts und Andrew Barker unterstreicht.

In den kinetischen skulpturalen Arbeiten Stellar Populations (2017), die speziell für die Ausstellung entwickelte wurde, und Coupez ici (2012) schlingern jeweils von einem Motor angetriebene 35mm Filmstreifen in Leuchtkästen und weisen mit ihren unkontrollierbaren Bewegungen ein anarchisches und zugleich spielerisches Moment auf. Das in Boundaries of Consumption (2012) projizierte Schattenspiel wiederum – das Ergebnis des Zusammenspiels eines unbelichteten Filmstreifens, der zwei auf einem Filmrollenstapel liegende Kugeln in Bewegung versetzt und dem Licht des Projektors – ist stets im Fluss und zeigt ein immer flüchtiges Bild; eines das nicht verdinglicht werden kann. Barba thematisiert hier die Ambivalenz des Begriffs der konsumierbaren Ware, die im gegenwärtigen digitalen Zeitalter einem grundlegenden Wandel unterliegt.

In allen Filmen Rosa Barbas werden Bild und Tonspur gleichwertig behandelt und das musikalisch hohe Niveau der Soundtracks ist bemerkenswert. Demzufolge veröffentlichen die Secession und die Künstlerin den Soundtrack ihres jüngsten Films, Enigmatic Whisper, auf einer 12” Schallplatte. Zugleich erscheint die 17. Ausgabe von Printed Cinema: eine Serie von Publikationen, die die Künstlerin seit 2004 herausgibt und die als künstlerische Sekundärliteratur zu ihren Filmen konzipiert ist. Die jeweilige Ausgabe ist nur während der Ausstellung in der ausstellenden Institution verfügbar.

[Quelle: www.secession.at]

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last modified at 28.07.2017


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