Wir sehen uns in den real existierenden neueren
Architekturlandschaften um und suchen meist vergebens danach, was "der
moderne Mensch" erwartet haben sollte. Und zwar nach einer Vorstellung,
wie sie der junge Schüler Otto Wagners und Verehrer von Adolf Loos in Wien
um 1912/13 als sein "Manifest" formulierte: Dieser "moderne Mensch" sehe
die Konstruktion - "den Betonpfeiler, den Träger, die Masse der Wand" -
überhaupt nicht mehr. Der "moderne Architekt" denke den Raum - und bilde
ihn "mit Wand- und Deckenplatten".
Das Resultat dieses Denkens allerdings konnte sich nicht
in Schindlers Geburtsstadt Wien herausbilden. 1914 zog es ihn nach
Chicago, wo er im Büro Frank Lloyd Wrights Aufnahme fand. Für den von
Wagner, Mackintosh und Sullivan beeindruckten Sucher nach einem eigenen
Weg war dies der erste Architekt, der ausgeführt hat, wonach er in der
Wagner-Schule gesucht hatte. Seine Kunst sei "Raumkunst im wahren Sinne".
Zur Überwachung eines Projektes von Wright gelangte Schindler nach Los
Angeles, und damit begann sein Einstimmung auf eigene Aufgaben.
Zwar hatte er vorgehabt, nach Wien zurückzukehren, was
der Krieg jedoch verhinderte. In Hollywood errichtete Schindler zunächst
ein Haus mit Studio für sich selbst (heute die MAK-Dependance in Los
Angeles); mit Wright hatte er sich überworfen. Von da an folgte er seinem
eigenen, vielfältig strukturierten, zum Teil an regionalen Bauformen
orientierten Stil der Offenheit, der Transparenz, verbunden mit dem
Ausformen eines von Haus zu Haus wechselnden individuellen Ausdrucks.
Das war es auch, was ihn von seinem alten Wiener
Bekannten Richard Neutra unterschied, der Schindler 1926 in Los Angeles
aufsuchte und die Zusammenarbeit mit ihm anstrebte. Neutra war jedoch im
Gegensatz zu seinem zeitweiligen, dann verdrängten Partner wesentlich
medienbewußter und wurde bekannt. Schindler hingegen wurde erst nach
seinem Tod "entdeckt", obwohl er bis dahin gearbeitet hatte. Erst später
wurde er als eine "Schlüsselfigur der zeitgenössischen internationalen
Architektur" erkannt.
1966 hatte Hans Hollein erstmals auf seinen Kollegen
hingewiesen. Eine 1967 zunächst in Kalifornien gezeigte Ausstellung kam
über sein Betreiben 1968 in die Galerie nächst St. Stephan. Hermann
Hertzberger schrieb zuvor in der Mailänder Architekturzeitschrift "Domus",
was Schindler gemacht habe, sei nur "durch die grenzenlose Verpflichtung
und Liebe den Menschen gegenüber" entstanden. Nur dies sei es, "was
Architektur einen Sinn gibt".
Europäische Leitlinien
1986 widmete ihm Peter Noever seine erste Ausstellung im
MAK - in München hatte der österreichische Assistent an der dortigen TU,
Manfred Kovatsch, für Schindlers Ansehen auch bei den Nachbarn gesorgt.
Bis 1949/50, als das "durchscheinende Haus" für Hans
Tischler entstand, zählten vor allem Künstler und Intellektuelle zu
Schindlers Klienten.
Das Verhältnis zur Landschaft im Verbund zwischen Innen
und Außen war ihm wichtig, wobei die ihn dabei bestimmenden Leitlinien ihr
europäisches Erbe nicht verleugnen - mit Le Corbusier oder der
niederländischen "De Stijl"-Bewegung im Hintergrund. Schindlers Material
war betont leicht, sein Vorgehen basierte auf einer von ihm
ausgearbeiteten Holzrahmenbauweise und war an der Auflösung des
Gegensatzes von Dach und Wand orientiert. Daß er hauptsächlich
Privathäuser und so gut wie keine großangelegten Gebäude schuf, mag dazu
beigetragen haben, daß seine Idee "Architektur und Experiment" - so auch
der Titel der Ausstellung - lange Zeit unerkannt blieb, weil es sich um
ein ineinander führendes feines Reagieren auf Zwischentöne handelte.
150 Zeichnungen, zahlreiche Archivphotos und zwanzig
Modelle, zusammengestellt vom Museum of Contemporary Art in Los Angeles,
ermöglichen nun einen guten Einblick in Schindlers sublime Art zu bauen.
Bis 10. Februar, Di-So 10-18, Di bis 24 Uhr.
www.mak.at
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