VN Sa, 21.12.2002

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Kultur 

"Ein Künstler mit Worten"

Jochen Gerz mit Videos und Installationen im Kunstmuseum Liechtenstein

Vaduz (VN-ag) Eine nächtliche Stadtszenerie, aufgenommen aus einem fahrenden Auto, sich verdichtende Dunkelheit bis zur völligen Leere des Bildes: Der Einstieg in die Ausstellung von Jochen Gerz im Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz erfolgt mit der Fotoreihe "Fotografieren bis du allein bist. Darauf angewiesen sein." programmatisch.

Im Mittelpunkt der Ausstellungsreihe, die sich mit Jochen Gerz einem wichtigen Vertreter konzeptueller Kunst widmet und sich nach Stationen in Paris und Straßburg nun in Vaduz schließt, stehen unter dem Titel "Verkehrte Zeit" Arbeiten der Jahre 1969 bis 2002.

Das Kernstück bilden die neu restaurierten und als DVD erhältlichen Videoarbeiten von Jochen Gerz. Ergänzt wird das an verschiedenen Abspielstellen zugängliche und nach "Kapiteln" geordnete Kompendium, das es auf beachtliche zehn Stunden Spielzeit bringt, durch Installationen aus der hauseigenen Sammlung sowie Leihgaben.

Inszenierungen

Erstaunlich genug, denn der 1940 in Berlin geborene, seit den späten 60er Jahren in Paris lebende und arbeitende Jochen Gerz ist eigentlich kein auf Video spezialisierter Künstler.

Film und Video setzt er im Zusammenhang mit den seit 1970 ausgeführten Aktionen und Performances zunächst und vor allem als Dokumentationsmedium, als "Instrument einer Wirklichkeitsbeglaubigung" (Katalog), ein.

Über die Verletzlichkeit des eigenen Körpers werden die Performances nicht nur zu Grenzerfahrungen für Künstler und Publikum. Sie inkludieren darüber hinaus die Kritik an den Medien und der heutigen Mediengesellschaft, die sich weniger um die Abbildung von Realität bemüht als vielmehr um die "Inszenierung eines gigantischen Bildspektakels".

Existenzielle Fragen

"Diese Worte sind mein Fleisch und mein Blut" von 1971, die erste Arbeit mit Verwendung des Computers, die Installation "Purple Cross For Absent Now" (1979-89), die mittlerweile im Vaduzer Besitz befindliche Installation "Exit. Das Dachau-Projekt" von 1974 oder die knapp 20-minütige Videoarbeit "Rufen bis zur Erschöpfung" (1972): Gerz ist ein Künstler, der sich nicht kategorisieren lässt, sondern die Medien in einem hohen sinnfälligen Grad verwendet.

Alles ist existenziell

Auffallend ist die Präsenz von Wörtern, gesprochen und geschrieben, für seine Kunst. Gerz: "So wie es andere Leute gibt, wie Dichter mit Wörtern, bin ich halt ein Künstler mit Wörtern." Doch Worte allein genügen nicht, denn bei Gerz wird alles Tun zur existenziellen Frage und der Betrachter zum interaktiven Part. Nichts wird gut am Ende. Die eindringlichen "Hallo"-Schreie des Künstlers hallen durchs Treppenhaus, bis die Stimme endgültig verstummt. Und selbst das Museum gerät nicht zum Zufluchtsort, wenn die Fotomappe der Installation "Exit. Das Dachau-Projekt" mit den Beschriftungen der Gedenkstätte Parallelen zu damals aufweist.

"Die Sprache, die wir sprechen, ist die gleiche wie damals", so Gerz. Wo gibt es Hilfe, wenn der Schrecken in uns selbst sitzt?

Zur Person

Der Künstler Jochen Gerz

Geboren: 1940 in Berlin

Ausbildung: Studium der Germanistik, Anglistik, Sinologie in Köln, Abbruch des Studiums, eigene Texte, Übersetzungen von Ezra Pound, Tätigkeiten als Werbetexter, Sportjounalist

Werdegang: seit 1968 erste Foto/Texte, Veröffentlichung von Künstlerbüchern, ab 1972 Videoarbeiten, Performances, seit 1984 interaktive Projekte

Werke im öffentlichen Raum: "Mahnmal gegen den Faschismus" Hamburg-Harburg 1986, "Mahnmal gegen Rassismus" Saarbrücken 1993

Jochen Gerz schreibt, wo er kann.

Gerz' Videos über die Verletzlichkeit des eigenen Körpers werden nicht nur zu Grenzerfahrungen für Künstler und Publikum. Sie inkludieren darüber hinaus die Kritik an der Mediengesellschaft.

Die Ausstellung "Jochen Gerz. Verkehrte Zeit" ist im Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz bis zum 9. März 2003 zu sehen, geöffnet Di. bis So. 10 bis 17, Do. 10 bis 20 Uhr.




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