Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Wo Kunst fremd ist, kann doch Kunst entstehen

Secession: Antje Schiffers und Jens Haaning thematisieren das Spannungsfeld von Kunst und Kapital
Illustration
- In der Secession inszeniert Antje Schiffers ihr „Großes Bauerntheater“.  Foto: Secession

In der Secession inszeniert Antje Schiffers ihr „Großes Bauerntheater“. Foto: Secession

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Das haben in den Siebzigerjahren die Jünger der gesellschaftspolitischen Ideen von Joseph Beuys verbreitet. Immer mehr kommt Kunst heute vom Handeln, wenn auch der Rollentausch mit anderen selbst Thema ist. Jens Haaning aus Kopenhagen und Antje Schiffers aus Berlin haben von einem weiteren alten Strategen Methoden übernommen: Schon Günter Wallraff bot seine Dienste an – nun dienen sie aber nicht mehr der Aufdeckung von Unrecht im Staat, sondern der bildenden Kunst im Grenzbereich.

So hat sich Schiffers auch keineswegs im Verborgenen in der Reifenfirma "ContiTech" in Hannover als Werkskünstlerin beworben. Sie bemalt die Messestände, die Wände der Werkshallen nach den Wünschen der internationalen Belegschaft und kassiert dafür ein Gehalt, obwohl die Stelle gar nicht existierte.

Im Hauptraum der Secession werden fünf bäuerliche Unternehmen aus Niederösterreich und der Steiermark von Schiffers zum "Großen Bauerntheater" inszeniert.

Mit Kulissen von Volksbühnen und Staffagemalerei nach Heimatfilmen verbindet sie ihr Tauschgeschäft mit den Betroffenen: Sie malte deren Höfe, und für das Gemälde tauschte sie von den Bauern gedrehte Dokumentationsfilme ihrer Arbeit am Feld, im Weingarten, in der Küche ein.

Überschneidende Arbeitsfelder

Das ist nicht mehr die aufgesetzte gut gemeinte Projektion von John Ruskin und den Präraffaeliten mit Malkursen für die Arbeiter im 19. Jahrhundert, sondern auch ein Grenzübertritt der Arbeitsfelder. Natürlich muss Schiffers Malerei immer realistisch bleiben, abgehoben abstrakte Konzepte hätten wohl keinen Tauschwert.

Ethnografisch arbeitete Schiffers schon in den Neunzigerjahren in einem abgelegenen mexikanischen Dorf: Sie zeichnete die dortigen Pflanzen, lernte die Umgangsformen, baute für die Bewohner eine Dunkelkammer und ließ sie fotografieren und in Filmen dokumentieren. Diese Ergebnisse machen aus dem Galerieraum ein kleines Naturalienkabinett, jedoch mit dem heute unumgänglichen ökonomischen Verweis.

Diese neuen Programme der Ausstellungen des neuen Vorstandes der Secession wollen mehr Öffentlichkeit einbeziehen und planen ab 20. Juli auch urbane Interventionen.

Mit der Arbeit von Jens Haaning wir der Kunsttempel aber auch kritisch betrachtet: Er stellt das reale Durchschnittseinkommen eines Österreichers pro Jahr aus: Geldscheine in einem Rahmen – und da sie echt sind, müssen sie bewacht werden. Inhaltlich reduziert ist die Intervention aber doch nicht, Geld und Goldbarren waren schon bei Chris Burden oder Andy Warhol ein Thema. Und wie textete Beuys so schön: "Kunst = Kapital."

Antje Schiffers

Jens Haaning

Secession

Zu sehen bis 9. Sepember

Spannendes Ausschreiten

von Grenzbereichen.

Donnerstag, 05. Juli 2007


Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at