Das Einkaufen nach dem Tod
Von Claudia Aigner
Schaufensterpuppen dürften in der Tat die legitimen
Nachfolgerinnen der Venus von Milo sein. Manfred Erjautz (bis 23. Juni bei
Grita Insam, Köllnerhofgasse 6) führt mit seinen Pupperln also nur eine
altbewährte Traumfrauentradition fort. Freilich: Die "Mode-Dummys", die im
Unterschied zu den Crash-Test-Dummys keinen Autounfall ausprobieren,
sondern mit ihrem unnachahmlichen Körperbau Kleider verkosten, sind bei
ihm lückenlos mit Aufnähern (Firmenlogos usw.) übersät. Sind sie jetzt
also nackt oder overdressed? War der Designer ihrer Haut Dr. Frankenstein
(der hier aber kein Kleptomane im Leichenschauhaus, sondern ein
bekennender Konsument ist) oder tragen sie bloß Tarnanzüge für
Kaufhausdetektive in der Shopping City Süd? Oder sind diese Körper
mumifiziert (für ein "Einkaufen nach dem Tod")? Der Begriff "Hautfarbe"
bekommt hier jedenfalls eine sehr kapitalistische Bedeutung. Und die Dame
aus der Zielgruppe für Windelwerbung? Die wenig liebevolle Mama posiert da
wohl für eine "Kindesweglegung auf dem Catwalk". Assoziationen mit
anderen ästhetischen Systemen drängen sich auf: Etwa mit anatomischen
Ganzkörperpräparaten, die die Muskeln vorführen. Hier allerdings die
Verwandten des "Gössermuskels", insofern als "Coca-Cola" (oder so) ja
wirklich den Bizeps von Arnold Schwarzenegger sponsern könnte.
Fußreflexzonenmassage: Den Fußballen zu massieren (da klebt eine
Mickymaus), steigert vielleicht den Umsatz der "Walt Disney Productions",
weil man sich dann womöglich ein Mickymausheft kauft. Dass diese
Skulpturen zu philosophischen, ethischen und kunsthistorischen
Spekulationen Anlass geben und auch ästhetisch sehr befriedigend sind,
macht ihre besondere Unerschöpflichkeit aus.
Kreuzworträtsel-Verweigerung: Bei ihren Kaltnadelradierungen auf
Rätselseiten schert sich Birgit Sauer (bis 16. Juni in der Galerie
Wolfrum, Augustinerstraße 10) nicht sonderlich um "Worte mit fünf
Buchstaben". Sie kritzelt ungeniert ihr Kontrastprogramm aus Zeichen und
"kindlichem Bewegungsdrang" darüber (als hätte Ödipus, statt das Rätsel
der Sphinx zu lösen, die Sphinx einfach in die Nase gezwickt). Dieser
freche Autismus hat zwar einen gewissen Reiz (auch weil die
Kaltnadelradierungen auf so brutale Weise sinnlich sind und man das Gefühl
hat, dass die Kratzer immer noch bluten). Noch reizvoller sind aber die
feurigen Gemälde. Regelrechte Energiequellen. Sympathisch "andersrum":
Botschaften in Spiegelschrift legen nahe, dass die Malereien eigentlich
spiegelverkehrt sind. Abstrakter Expressionismus bei "Alice hinter den
Spiegeln" sozusagen. Andere "Extremsportler" mögen einen Tennisarm
haben, Pavel Rudolf (bis 22. Juni bei Peter Lindner, Schmalzhofgasse 13)
läuft Gefahr, einen "Zirkelarm" zu bekommen. Kurz: Wer gerne abzählt, kann
schon von den Kreisen, die auf einem einzigen dieser Bilder sind,
wochenlang zehren. Rudolfs Ausdauer ist entwaffnend und seine dichten
Ordnungssysteme haben durchaus Raffinesse. Mitunter scheint er sogar die
Ordnung zu beherrschen, indem er sie mit geradezu fanatischer Präzision
chaotisiert.
Erschienen am: 01.06.2001 |
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