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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
25.05.2004
15:23 MEZ
Von Anne Katrin Feßler

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Begriffe

S-77CCR ist ein taktisches urbanes Gegenüber- wachungssystem für bodengelenkte UAV (unbemannte Luftfahrzeuge) sowie luftgestützte Drohnen und dient der Beobachtung des öffentlichen Raums.

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Detaillierte Informationen zu rechtlichen, technischen und (sozial-)politischen Hintergründen des Projekts finden sich auf der Homepage von S-77CCR.

 
Foto: Public Netbase
"Eyes in the skies - democracy in the streets"

noch bis Do., 27. Mai
täglich zwischen 13 und 21 Uhr
am Karlsplatz, Wien, Nähe Otto-Wagner-Pavillon

Foto: Anne Katrin Feßler

Zurückgelauscht
Am Karlsplatz wird derzeit mit der Frage ge­spielt, inwieweit die Zivilgesellschaft staat­liche Über­wachungs­techno­logien nutzen soll

Mit viel Phantasie sieht man einen "ausgestreckten Mittelfinger". Wenn man es weiß. Assoziationsreich ist die temporäre Architektur, die seit 13. Mai am Karlsplatz steht, ansonsten nicht. Eher rätselhaft erhebt sich aus dem nachts hell leuchtenden und mit Codes und Zeichen markierten Container ein "Funkturm" mit Satellitenschüsseln.

Rätselhaftes Konsortium...

Rätsel rufen den Neugierigen auf sie zu lösen. Und Neugierde zu wecken ist im Sinne von Erfindern und Erbauern des Containers: Die Netzkulturinitiative Public Netbase nahm gemeinsam mit dem slowenischen Künstler Marko Peljhan die Identität eines Konsortiums mit dem ebenso kryptischen wie schwierig zu merkenden Namen System-77 CCR (Civil Counter Reconnaissance) an. Unter diesem Pseudonym wollen sie auf spielerische und symbolische Weise auf Methoden der staatlichen Überwachung aufmerksam machen.

...inszeniert....

Das Gedankenspiel, das hier beginnt und unter dem Motto "Eyes in the skies - democracy in the streets" steht, endet bei der Strategie der Gegenüberwachung: Die Exekutive schaut und lauscht, und die Beobachteten schauen und lauschen zurück. Ist es eigentlich legitim, wenn sich Zivilpersonen die gleichen Überwachungstechnologien aneignen, die zum staatlichen "Voyeurismus" - unter anderem bei den Anti-Regierungsdemonstrationen 2000 - verwendet werden, lautete auch eine Anfrage an die Europäische Kommission.

Am Errichtungsabend der "ersten einsatzfähigen taktischen Kommandozentrale" im Sinne "des öffentlichen Nachrichten- und Aufklärungsdienstes" führte das Konsortium einer Runde Neugieriger vor, welche Daten aus der Funkwolke einzufangen sind. Ein von Peljhan und seinem Team gemixter Soundteppich - unter anderem aus Taxi- und Polizeifunk sowie Daten der Flugkontrolle vom Schwechater Tower stellte ungeschulte Ohren vor die Frage: Inszeniert oder real? Das Mitgehörte erschien manchmal zu absurd, um der Wirklichkeit zu entsprechen: "Verdächtige Gestalt in der 'xy'-Gasse gesichtet. Vermutlich ein Tschetschene."

...oder real?

Solch ambitionierte Projekte der zivilen Gegenaufklärung stehen in der Realität des Karlsplatzes aber vor ganz anderen Problemen: Jenen der Vermittlung. Man wolle, so Projekt-Mitarbeiter Gallus Voegel, die Passanten mittels Bodenmarkierung näher an die eher verschlossen wirkende Architektur heranführen. Allein die Stadt wollte wohl nicht. Der Standortvorteil des öffentlichen Raums gegenüber dem eher geschlossenen einer Kunstinstitution, der von vorneherein nur bestimmte Zielgruppen anspricht, konnte so nicht wirklich genutzt werden.

Darüber hinaus schreit die hoch technisierte und spezialisierte Informations-Ausstellung aber nach Vermittlungsarbeit für die weit verbreitete Spezies der "Technologie-Dodeln". Einem Anspruch, der nur mit einem anderen Freiraum erfüllt werden kann - jenem eines umfassenderen Budgets. (Anne Katrin Feßler)


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