Salzburger Nachrichten am 27. Februar 2006 - Bereich: Kultur
Ausstellungen

Kreativer Aderlass

Mangelnde Ausbildungsmöglichkeiten, eine von Ausdünnung bedrohte Galerienszene, infrastrukturelle Probleme wie zu wenig geförderte Ateliers: kein Wunder, dass viele der talentierten, jungen bildenden Künstler aus Graz oder der Steiermark (für immer) nach Wien übersiedeln. In einigen Grazer Ausstellungen wird derzeit deutlich, wie groß der kreative Aderlass in der Uhrturmstadt ist. In gleich zwei Ausstellungen präsentiert etwa der 26-jährige Grazer Alfredo Barsuglia seinen konzeptiven beziehungsweise malerischen Zugang zur Kunst.

Mundhygiene

Im "Graz Kunst"-Raum der "Werkstadt Graz" thematisiert Barsuglia den ritualisierten, intimen Akt der Mundhyhgiene. Die weltweit gesammelten Zahnbürsten und Zahnpastatuben sind entbehrlich, die von Manie und Getriebenheit zeugendenen Zeichnungen der Hilfsmittel für weiße Zähne erzählen von der Differenz des Gleichen. Die unter dem Motto "Take me serious" eigens produzierten Zündhölzer sollen, so der Künstler, der Entfernung von Speiseresten dienen.

Kinderporträts

In der Galerie Patrick Ebensperger zeigt Barsuglia drei Kinderporträts: Caoline, Helene und Yona mit ihren Lieblingsspielzeugen. Zur perfekten Maltechnik des Schülers von Wolfgang Herzig und Hubert Schmalix gesellen sich formale Strenge und feine Ironie. Wie in den Selbstporträts von Barsuglia ist der Dialog mit der Kunstgeschichte nie aalglatt oder berechnend, die postmoderne Sachlichkeit weist Brüche auf.

Steirische Perspektiven

Gleich mehrere reizvolle und einfallsreiche medienorientierte Ansätze vereint die Ausstellung "Vista Point. Perspektiven steirischer Kunst" im "Kunstverein Medienturm". Michael Gumhold beispielsweise entwirft mit der Rauminstallation "o.T. (-273,15 Grad C: Rehearsal : Amplifier)" einen "Proberaum des absoluten Nullpunkts". Das Schlagzeug ist ein Ölfass, das Mikrofon nägelübersät, das Poster an der Wand rät zu einem subversiven Akt. Fast alles hier ist seiner Bedeutung entleert, der Künstler spielt mit der Aura von Worten und der Täuschung der Wahrnehmung. Daniel Hafners "Optoschüttler" wiederum lädt die Besucher ein, den Kopf auf eine vibrierende Kinnstütze zu legen, wodurch sich ein vermeintliches Standbild plötzlich verändert: interaktive Kunst, die das Auge mit Low-Tech-Charme in Schwingungen versetzt. Auch von Manuel Gorkiewicz, Christian Eisenberger oder Ruth Anderwald & Leonhard Grond wird in Zukunft noch einiges zu hören sein.

Virtuelle Realitäten

Mit 42 Jahren mag er nicht mehr zur jungen Künstlergeneration zählen, die im Museum der Wahrnehmung Graz gezeigten Arbeiten des in Wien lebenden Voitsberges Klaus Schuster fügen sich gut in den Trend der Irritation durch artifizielle Wirklichkeiten. Über Computerprogramme baut Schuster seine eigene, fotoähnliche Realität: der Cowboyhut, das Zelt, das Megaphon, allesamt von der Umwelt isoliert, von einer geheimnisvollen Leere umgeben. Witzig und traurig zugleich: die seelenlose rote Nase. Nicht nur in Faschingszeiten. MARTIN BEHR