14.04.2003 12:10
Daniel Roths Gespür für Schnee
Verbrecherische Indizien theatralisch inszeniert im Grazer
Kunstverein
Wer wurde gekidnappt? Wer am Berg erschlagen?
Und von wem? Warum? Die Geschichte beginnt in London. Dort, in der Nähe des
White Cube, wo Daniel Roth schon ausstellte, trifft beim Hofschneider
Kashket & Partner Ltd. der Bestellschein für ein Paar "Hölzerner Flügel"
ein. Dort hängt das Foto eines zugemauerten polnischen Hauses. Wer die Geheimtür
darunter benützt, kommt in das Innere der Abgeschiedenheit, wo ein Stuhl nur
steht. Von hier aus führt ein Stollen ins Gebirge. Im Schnee ist eine Blutspur
zu verfolgen und über hochmoderne Schächte der Justizpalast in Brüssel zu
erreichen. Ein Weg führt gleichfalls unterirdisch weiter zu einer litauischen
Garage, zuletzt reißt die Verbindung ab, bei einer hörerlosen Telefonstation.
Jedoch!: Ein Stollen führt zum Grazer Kunstverein, wo die Indizien der
vermeintlichen Verbrechen theatralisch inszeniert sind. Hier wird die Sache
aufgerollt und nichts verheimlicht. Hier verknüpfen sich die Fäden, immer
wieder, immer neu, um nicht weniger als die nackte Wahrheit zu eröffnen, die
sonst nur einmal jährlich, in einem Thermalbad nahe Sofia, zur mitternächtlichen
Erleuchtung steht. (trag/ DER STANDARD, Printausgabe, 14.4.2003)