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Kunstberichte

Pandoras Box in einem Urnenhaus

Das MAK zeigt Gegenwartskeramik aus Österreich und eine Ausstellung über den Verleger Johannes Gachnang
Illustration
- Ein „Turm“ von Franz Josef Altenburg.  Foto: MAK

Ein „Turm“ von Franz Josef Altenburg. Foto: MAK

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- Keramik und Kunst: Ein Blick in die Ausstellung „Form im Wandel“.  Foto: MAK/Mayer

Keramik und Kunst: Ein Blick in die Ausstellung „Form im Wandel“. Foto: MAK/Mayer

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Die Ausstellung "Form im Wandel" zur Gegenwartskeramik konzentriert sich auf eine der ältesten Manifestationen der Menschheit: das Gefäß.

Acht Gegenwartskünstler zeigen im MAK die Urform des von ihnen gewählten Werkstoffs – mehr als freie Skulptur denn als Gebrauchsgegenstand.

Sie bauen Türme aus Einzelstücken oder keramische Gerüste wie Franz Josef Altenburg, wobei Teile sehr wohl von Becher- oder Tassenform ausgehen können.

Die Stapelung wie die Architektur von Zikkurats gemahnt nicht nur an Babylon, auch die seriellen Raster und Utopien der klassischen Moderne und später des Minimalismus sind als ferne Zitate spürbar.

"Das ganze Universum" von Tieren – eine Arche Noah also – fädelt Rosemarie Benedikt zu einer Obstschüssel oder Gefäßplastik mit Durchblicken. Bei Gerold Tusch wird die große Prunkvase historischer Gärten zur "perversen Nutzlosigkeit" von Ornamenten mit üppigen Brüsten und roten Samteinlagen gesteigert. Der Titel: "Vase sich im Dekorum auflösend" verrät Ironie und Liebe zu ausufernd kitschigem Stuck.

"Porcelain brut" ist das Ergebnis einer Projektarbeit von Kurt Spurey, die aus industriellem Abfall in der Manufaktur Augarten geschaffen wurde. Die von ihm zu zylindrischen Gefäßen gepressten Reste vom Tellerdrehen etwa, wurden ungeschönt weiter verarbeitet – ohne die Sprödigkeit und Brüchigkeit des so elastisch wirkenden Materials zu verleugnen – eine Aufklärungsarbeit im ästhetischen Bereich.

Geliebte Vasen

An Elmar Trenkwalders manieristisch und changierend glasierten Zwittern aus Architekturmodell und Plastik kommt die Keramikkunst schon seit den Achtzigerjahren nicht mehr vorbei – ob Urne oder Uterus, ob Wegmarke oder Standarte, diese sinnlos schönen haus- und turmartigen Objekte appellieren an alle Sinne und das Unterbewusstsein.

Viel stiller agieren Gabriele Hain und Günter Praschak. Letzterer ist mit seinem Torso den Frühformen erdigen Gestaltens und idolhaften Ritzungen von Kultfiguren der Vorzeit auf der Spur, Hains Schnittformen und Transformationen geometrischer Grundformen sind gepaart mit kompliziert ausgedünnten Hüllen ihres Materials. In Kubus oder Zylinder spürt sie dessen Eigenarten und Eigenwilligkeiten während des nassen Formens und des Brennens nach.

Barbara Reisinger liebt die Vase in all ihren historischen Spielarten, oft ist sie nur mehr Formel für andere Gebilde wie Wandinstallationen. Ihre Hommage an ein gemaltes Stillleben des Italieners Giorgio Morandi schafft durch die grobe Oberfläche Nähe zum Zitat und so steigt ihr Medium in eine Metaebene auf.

Ironisch benennt sie eine ihrer Serien "Pandoras Büchse" mit Blick zurück bis in die Antike ohne Zorn, und so strömen aus diesen ästhetisch umschlossenen Hohlräumen keine bösen Geister auf die Besucher.

Form im Wandel

Gegenwartskeramik

aus Österreich

MAK

Studiensammlung Keramik

Kuratorin: Katja Miksovsky

Bis 18. März 2007

Transformierte Urgebilde.

Freitag, 29. Dezember 2006


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