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15.11.2001 - Ausstellung
MAK: Ein stiller Pionier aus Wien und sein feiner Sinn für die Architektur
Rudolf Michael Schindler (1887 bis 1953) war der Schöpfer dessen, was als "Raumarchitektur" Vorbildcharakter erhalten sollte. Noch nie wurde sein Werk derart umfassend vorgestellt wie jetzt im Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien.
VON KRISTIAN SOTRIFFER


Wir sehen uns in den real existierenden neueren Architekturlandschaften um und suchen meist vergebens danach, was "der moderne Mensch" erwartet haben sollte. Und zwar nach einer Vorstellung, wie sie der junge Schüler Otto Wagners und Verehrer von Adolf Loos in Wien um 1912/13 als sein "Manifest" formulierte: Dieser "moderne Mensch" sehe die Konstruktion - "den Betonpfeiler, den Träger, die Masse der Wand" - überhaupt nicht mehr. Der "moderne Architekt" denke den Raum - und bilde ihn "mit Wand- und Deckenplatten".

Das Resultat dieses Denkens allerdings konnte sich nicht in Schindlers Geburtsstadt Wien herausbilden. 1914 zog es ihn nach Chicago, wo er im Büro Frank Lloyd Wrights Aufnahme fand. Für den von Wagner, Mackintosh und Sullivan beeindruckten Sucher nach einem eigenen Weg war dies der erste Architekt, der ausgeführt hat, wonach er in der Wagner-Schule gesucht hatte. Seine Kunst sei "Raumkunst im wahren Sinne". Zur Überwachung eines Projektes von Wright gelangte Schindler nach Los Angeles, und damit begann sein Einstimmung auf eigene Aufgaben.

Zwar hatte er vorgehabt, nach Wien zurückzukehren, was der Krieg jedoch verhinderte. In Hollywood errichtete Schindler zunächst ein Haus mit Studio für sich selbst (heute die MAK-Dependance in Los Angeles); mit Wright hatte er sich überworfen. Von da an folgte er seinem eigenen, vielfältig strukturierten, zum Teil an regionalen Bauformen orientierten Stil der Offenheit, der Transparenz, verbunden mit dem Ausformen eines von Haus zu Haus wechselnden individuellen Ausdrucks.

Das war es auch, was ihn von seinem alten Wiener Bekannten Richard Neutra unterschied, der Schindler 1926 in Los Angeles aufsuchte und die Zusammenarbeit mit ihm anstrebte. Neutra war jedoch im Gegensatz zu seinem zeitweiligen, dann verdrängten Partner wesentlich medienbewußter und wurde bekannt. Schindler hingegen wurde erst nach seinem Tod "entdeckt", obwohl er bis dahin gearbeitet hatte. Erst später wurde er als eine "Schlüsselfigur der zeitgenössischen internationalen Architektur" erkannt.

1966 hatte Hans Hollein erstmals auf seinen Kollegen hingewiesen. Eine 1967 zunächst in Kalifornien gezeigte Ausstellung kam über sein Betreiben 1968 in die Galerie nächst St. Stephan. Hermann Hertzberger schrieb zuvor in der Mailänder Architekturzeitschrift "Domus", was Schindler gemacht habe, sei nur "durch die grenzenlose Verpflichtung und Liebe den Menschen gegenüber" entstanden. Nur dies sei es, "was Architektur einen Sinn gibt".

Europäische Leitlinien

1986 widmete ihm Peter Noever seine erste Ausstellung im MAK - in München hatte der österreichische Assistent an der dortigen TU, Manfred Kovatsch, für Schindlers Ansehen auch bei den Nachbarn gesorgt.

Bis 1949/50, als das "durchscheinende Haus" für Hans Tischler entstand, zählten vor allem Künstler und Intellektuelle zu Schindlers Klienten.

Das Verhältnis zur Landschaft im Verbund zwischen Innen und Außen war ihm wichtig, wobei die ihn dabei bestimmenden Leitlinien ihr europäisches Erbe nicht verleugnen - mit Le Corbusier oder der niederländischen "De Stijl"-Bewegung im Hintergrund. Schindlers Material war betont leicht, sein Vorgehen basierte auf einer von ihm ausgearbeiteten Holzrahmenbauweise und war an der Auflösung des Gegensatzes von Dach und Wand orientiert. Daß er hauptsächlich Privathäuser und so gut wie keine großangelegten Gebäude schuf, mag dazu beigetragen haben, daß seine Idee "Architektur und Experiment" - so auch der Titel der Ausstellung - lange Zeit unerkannt blieb, weil es sich um ein ineinander führendes feines Reagieren auf Zwischentöne handelte.

150 Zeichnungen, zahlreiche Archivphotos und zwanzig Modelle, zusammengestellt vom Museum of Contemporary Art in Los Angeles, ermöglichen nun einen guten Einblick in Schindlers sublime Art zu bauen.

Bis 10. Februar, Di-So 10-18, Di bis 24 Uhr.

www.mak.at



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