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Die Entscheidung, die
Gebäudefront der tagtäglich von Touristen hundertfach fotografierten
Architektur für die Darstellung politischer Inhalte aufzureissen, zeigt
nicht nur das grundsätzliche Interesse internationaler Künstler und
Künstlerinnen, öffentlichen Raum für politische Inhalte zu beanspruchen
und zu besetzen. Sie zeigt auch die Bereitschaft, künstlerische Mittel
immer wieder neu zu überdenken und in politisch provozierenden Zeiten die
eigene Arbeit in einen manifestativen Rahmen zu rücken. Klug ist die
Entscheidung der Künstlervereinigung, den Aussenraum der Secession zu
nutzen, die für dieses Jahr bereits geplante Ausstellungsprogrammatik des
Hauses aber unberührt zu lassen – der aufmerksame Besucher muss sich mit
dem Eintreten in das Gebäude bereits klargemacht haben, dass er sich im
White Cube dennoch nicht in einem kontextfreien Raum
bewegt.
Beinahe alle der bisher eingeladenen Künstler und
Künstlerinnen haben für das ‹Projekt Fassade› sehr plakative Ideen
entwickelt. Kaum ein Künstler/eine Künstlerin enthielt sich dabei der
Sprache: So zitierte Dorit Margreiter aus dem Forderungskatalog der
losen Widerstandsgruppe gettoattack ‹Rücktritt der Regierung als
Voraussetzung für eine antirassistische Politik›, Joseph Kosuth griff auf
einen Ausspruch des griechischen Erzählers Äsops zurück – ‹Jede
Entschuldigung hilft dem Tyrannen› –, um die Verlogenheit der
Schlichtungabsichten der Freiheitlichen Partei vorzuführen, Louise
Bourgeois appellierte mit einem einfachen ‹No› daran, Formen des Protestes
zu entwickeln. Franz West und in direkter Folge John Baldessari reagierten
mit ihren Arbeiten zwar ebenfalls proklamatorisch, sie waren jedoch nicht
mehr so leicht dechiffrierbar. West liess seinen typischen Wortwitz walten
und verwandelte den traditionellen Leitsatz der Secession ‹Der Zeit ihre
Kunst, der Kunst ihre Freiheit› mit einem einfachen Kniff in ‹Der Kunst
ihre Freiheitliche, der Zeit ihre Kunst›. Baldessari war nicht weniger
zynisch, indem er die berühmte populärkulturelle Figur des Smiley mit
einem Hitlerbärtchen versah und lapidar ‹Smile...it’s nothing›
daruntersetzte. Am interessantesten stellten sich bisher jedoch die
Arbeiten von Markus Geiger und Peter Land dar. Indem er einen Ausschnitt
aus seiner Videoarbeit ‹The Lake› zeigte, die im konventionellen
Ausstellungszusammenhang vollkommen anders interpretiert werden würde, als
im explizit politischen Rahmen des ‹Projekt Fassade›, veranschaulichte
Land die Kontextabhängigkeit künstlerischer Arbeiten. Mit einer
kommentarlosen monochromen Fläche, dessen politische Botschaft für den
unbedarft Vorbeiziehehnden nur schwer zu entschlüsseln ist, begab sich
schliesslich Geiger in die Position des ‹Platzhalters›- bevor andere das
Feld der zeitgenössischen Kunst besetzen, die möglicherweise systemkonform
agieren.
Gerade letzteres Beispiel macht das Dilemma deutlich, das
dieses Projekt zwangsläufig mit sich bringt: Beinahe alle Arbeiten
begleitete bislang eine gewisse Plakativität, die zwar ‹der Sache› dienen
mochte, die Komplexität künstlerischer Auseinandersetzung jedoch
weitgehend ausblenden musste. Es wird spannend zu sehen sein, wie das
‹Projekt Fassade› fortgeführt wird.
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