Salzburger Nachrichten am 19. Dezember 2005 - Bereich: Kultur
Spielräume für die Außenseiter-Kunst Das "Haus der Künstler"
in Gugging erhält Zuwachs: Freitagabend wurde die "Villa" des Integrativen
Cultur Centrums eröffnet, Mitte 2006 folgt ein Museum.
MARTIN BEHR KLOSTERNEUBURG (SN). Sie leben und arbeiten seit mehr als zwei
Jahrzehnten im "Haus der Künstler" in der niederösterreichischen Gemeinde
Gugging. Das zu Weltruhm gelangte Art-Brut-Modell aus Österreich breitet
sich aus: Nachdem bereits im Juni eine Galerie in Gugging eröffnet wurde,
nimmt nun das Integrative Cultur Centrum (ICC) Gestalt an. Ein "offenes
Artelier" ist auch für kreative Besucher nutzbar, Freitag abend wurde ein
neues, "Die Villa" genanntes Veranstaltungszentrum aus der Taufe
gehoben. Werke der Gugginger Künstler, die 1990 für ihre Verdienste um die
zeitgenössische Kunst mit dem Oskar Kokoschka-Preis ausgezeichnet worden
waren, sind derzeit außer im "Stammhaus" in sechs Ausstellungen in Wien,
Basel, Tokyo und Den Haag zu sehen. Mit der neuen, 260 Quadratmeter großen
Galerie verfügt Gugging nun über "eine Präsentationsfläche von
internationaler Qualität, die in Österreich sicher nicht sehr häufig ist",
wie Johann Feilacher, der Leiter des Hauses der Künstler, betont. Kopffiguren von Oswald Tschirtner, seltsame Zwitterwesen aus
Automobilen und Menschen von Franz Kernbeis, bemalte Geweihe von Johann
Garber, serielle Anordnung von Alltagsgegenständen von Heinrich
Reisenbauer oder abstrahierte, verfremdete Objekte aus der Alltagswelt von
Günther Schützenhöfer: Diese und viele andere Arbeiten sind in der Galerie
zu sehen und zu kaufen. Insgesamt 600 Quadratmeter umfasst der neue
Arbeitsbereich, in dem es ein den Besuchern zugängliches Depot sowie Räume
zur Rahmung und Dokumentation der Werke gibt. Die Begegnung zwischen
Patienten, Kunstschaffenden und Besuchern ist erwünscht. Die Künstler seien an der Gestaltung der jeweiligen Ausstellungen
beteiligt, erklärt Galerieleiterin Nina Katschnig. Im Integrativen Cultur
Centrum Gugging ist in der Zukunft die Begegung der Art Brut mit anderen
Formen der Gegenwartskunst geplant. "Integration von Außenseiter-Kunst in
das internationale Kunstgeschehen" lautet das Motto. Ab Juni 2006 öffnet -
als letzte Ausbaustufe - das 1500 Quadratmeter große Museum. Titel der Ausstellung, die auf internationale Tournee gehen wird:
"Meisterwerke aus Gugging". Zu sehen werden zahlreiche Arbeiten auch von
bereits verstorbenen Künstlern sein, allen voran von Johann Hauser und
August Walla. Leo Navratil hatte 1981 das Zentrum für Kunst-Psychotherapie in Gugging
gegründet. Seit 2000 ist das spätere "Haus der Künstler" aus der
Psychiatrie ausgegliedert und wird als Sozialhilfeeinrichtung autonom
geführt. Derzeit leben 12 Künstler in Gugging. Das ICC diene als
"Vermittlungsstation gegenüber der Außenwelt", wie Feilacher im
SN-Gespräch sagt. Die von Staatssekretär Morak (ÖVP) eröffnete "Villa"
dient auch anderen Künsten. "Wir planen zeitgenössische
Musikveranstaltungen, Kleintheater, Tanz, Symposien oder Vorträge",
berichtet Johann Feilacher. Einige Spannung verspricht das von Florian Reese betreute "offene
Atelier". Es richtet sich an Menschen mit psychiatrischer Erfahrung zur
Weiterentwicklung und Entfaltung ihrer Kreativität. |