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Markus Proschek. Possession

Einladung: Markus Proschek. Possession. 2017

22.04.2017 - 23.06.2017

Kunstraum Innsbruck, Innsbruck / Österreich

21.06., 19 Uhr KÜNSTLERGESPRÄCH MARKUS PROSCHEK MIT HEMMA SCHMUTZ, DIREKTORIN DES LENTOS KUNSTMUSEUM LINZ UND KARIN PERNEGGER


„Besonders wichtig ist es, jede Unterhaltung mit dem Dämon zu vermeiden. Wir dürfen die nötigen Fragen stellen, aber alles darüber hinaus ist gefährlich. Er ist ein Lügner. Der Dämon ist ein Lügner, er wird lügen, um uns zu verwirren! Er wird Lügen mit der Wahrheit vermischen, um uns anzugreifen. Der Angriff ist psychologischer Natur (...) und machtvoll. Also hören Sie nicht auf ihn.... Merken Sie sich das: Nicht hinhören!“
The Exorcist/ Der Exorzist, 1973





Der Titel der Ausstellung Possession des in Berlin lebenden Salzburger Künstlers Markus Proschek (1981) greift nicht im Sinne seiner direkten Übersetzung das deutsche Wort Besitz auf, sondern bezieht sich auf die Besessenheit von einer dämonischen Macht und der Gefahr, dieser permanent ausgesetzt zu sein. So leitet auch das Eingangszitat aus dem Film Der Exorzist in das Thema der Ausstellung ein, um die Konstruktion des Dämonischen und des Bösen als Methapher für Exorzismus und Ikonoklasmus – jener Form der kriegerisch motivierten Bildzerstörung – bzw. Exorzismus als politische Methapher und dessen Konstruktion von Feindbildern zu untersuchen.

Mit der zentralen, schwarzen Fliesenwand, seinen Malereien, dem am Boden aufgemalten Pentagramm und den reproduzierten antiken Plastiken zitiert Proschek einen dämonischen, wie auch okkulten, bzw. satanistischen inszenierten Raum. In Sinne des Dämonischen und seiner Realitätskonstruktion als Propaganda führende Stimme, wird der Nah-Ost Konflikt seitens des Westens seit jeher zur Achse des Bösen stilisiert, wie auch Bilder produziert, die dies scheinbar begründen und beweisen. Die in der Nachkriegszeit begründeten Wurzeln des Konflikts reichen bis in die jüngste Gegenwart, zB. die Stellvertreter Kriege des Kalten Krieges in Afghanistan oder die israelisch-arabische Feindschaft. So zitiert die Ausstellung die jüngsten politischen Aggressoren im arabischen Raum, den Aufstieg des militanten Islamismus durch die IS im Besonderen. Die Arbeitsweise von Markus Proschek ist getragen von einem dichten Referenzsystem politischer, historischer und gegenwärtiger Analysen, wie das Böse stilisiert, dämonisiert und für jegliche Propaganda instrumentalisiert wird. Hierzu verknüpft er in seiner als Ganzes zu verstehenden Rauminstallation einzelne Bildzitate zu einer vielschichtigen Argumentationskette. Jenen Schlagabtausch zwischen Realität und Fiktion als Modus politischer Argumentation in seinen gegenwärtigen und historischen Bedingungen untersucht Proschek mit seinem komplex recherchierten Bilderkatalog, den er auf exemplarische Bildwerke reduziert. So zeigt am Beispiel der eskalierten Konflikte im Nahen- und Mittleren Osten und der resultierenden terroristischen Bedrohung die Rhetorik der politischen Dämonisierung, der Konstruktion ihrer Feindbilder innerhalb eines Orientalismus der negativen Besetzung, und die Zerstörung von Bildwerken als Visualisierung eines gewalttätigen Exorzismus von (Bild-) Regimen, und somit deren symbolische Auslöschung. Was bleibt ist die Leerstelle, das Fragment als Zeuge von Vernichtetem und das Unbehagen darüber, welche symbolische Ordnung diese Leere als nächstes besetzen wird.

Den Bildern werden damit in einem beschwörenden Gestus das Böse eingeschrieben und in der Schuldzuschreibung einem Exorzismus vergleichbar das Böse wieder ausgetrieben. Somit wird die durch Fiktion überschriebene Realität oft zu einer sich selbst erfüllende Prophezeiung, die widersinniger Weise auch oft ihren Ursprung in Bildern der Populärkultur haben. Hierzu stellt Proschek zwei Filmzitate zum Beginn der Ausstellungsauseinandersetzung in den Vordergrund. Zum einen Der Exorzist, einem amerikanischen Horrorfilm-Klassiker von William Peter Blatty aus den Jahr 1973, und James Camerons Actionkomödie True Lies (dt. Wahre Lügen) mit Arnold Schwarzenegger aus dem Jahr 1994. Noch bevor die Handlung beginnt, wird mit der Schwarzblende auf den in roten Buchstaben geschriebenen Filmtitel Der Exorzist der Gesang des Muezzins eingespielt und damit ein verheißungsvoller Hinweis auf das zu erwartende Grauen gelegt. Die Eingangssequenz des Exorzisten zeigt, wie der Jesuitenpater Lankester Merrin auf einer nordirakischen Ausgrabungsstätte die Dämonenfigur Pazuzu findet und aus dessen Fund sich alles spätere Übel zu entwickeln scheint. So erscheint ihm der Dämon Pazuzu auch während des Exorzismus, kurz bevor er an den Anstrengungen verstirbt. In True Lies werden russische Atomraketensprengköpfe in vier Lamassu Statuen auf geheiß einer radikalen Gruppe von einer persischen Antikenhändlerin in die USA eingeführt, um ein Exempel bezüglich der Truppenoffensive der USA im Irak zu statuieren. Die Figuren werden demonstrativ zerschlagen um die Sprengkörper freizulegen, ein Bild, das unwillkürlich an die medienwirksame Zerstörung der Kulturgüter durch die IS erinnert. Unser kulturelles Erbe spiegelt nicht nur die Entwicklung der Menschheit und deren Zivilisationsgeschichte wieder, sondern die bewusste und medienwirksame Zerstörung jener Denkmäler, Kunstwerke und Bücher ist zum strategischen Bestandteil gegenwärtiger Kriegsführung geworden, bzw. sind durch die ideologische Aneignung und Zerstörung durch politische Machthaber permanenter Gefahr ausgesetzt. Islamistische Kämpfer haben der Antike den Krieg erklärt. Ohne dass die Filmzitate in der Ausstellung gegenwärtig sind, zeigt Proschek wie konstruierte fiktive Feindbilder Realität werden, bzw. von den Aggressoren übernommen werde.

Seit jeher wurde dem lybischen Diktator Muammar al-Gaddafi seitens des Westens die Rolle des Bösewichts zugeschrieben, die er in seiner Politik, Auftreten und Handeln beflissen übernommen hat, wie u.a. der Journalist der BBC Adam Curtis in seiner 2 stündigen Dokumentation Bitter Lake eindrücklich dokumentierte. So verwendet Proschek in einer Leinwandarbeit (Titel kommt noch) bewusst das Dekor des Familienzelts von Gaddafi, der immerzu als Beleg seiner fremdländischen und nomadischen Herkunft auf jeglichen Auslandsreisen in seinem mitgebrachten Nomadenzelt übernachtete. Im Bild selbst stellt er jenes Muster neben die Marmorwand, die immerzu hinter den Hauptrednern der UN zu sehen ist und damit stiller Zeitzeuge dieses über Jahrzehnte anhaltenden Konflikts ist.

Proschek verwendet auch antike Verweise eines durch Ikonoklasmus intendierten Trophäen-Kults. So findet sich in der Ausstellung auf der zentralen schwarzen Fliesenwand die Replik einer Porträtbüste eines akkadischen Führers, dessen rechtes Auge von seinen Gegenspielern im kultischen Sinne als Machtdemonstration ausgestochen wurde. Damit wurde dem toten Objekt in magischer Weise Leben eingeschrieben, das der Aggressor durch dessen Zerstörung sprichwörtlich auszulöschen im Stande ist. In der Ausstellung ist eine weitere Replik eines mesopotamischen anmutenden Kultobjekts zu sehen. Das antike Mesopotamien, jener Kulturlandschaft in Vorderasien, das zwischen Euphrat und Tigris gelegenen auch als Zweistromland bezeichnet wird, stellt im heutigen Flächenausmaß die Konflikt beladenen Landstriche des heutigen Iran, Irak, Syrien und Afghanistans dar. Zwar ist die Skulptur heute im Sammlungsbestand der Berliner Museen, aber sie ist in ihrer Entstehung, Zweck und Herkunft nicht geklärt, bzw. selbst ihre Echtheit ist nicht bewiesen. Die ca. 30 cm hohe und schlanke Figur zeigt drei Schlangen, die einen Menschen umwickelt und zerteilt.

Mit diesem Hinweis thematisert Proschek nicht nur die Aneignung von Bildern zur Machtdemonstration und Propaganda, sondern auch die Fragestellung, wer im historischen und gegenwärtigen Sinne Kulturgeschichte definiert. In der Ausstellung ist eine querformatige Leinwand mit einem Fliesenportal zu sehen, das sich heute in der Berliner U-Bahnstation Klosterstraße befindet, die unterhalb des Unternehmens zu finden war, die maßgeblich die archäologische Ausgrabung und Rekonstruktion des weltbekannten babylonischen Ischtators finanziert hat, welches jetzt eine der Hauptattraktionen des Berliner Pergamonmuseums ist. Somit war die archäologische Bergung und außer Landes Führung des Tores, schon ein einschneidender Akt gegenüber den Vertretern der angestammten Kultur, jedoch mit dem Kontext der gegenwärtigen Zerstörung von Kulturgütern durch die IS ein rettender Akt.

In diesem Sinne ist allen weiteren Leinwandwerken der Ausstellung eines gemeinsam, dass sie die Technik des Ikonoklasmus darstellen, da jeweils das Hauptmotiv fehlt: z.B. das runtergerissene Plakat von Saddam Hussein oder die leeren Vitrine des Museums in Mosul. Damit wird der Wesenszug des Exorzismus, eine unbekannte böse Macht auszustreiben, mit dem Bildkonzept der Zerstörung in Vergleich gesetzt, da jene zu zerstörenden Bilder und Gegenstände mit dem Geist des Feindes aufgeladen und das Objekt als Referenz für die zu verteufelnde böse Macht sprichwörtlich getötet werden.
Karin Pernegger

[Quelle: www.kunstraum-innsbruck.at]

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last modified at 05.07.2017


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