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06.02.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Bitesnich: Ja schön, aber ist es Kunst?
In seinen Bildern feiert der Wiener Fotograf Andreas H. Bitesnich den makellosen Körper als Landschaft aus Haut und Licht. Das KunstHaus widmet ihm nun die erste größere Personale in seiner Heimatstadt.

Die Welt wird immer schöner. Und das kostest nicht einmal die Welt. Wem sein Äußeres verbesserungswürdig erscheint, der muss für die notwendigen Korrekturen heute kein Vermögen mehr inves­tieren. Botox-Injektionen sind um rund 300 Euro wohlfeil, eine neue Nase ist schon um zweieinhalbtausend Euro zu haben, eine schönere (größere/kleinere) Brust ab rund 3000 Euro, und die aus Funk und Fernsehen beliebte und bekannte Fettabsaugung ist bei Kosten von 2000 Euro aufwärts schon eine richtige Mezzie. Die Schönheitsmedizin als Massenphänomen: Spätestens seit ein gewisser Silvio B. gestanden hat, er habe sich die Augen liften lassen, ist die plastische Chirurgie endgültig mehrheitsfähig.

Und offenbar sind die Menschen, so, wie sie sind, nicht mehr schön genug. Kosmetikindustrie und Schönheitschirurgen machen hübschen Profit mit all jenen körperlichen Unzulänglichkeiten, die sich eine (hier offenbar noch intakte) Wohlstandsgesellschaft selbst attestiert und konsequent um gutes Geld beheben lässt: zartere Haut und verbesserte Konturen bezeichnen Status; Tränensäcke und schiefe Nasen, hängende Brüste und schlaffe Schenkel, Wabbelbauch, Doppelkinn und andere Falten werden „korrigiert“, wenn der eigene Körper die gängigen Schönheitsideale zu unterschreiten scheint – und das scheint er irgendwie immer öfter zu tun.

BITESNICH
Diashow: Photography

Nicht selten ist die kritische Beschäftigung mit der eigenen Physis mit neurotischen Tendenzen verbunden: Schon einmal von  Dysmorphophobie gehört? Die auch Body Dymorphic Disorder (BDD)genannte Erscheinung bewirkt extreme Verhaltensweisen als Reaktion auf die Wahrnehmung eigener „Hässlichkeit“. Die etwa in den USAgern diskutierte Neurose soll nicht selten bei außergewöhnlich attraktiven Menschen auftreten; es kommt vor, dass sie Unsummen für Schönheitskorrekturen ausgeben. (Die nach neurotischer Logik natürlich niemals zum gewünschten Ergebnis führen können. Was dann neue „Korrekturen“ nötig macht.)

Kein menschlicher Makel. Warum die lange Vorrede? Weil man in der Welt des Wiener Fotografen Andreas H. Bitesnich glatt vergessen könnte, dass es so etwas wie Probleme mit dem eigenen Körper geben könnte, so makellos sind die Modelle, die er sich vor die Linse holt. Der Fotograf ist in erster Linie für seine Aktbilder bekannt, deren gleißende, distanzierte Erotik Bücher wie „Nudes“ oder „Woman“ zu Bestsellern machte.

Körperlandschaften. Perfektion, das „bestmögliche Bild“ ist hier das oberste Prinzip, auch weil es „immer eine neue Art gibt, den menschlichen Körper zu betrachten, etwas Einzigartiges, das du für dich selbst finden kannst.“ Dabei geht es nicht nur darum, den Körper bestmöglich in Szene zu setzen; oft wird das perfekte Modell in Posen verdreht, in denen Symmetrie, Kom­position und Verlauf eine größere Rolle zu spielen scheinen als die menschliche Form:So werden Körper zu Landschaften aus Haut und Licht, der sinnliche Eindruck entsteht quasi als Nebenprodukt einer Ästhetisierung, die mit dem Abstrakten kuschelt.

(c) 2004 Andreas H. Bitesnich

In die Körperfotografie, erzählt Bitesnich, sei er aber „eigentlich mehr oder weniger hineingeschlittert. Das hat innerhalb kurzer Zeit eine ganz rasante Eigendynamik bekommen, weil die Nachfrage nach diesen Bildern gestiegen und gestiegen ist.“ Ursprünglich hatte er sein Glück als Modefotograf versucht, ehe sich zeigte, dass Fotografie ohne Mode weitaus erfolgs­trächtiger war – aber mit Anspruch, bitte­sehr. „Ich habe eben eine große Zuneigung zur Proportion. Es geht mir nicht um flache Nacktbilder, sondern um die Balance im Bild“, sagt er. Die Perfektion sei „eine Illusion, die von mir und den Modellen gemeinsam kreiert wird“, das Skulpturale Ergebnis der Beschäftigung mit dem Raum: „Es geht um die Balance innerhalb eines Raumes, den der Rahmen zur Verfügung stellt.“

Dass sein bildnerischer Stil von Mode und Werbung geprägt ist, streitet Bitesnich also keineswegs ab: Er fotografiert Werbeaufträge für Silhouette, hat die Serie „Nikos“ für Lancaster in Paris geschossen, Bilder für Fachingen Mineralwasser, Mercedes und Hans Grohe inDeutschland, für Omnitel und Parmalat (Honorar rechtzeitig beglichen) in Italien geliefert – auch diese Sujets sind „durchwegs körperbetont. Ich werde für diesen Stil gebucht.“ Für Bitesnich „ein Riesenglück. Ich muss mich nicht verbiegen.“ Die Grenze zwischen Werbung und Kunst ist für ihn konsequenterweise „ein fließender Übergang. Ich sehe das nicht so streng getrennt, eher als gegenseitig befruchtend.“

Widerspruch. Derlei reizt Kunstliebhaber erfahrungsgemäß zu reflexartigem Wider­spruch. Eine Kunst, die sich vordergründiger Ästhetik verpflichte, sei nicht ernst zu nehmen, ist das gängigste Argument. Sind Bilder wie „Philippa, Santorini 1995“ oder „Sylvie, Vienna 1999“ für ihren Schöpfer nun Kunst? „Ist Kunst ein Adelstitel?“ fragt Bitesnich zurück. „Oder ein Orden, den man sich umhängt? Ich glaube schon, dass das, was ich mache, über das reine Handwerk hinausgeht. Vielleicht ist es auch eine Kunst, einen Sessel zu bauen.“

Ohne Lack. Keine Kunst hingegen ist es, sich zwischen zwei Sessel zu setzen – dass Bitesnich’ Bilder im Kunsthaus öffentlich zur Diskussion gestellt werden, wiegt manchen weniger als die Bestätigung, man erweise sich mit dieser Ausstellung einmal mehr als Haus der Gefälligkeiten.

Dabei zeigt der Fotograf erotischer Texturen unter den 120 ausgestellten Arbeiten auch Bilder, denen man auch beim schlimmsten Willen keine lackierte Sinnlichkeit unterstellen kann: Bilder wie „Tony &Rocco, LA 1996“ kommen trotz offensichtlichen Arrangements fast ohne inszenatorische Manierismen aus (in krassem Gegensatz etwa zur Gekünsteltheit des Torsos mit dem Titel „Shy, Vienna 1997“; die Bilder aus Bitesnichs „Travel“-Band setzen Menschen und Landschaften dramatisch, aber ohne große Künstlichkeit inSzene.

Davon abgesehen hat Bitesnich, lange Jahre auf Schwarzweißfotografie spezialisiert, erst vor relativ kurzer Zeit eine Welt jenseits der Grautöne entdeckt: „Seit drei Jahren fotografiere ich fast nur noch in Farbe.“ Seine Arbeit habe sich dadurch verändert: „Das Licht wurde etwas differenzierter eingesetzt, und die Körperhaltungen wurden zufälliger und natürlicher.“ Heute weiß der Fotograf gar nicht mehr, „warum ich Farbe so lange gemieden habe. Ich begann mit Schwarzweiß und hatte die Kontrolle über die Entwicklung und Weiterverarbeitung – zehn Jahre lang stellte ich selbst Handabzüge her. Aber ich suchte einen Schritt in eine neue Richtung, und da öffnete sich das Tor der Farbfotografie.“

„Wie ein Schwall frische Luft“ sei diese Entwicklung gewesen, die „bildliche Vorstellungskraft“ seither vom Gefühl für die Farbfotografie bestimmt. Dennoch beharrt er: „Ich möchte in meinen Bildern Harmonie und Proportion gewahrt wissen.“ Dass sich Bitesnich folgerichtig gegen eine Manipulation seiner Bilder wehrt, nimmt da nicht wunder.

Vorbildwirkung. Insofern dient ihm der kürzlich verstorbene Helmut Newton zwar nicht fotografisch, aber in allen Abwicklungsfragen als Vorbild:„Er hat uns allen gezeigt, wo es lang geht, und galt als schwierig, weil er darauf bestanden hat, dass die Dinge so gemacht werden, wie er es will.“ Ein Prinzip, mit dem auch Bitesnich zu arbeiten versucht: „Sei konsequent, sei dir selber treu, mach das, was du selbst willst“, denn: „von nix is’ nix.“
Nachzuprüfen ab Februar im Kunsthaus Wien.


Tipp:
Kunsthaus Wien: "Andreas H. Bitesnich",
Eröffnung: 11.2., 19 Uhr.
12.2.-9.5., tägl. 10 - 19
Wien 13., Untere Weissgerberstraße 13.

Info: 01/712 04 95
http://www.kunsthauswien.at/

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