Salzburger Nachrichten am 14. März 2003 - Bereich: kultur
Staunen in der Hauptstadt

DER STANDPUNKT

WERNER THUSWALDNER

Schon immer war es so, dass die Menschen, die aus der Provinz in die Hauptstadt gereist kamen, ins blanke Staunen gerieten. Grund, dass einem neuerdings der Mund offen bleibt, bietet die Albertina.

Vielen herumwieselnden Menschen, die sich echt mitteleuropäisch in verschiedenen Sprachen ausdrücken, bietet sie zur Zeit Arbeit. Eine Menge Geld wird hier ausgegeben, 80 Millionen Euro.

Vor kurzem wurde in Wien das Museumsquartier fertig. Auch da hat der Bund eine Milliarde Schilling hingeblättert. Dass dann gleich nach der Eröffnung eines der Museen, weil es unpraktikabel war, umgebaut werden musste, wurde gelassen hingenommen.

Elisabeth Gehrer, die für die Museen zuständig ist, scheint damit keine Schwierigkeiten zu haben. Wie muss eine Landeshauptstadt beim Bund betteln, um mit Brosamen für das eine oder andere Projekt abgespeist zu werden.

Aber nur kein Neid, die neue Albertina, für die nur die besten Materialien verwendet wurden, gleißt ja wirklich mit betö-rendem Schein.

Gestern verkündete Gehrer anlässlich der noch lange nicht zu erwartenden Fertigstellung im Musensaal einen Tag der Freude. Seit den neunziger Jahren wurde unter der Albertina, um die Bestände richtig lagern zu können, ein Tiefenspeicher um viel Geld gebaut. Er ist fertig, kann aber nicht benützt werden, weil die Einrichtung fehlt. In sechs Jahren wird es vielleicht so weit sein. Jedenfalls ist für 2009 der nächste Festakt angesagt.

Derweil lagert der Albertina-Bestand anderswo. Frau Gehrer findet nichts dabei. Nur ein paar Miesmacher und natürlich die Opposition vermuten ihrer Meinung nach stets ein Haar in der Suppe, obwohl ganz bestimmt keines drin ist.

Direktor Schröder krempelt das Konzept der Albertina völlig um. Sich mit Grafik zu begnügen, käme ihm abwegig vor. Damit sei kein Mensch mehr hinter dem Ofen hervorzulocken. Grafik ist freilich kammermusikalisch diskret. Wertvolle Blätter können überdies nur bei gedämpfter Beleuchtung hergezeigt werden. Da könnte der Eindruck von Verschlafenheit und Intimität entstehen. Schröder aber will unbedingt auch das Orchester aufspielen lassen und mit spektakulären Gemälden punkten.

Die Befürchtung, dass auf diese Weise in Wien Überkapazitäten entstehen könnten, hat Gehrer nicht. Weil die Opposition gar so maunzt, will sie nun eine entsprechende Studie in Auftrag geben, die klären soll, ob es Überschneidungen gebe. Sie wisse aber jetzt schon, was in der Studie stehen werde: keine Überschneidungen.

Wenn der Auftrag für diese Studie schon so klar ist, kann man sie sich wahrscheinlich sparen.