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Marc Brandenburg. Alpha St

28.01.2017 - 31.03.2017

Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg [Villa Kast], Salzburg / Österreich

Eröffnung: am Samstag 28. Januar 2017 um 11.30Uhr

Der Künstler wird anwesend sein

Die Galerie Thaddaeus Ropac zeigt ihre fünfte Einzelausstellung des in Berlin lebenden Zeichners Marc Brandenburg. Die Alpha St betitelte Ausstellung umfasst 24 Zeichnungen aus einer neuen Werkserie, in der sich Brandenburg einerseits auf historische Fotografien von Trachten und andererseits auf Schnappschüsse von Jugendlichen in Schuluniformen bezieht.

»Die Zeichnungen von Frauen, in ihre Kleider gehüllt und stillgestellt wie gespenstische Spuren aus einer anderen Zeit, zeigen eine Faszination für das Detail auf der Oberfläche.... ?Die Portraits beruhen auf Fotografien aus den 1940er Jahren von Trachten, nach denen Marc Brandenburg zeichnet, zuvor durch Verfahren des Kopierens und der Bildbearbeitung invertiert und verfremdet. Neben dieser Stilisierung, lässt der abgewendete Blick und die eingefrorene Gestik die Gesichter und Körper der Frauen unbeweglich, puppenhaft-geschnitzt erscheinen.

Die in mühsamer Handarbeit hergestellten Stickereien und Spitzen, gleich zierenden Rüstungen, ziehen sich in die Muster der Oberflächen sozialer Gefüge einer Gegenwart, denen der Uniformen von Schulmädchen. Die gezeichneten Mädchengruppen, Teenager im Gespräch unter sich und ebenfalls den auf sie gerichteten Blick nicht erwidernd, tauchen schemenhaft wie szenische, vorbeiziehende Erinnerungsbilder aus einem weißen Nebel auf. Vorlage sind hier eigene Fotografien, Schnappschüsse aufgenommen während eines Aufenthalts Brandenburgs in Neuseeland und Australien.

Die Subjekte, die hier vermeintlich objekthaft bzw. als Texturen eines sozialen Umfeldes gezeigt werden, sind ausnahmslos weiblich. Heraus sticht in seiner tatsächlich gegenständlichen, aus seinem Kontext isolierten Singularität die Zeichnung des Straßenschildes Alpha Street, buchstäblich ein Zeichen der Wegmarkierung, hier ins Leere weisend. Es entwickelt sich eine Narration durch die sich der Betrachter in der Rolle eines bewegten Zuschauers einer traumartig-surrealen Sequenz wiederfindet – distanziert, ausgeschlossen und gefangen zugleich in einer lähmenden Dauer zwischen Vergangenheit und Zukunft« (Anna Vetter).

Brandenburgs ins Negative transformierte, gespenstisch-feine Bleistiftzeichnungen wirken auf den ersten Blick wie Schnappschüsse aus einer bizarren Parallelwelt. Seine fotorealistisch dargestellten Szenen von Demonstranten, Fahnen schwenkenden Fußballfans, Clowns, Rummelplätzen, seine Portraits von Freunden und Verwandten, seine Wasserfontänen und ins Monumentale gesteigerten Weihnachtsdekorationen wirken auf eine irritierende Weise bedrohlich. Die silbrige, glänzende Materialität der Graphitflächen trifft in Brandenburgs Zeichnungen auf nuancierte, weich auslaufende Konturen. Alles wird in ein gleißendes, unwirkliches Licht getaucht. Die Motive auf dem weißen Papier scheinen ihres ursprünglichen, friedlichen Charakters beraubt. Seine zeichnerische Modellierung der Oberflächenstrukturen taucht die Bilder aus dem Alltag »ins Säurebad der Abstraktion« (Harald Fricke).

Brandenburg »examiniert zeichnerisch die Maskierungen und Zeichen einer gnadenlosen Eventkultur: die rituellen Verkleidungen von Fußballfans, die pummeligen Körper von Rummelplatzfiguren und Maskottchen, die Parolen und Symbole auf Wimpeln, Transparenten und Werbetafeln« (Oliver Koerner von Gustorf). Er zeichnet meist nach eigenen Fotos, die den Moment des Umschwenkens von einem Motiv auf das andere einzufrieren versuchen. Es geht ihm um das Dazwischen: »Das ist wie ein Schnitt im Film oder wie bei Einzelbildern, aus denen sich ein Film zusammensetzt. Das ist etwa, als ob man versucht, eine Aura bildlich darzustellen«, erklärte Brandenburg einmal in einem Interview.

In der Ansprache zur Verleihung des renommierten Karl-Ströher-Preises an Marc Brandenburg 2005 im Museum Moderner Kunst Frankfurt bemerkte Ulf Poschardt, dass Brandenburg in der Tradition des Pop und seiner lustvollen Feier der Oberfläche stehe, jedoch die Aspekte Realismus und Verklärung in einer zeitgenössischen Weise zusammendenke. In der Rede heißt es weiter, dass »es weniger die Welt der Medien und ihrer Bilder war, die Brandenburg fixierte, als Momente gelebter Intensität. Ein schüchterner Betrachter (und sind wir das angesichts feiner, intimer Zeichnungen nicht alle?) hat das Gefühl heimlich die Negativabzüge von Schnappschüssen eines tief empfundenen Lebens zu betrachten. Die handwerkliche Pracht und Feinheit der Arbeiten von Marc Brandenburg perpetuierte den Schnappschuss. Der Augenblick erhielt Permanenz. Die Erschütterung des Moments wurde nachhaltig gestrichelt.« Eine Affinität zum preußischen Genre-, Historien- und Sittenporträtisten des 19. Jahrhunderts, Adolf von Menzel, den Brandenburg sehr schätzt, liegt dabei auf der Hand. Aber auch Berliner Protagonisten der Neuen Sachlichkeit wie etwa Otto Dix und George Grosz können als Vaterfiguren Brandenburgs gelten.

Brandenburgs Ikonographie speist sich häufig aus Szenen des Kontrollverlustes, aus Szenen extremer Körperlichkeit. Über Brandenburgs Ästhetik des Exzessiven schrieb Diedrich Diederichsen 2008: »Die visuelle Grammatik der Überschreitung ist im Kern die eines beschleunigten oder sich beschleunigenden Umschlags von in sich eher klar konturierten Bildern. Ihr kleinstes Glied ist der Stroboskop-Blitz, abwechselnd helle und weggedunkelte Bilder, deren helle Teile dann dennoch wieder eine Sequenz ergeben. Die ist zugleich überhell und damit auf den Betrachter aggressiv zustürzend und dennoch durch die nächtlich dunklen Unterbrechungen distanziert und damit kurz nach der allergrößten Nähe wieder entschärft. In seinen Zeichnungen verstetigt und verschärft Brandenburg diese Welterfahrung.«

Der 1965 in Berlin geborene und in Deutschland und Texas aufgewachsene Brandenburg wurde im Laufe der 1990er Jahre durch seine eindringlichen Graphitzeichnungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Heute sind seine Werke in Sammlungen wie der des New Yorker MoMA, der Deutschen Bank, des Kupferstichkabinetts Berlin, der Hamburger Kunsthalle, des Harlem Studio Museum New York, des Kupferstichkabinetts Dresden, der Städtischen Galerie Wolfsburg und des Museums Moderner Kunst Frankfurt vertreten und wurden in internationalen Museen gezeigt. Zuletzt widmeten das Kunsthaus Stade (2015), die Städtische Galerie Wolfsburg (2012), die Hamburger Kunsthalle (2011) und das Denver Art Museum (2010) Marc Brandenburg umfangreiche Einzelausstellungen.

[Quelle: www.ropac.net]

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last modified at 27.04.2017


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