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springerin 3/18. Institut "Kunst"

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springerin 3/18. Institut "Kunst". 2018 [Inhaltsverzeichnis]
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Wien / Österreich

Year / Date

2018

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Umfangsangabe: [96] S. : zahlr. Ill. // Der Kunstbetrieb hat sich längst in viele parallele Betriebe gespalten, die alle ihre eigenen Institutionen, Märkte und Illusionen haben. Von Amüsement für die Superreichen bis hin zu Überlebenstechniken für die Superprekarisierten hat sich eine enorme Bandbreite an Praxismustern in diese Betrieblichkeit eingeschlichen. Immer noch wird so getan, als gäbe es die eine verbindende – zumal institutionelle – Grundlage für all diese Sphären. Doch nicht einmal die ehemals hegemonialen Großveranstaltungen wie die documenta oder die Biennalen von Venedig, São Paulo, Istanbul oder New York sind heute noch imstande, kohärente, nachwirkende Narrative zu schaffen. Was also hält das „Institut“ Gegenwartskunst zusammen? Wo sind Verbindungslinien auszumachen, die sich quer durch soziale, szenespezifische ebenso wie regionale oder weltgeografische Breiten ziehen? Besteht dieses Verbindende heute einzig in der Projektion, auf den globalen Märkten reüssieren zu können? Oder liegt es in der Hoffnung, sich in Großausstellungen, die immer mehr wie Fluchtpunkte aus dem Alltag der lokalen Repräsentations- und Konkurrenzkämpfe erscheinen, zumindest kurz als vermeintlich universaler Wert gespiegelt zu sehen? Oder unterliegt diese Hoffnung selbst einer Reise- und Verbreitungslogik, die in erster Linie dem je eigenen Zirkel geschuldet ist – jenem partikularen Milieu, dessen Außen immer weniger wahrgenommen wird. Die Kunst strebt kontinuierlich nach „außen“, nach andersweltlicher Entgrenzung – und landet schlussendlich doch immer bei sich selber. So könnte man verkürzt das Fazit aus Keti Chukhrovs Essaybeitrag in dieser Ausgabe wiedergeben. Chukhrovs Auseinandersetzung mit „Instituten der Performativität“ nimmt das seit geraumer Zeit immer mehr ins Zentrum des Kunstgeschehens drängende Feld der Performance als Ausgangspunkt, um daran einen recht ernüchternden Befund festzumachen: nämlich dass, so sehr diese Praktiken ein Überschreiten von kunstweltimmanenten Regeln anzeigen mögen, sie letztlich doch stets ihren vermeintlich dehnbaren Rahmen bekräftigen. Kunst als eine auf Umwegen doch wieder verbindende „Hyperinstitution“ – ein Befund, der sich auch darin bestätigt findet, dass Bereiche wie Tanz, Theater und andere Bühnenformate zunehmend mit Agenden der Gegenwartskunst kurzgeschlossen werden. Doch welche konkreten Ausgangslagen, welche ästhetischen Haltungen und welche institutionellen Hintergründe bestimmen diese Agenden? Was sind heutzutage die vorrangigen Reflexions-, Widerstands- und Erfolgsmodelle künstlerischer Arbeit? Fragen wie diese leiten unweigerlich zum Aspekt der Produktion über, die gegenwärtig einem immer dichteren institutionellen Geflecht unterworfen zu sein scheint bzw. von diesem gesteuert wird. Wie können KünstlerInnen dem selbstbestimmt etwas entgegensetzen, ohne sich gleichsam selbst aus dem Betrieb zu eliminieren? Pierre Bal-Blanc geht auf eine immer akutere institutionelle Schieflage ein, nämlich die Tendenz hin zu privater Kulturförderung und die gleichzeitige Rückbildung des öffentlichen Sektors. Mit Bezug auf einige jüngere Entwicklungen in der französischen (wie auch österreichischen) Institutionenlandschaft diskutiert Bal-Blanc das immer stärker heraufdämmernde Szenario, wonach künstlerische Produktion, egal wie renitent oder eigensinnig sie sich gerieren mag, zunehmend einer alles nivellierenden Logik des Kapitals unterliegt. Bis dem aber vollends so ist, gilt es noch andere Fronten zu bedenken – aktuell etwa die drohende Unterordnung von künstlerischer Produktion unter dezidiert nationale Interessen. Edit András zeichnet im Detail nach, was sich in der ungarischen Kulturszene seit dem Machtantritt von Viktor Orbán alles verändert hat – in eine Richtung, die fatal an die überwunden geglaubte Zeit des sozialistischen Regimes erinnert. Solcherlei Paradoxie – dass die Befreiung vom alten, starr Systemischen in einen umso lückenloseren Autoritarismus mündet – ist auch Ausgangspunkt von Süreyyya Evrens Einschätzung des gegenwärtigen Kunstgeschehens in der Türkei. Auch hier ist das Institut Kunst einer exzeptionellen staatlichen Gängelung ausgesetzt, und dennoch zeichnet sich in den Ansätzen vieler KünstlerInnen eine eigenwillige Beharrlichkeit aus. Es wäre verfehlt, die Motivik des Zauderns und Verweilens, die Evren herausstreicht, per se als widerständig anzusehen. Trotzdem bilden sich darin Momente auch künftiger Lebens- und Arbeitsmodi ab, die womöglich Aufschlüsse geben über den kommenden Zuschnitt des Hyperinstituts Kunst (so institutionell zerfahren es in seinen lokalen Ausformungen auch sein mag). Anna Khachiyan schließlich befasst sich, gleichsam komplementär zu diesem Befund, mit der Frage, was es bräuchte, um künstlerisches Schaffen in- und außerhalb von Institutionen tatsächlich gegen einen Autoritarismus Trump’scher Prägung in Stellung zu bringen. Aber sind es überhaupt noch primär die KünstlerInnen und ihr Werk, die diesbezüglich eine wirksame Rolle beanspruchen können? Oder haben sich in den Austauschregimen der Gegenwart nicht längst schon andere Konzeptionen dafür etabliert, was das Institut Kunst als Lebens- und Denkraum eigentlich ausmacht bzw. wirkmächtig werden lässt? Zwei KünstlerInnen dieser Ausgabe rollen diesen Denkraum anhand spezifischer Praxisformen auf, die aus unerwarteter Richtung in den künstlerischen Prozess eingespeist werden. Khaled Jarrar legt den historischen Link, der einst die Durchsetzung des Abstrakten Expressionismus mit dem Siegeszug des westlichen Kapitalismus einhergehen ließ, auf die gewaltgeprägte Gegenwart um. Good at Shooting, Bad at Painting, so der Titel von Jarrars Aktion, hält dieser Gegenwart einen Zerrspiegel vor, in dem die Konturen dessen, was das Institut Kunst einst zusammenhielt, kunstvoll zerrinnen. Und Adrian Piper macht anhand einer simplen Geste, dem Öffnen einer Hand, deutlich, wie sich ein Übergang denken lässt von Selbstfixiertheit, Abkapselung und Separation hin zu Öffnung, Freisetzung und Union. Vielleicht liegt darin auch, so eine hier anknüpfende Hoffnung, der Kern einer neuen Universalität, die mehr als bloß ein leeres Versprechen wäre. [Quelle: www.springerin.at]

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