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Die neue Ausstellung "Attack!" thematisiert Kunst und Krieg in den
Zeiten der Medien.
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Eine nackte junge Frau tanzt am Strand
mit einem Hula-Hoop-Reifen - aus Stacheldraht. Ihre Haut wird zerrissen,
doch die Bewegung scheint unendlich weiter zu gehen, fast wie das Rauschen
des Meeres. Die Frau ist die israelische Künstlerin Sigalit Landau und der
Strand liegt nahe Tel Aviv. Der Zirkel der Gewalt begrenzt den Raum des
Individuums, dem diese Grenzziehung unter die Haut geht. Mit der DVD
"Barbed Hula" (2000) empfängt die neue Kunsthallen-Ausstellung "Attack!"
(23. 5. bis 21. 9.) ihre Besucher.
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Sigalit Landau, Barbed Hula, 2001, video
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Kein Schnellschuss
"Wir wurden vom Weltgeschehen überholt", stellt Kunsthallen-Direktor
Gerald Matt gleich zu Beginn der heutigen Pressepräsentation fest. Schon
vor zweieinhalb Jahren haben die Arbeiten an "Attack!", einer Ausstellung
über Kunst und Krieg in den Zeiten der Medien, begonnen. Diese sei also
keine schnelle Reaktion auf die Schlagzeilen des Tages, sondern zeuge von
einem wieder erwachten politischen und gesellschaftlichen Bewusstsein der
Künstler.
Stichproben
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Antonio Riello, Lucy, 2001, US-Handgranate
MK2 | Gabriele Mackert und Thomas
Mießgang kuratierten eine Schau, die schlaglichtartig sehr
unterschiedliche Perspektiven zu einem groß gewählten Thema vorstellt. Der
italienische Künstler Antonio Riello etwa hat Handgranaten und
Maschinengewehre mit Kunstpelzen und Diamanten zu poppig-modischen
Accessoires stilisiert. Sein Verwirrspiel mit dem Reiz des Militärischen
für Mode und Erotik irritiert.
Geschlechterrollen
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Collier Schorr, Andreas - POW (Every Good
Soldier was a Prisoner of War) | Krieg
als Domäne der Männlichkeit reizt viele Künstler: Die Amerikanerin Collier
Schorr porträtiert junge Deutsche in Wehrmachts- uniformen. Man meint,
den Männern in der Adoleszenz ihre schüchterne Neugier und schaurige
Faszination anzusehen, mit der sie in die ungewohnte Rolle schlüpfen. Auf
Kosten ihrer Individualität sexualisieren die Uniformen die jungen Männer.
So stellen Schorrs Bilder Begriffe wie Identität, Nationalismus und
Männlichkeit in Frage.
Ästhetisiertes Grauen
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Nin Brudermann: Warten auf Krieg 1998/2003
(Zum Vergrößern anklicken) | Die Grauen
des Krieges lassen sich auch vermittlen, wenn man zeigt, wie schön Krieg
sein kann. Adi Nes, ein Israeli, hyperstilisiert das Leben von Soldaten in
der Serie "Soldiers" (1994 - 2000) mit intensiver Farbdramaturgie zu
Persiflagen etwa von da Vincis "Das letzte Abendmahl". Erasmus Schröter
inszeniert verlassene Bunker am Strand des "Atlantikwalls" mittels
farbiger Beleuchtung als ästhetische Objekte.
Verwobene Lebensgeschichte
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Afghanischer Bildteppich, vermutlich
Flüchtlingslager in Pakistan, geknüpft von Turkmenen oder Usbeken
(Zum Vergrößern anklicken) |
Die Ästhetik des Krieges findet nicht nur mittels Modeschöpfungen im
Camouflage-Look (als Dias zu sehen) Eingang in den Alltag. In der zweiten
Etage der Kunsthalle hängen Bildteppiche aus Afghanistan, geknüpft in
Flüchtlingslagern, deren Muster wie selbstverständlich Bilder von Panzern,
Bomben und Gewehren verwenden und so die Lebensrealität der Menschen auf
erschreckende Weise abbilden.
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Wang Du, Défilé, 2000 (Zum Vergrößern
anklicken) |
Formenvielfalt
Der Besucher wird mit unterschiedlichen Zugängen zu einem komplexen
Thema attackiert. Videospiele, zarte Aquarelle, viele Fotografien,
historische Zeitungen, Videos, Teppiche und Skulpturen fesseln die Blicke
und provozieren neue emotionale Reaktionen auf Bilder, deren Vermittlung
in den Medien längst zur Gewohnheit geworden ist. Zur Ausstellung ist im
Steidl-Verlag ein Katalog erschienen.
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Dejan Andjelkovic, Jelica Radovanovic, Ready
Made, 1999 |
Tipp:
Der Katalog zur Ausstellung, 200 Seiten, 130 Farbabbildungen, ISBN
3-88243-878-7, ist erschienen im Gerhard Steidl-Verlag, 22
Euro. |