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Kunstberichte

Galerien

Humor ist eine Scheibe

Aufzählung (cai) Was ist das? "Geändert zuerst, um eine Geste zu erlangen, dann eine Kurve zu verfolgen & dann eine Falte zu stützen. Jeder dieser Übergänge erwirbt die Notwendigkeit seines vollen Kreises." Ähm, könnte das ein sogenannter Unsinn sein? Nein. Zumindest steht da, das wär’ ein Lawrence Weiner. Technik: Wörter auf Wand. Was die Wörter freilich bedeuten, das weiß ich auch nicht. Oder was sie in der Galerie Mezzanin überhaupt zu suchen haben. Für das Projekt "curated by" haben jedenfalls 20 Künstler in 20 Galerien 20 Ausstellungen zum Thema "Art & Film" kuratiert. Moment: Ein Künstler macht Kunst, oder? Und ein Kurator Ausstellungen. Wenn nun ein Künstler eine Ausstellung kuratiert, ist das dann Kunst oder trotzdem eine Ausstellung? Tja, sowohl als auch nicht.

Albert Oehlen dürfte einen Rat aus dem "Faust" beherzigt haben: "Sucht nur die Menschen zu verwirren , sie zu befriedigen ist schwer." Wieso liegt da zum Beispiel ein runder Teppich in Mauerblümchenbeige herum? Hat der in einem Film den Bodenbelag gespielt oder gar eine heiße Liebesszene mit einem Staubsauger gehabt? Oder ist Humor einfach eine Scheibe? (Einen roten Teppich wie in Cannes kann ja jeder Trottel ausrollen.) Im Hinterzimmer wird der Erotikklassiker "9½ Wochen" auf eine Leinwand projiziert, auf der aber eh schon was drauf ist: Öl. Äh: Oehlen . Oehlen auf Leinwand. Hat er beim Malen der Christbaumkugeln etwa an Kim Basinger gedacht, die im Film ja eine Galeristin mimt und so manchem Künstler seither aquarellfeuchte Träume beschert? Hm. Irgendwie bin ich jetzt sowohl verwirrt als auch unbefriedigt.

Galerie Mezzanin

Getreidemarkt 14/Eschenbachgasse, 1010 Wien

curated by_Albert Oehlen: "Filmschönheit", bis 5. Juni

Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Das Schwarze im Aug’

Aufzählung (cai) Mickey Rourke, Tschuldigung: Mouse , ist mit dem Hund Pluto im Bett und die beiden machen diese Sache mit L. (Pfui!) Diese orale Praktik, die hochinfektiös ist. Nämlich Lachen. (Ach so, die Sache.) Martin Arnold hat das Happyend von einem Disneyfilm geschickt manipuliert und jetzt handelt das Ganze von einem Phänomen, das sogar noch viel ansteckender ist als das Lachen. Jedenfalls muss man das beim Zuschauen dauernd selber tun: blinzeln. Weil Arnold in einem hektischen Rhythmus das Licht aus- und anmacht und alles flackert. Sein Actionfilm über den Lidschlag, über diese kurze Blindheit, also über die Zeit zwischen zwei Augenblicken, ist der brutalste Beitrag in der von ihm selbst kuratierten, stimmigen Schau übers Sehen und Ausblenden. Bei Runa Islam schauen sich dann sechs Leute mit geschlossenen Augen surreale Filme an (sie träumen), und Owen Land zeigt uns Dinge, die uns das Kino lieber verheimlicht: Staub, Farbtests ... Filme sind auch nur Materie.

Galerie Martin Janda

Eschenbachgasse 11, 1010 Wien

curated by_Martin Arnold: "Blinzeln", bis 5. Juni

Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Wie lange dauert die Zeit?

Aufzählung (cai) Karthik Pandian und Mathias Poledna (Letzterer ist der Kurator und zugleich der "Mittäter") machen es spannend. Eine einzige Filmsekunde stottern sie in 24 Raten ab. Ein Bild pro Tag. Sonst sieht man die Einzelbilder ja immer vor lauter Film nicht. Ein makelloses Topmodelgesicht blickt uns mit ikonischer Wucht an und man fragt sich, wie viel Mimik in einer Sekunde möglich ist. Und wie das wohl ausgeht. Mit einem Anflug von Gähnen? Die Verzögerungstaktik macht aus dem flüchtigen Moment eine halbe Ewigkeit. Und die Galerie wird zum potenziellen Ziel von täglichen Pilgerreisen. Überwältigend einfach.

Galerie Meyer Kainer

Eschenbachgasse 9, 1010 Wien

curated by_Mathias Poledna, bis 5. Juni

Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 12. Mai 2010
Online seit: Dienstag, 11. Mai 2010 17:25:00

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