OÖN Zitat |
„Das Lentos-Gebäude an sich hat leider schon ein großes Manko.“
Stella Rollig, Direktorin des Linzer Kunstmuseums Lentos |
|
| "Ich will, dass diese Untergriffe jetzt aufhören" |
Seit
Monaten steht sie aufgrund der massiv sinkenden Besucherzahlen im
Kreuzfeuer der Kritik: Stella Rollig, Direktorin des Linzer
Kunstmuseums Lentos, kündigt im OÖN-Gespräch Veränderungen an.
OÖN: Haben Sie während der letzten Wochen jemals an Rücktritt gedacht?
Rollig: Wenn Sie mich das so fragen: Nein, auf keinen Fall.
OÖN: Was aber sagen Sie zu den sinkenden Besucherzahlen?
Rollig:
Mir gefällt nicht, dass die Diskussion so auf die Besucherzahlen
fokussiert wird und ich in eine defensive Rolle gedrängt werde. Das
blockt von vornherein jede Möglichkeit ab, dass ich unsere Perspektiven
darstellen kann, oder in welcher Situation das Haus ist. Museen dürfen
nicht nur an Ausstellungen gemessen werden, da passiert auch vieles
andere.
OÖN: Halten Sie an Ihrem Konzept trotz der sinkenden Zahlen fest?
Rollig: Ich stehe grundsätzlich zu meinem Konzept. Es war ja nie mein Plan, im Lentos nur ein Nischenprogramm zu zeigen.
OÖN:
Was aber doch mitunter so wirkte ... Arbeitet die zeitgenössische Kunst
durch abgehobene Konzepte nicht an den Menschen vorbei?
Rollig:
Gerade in unserer heutigen Zeit ist es so, dass die zeitgenössische
Kunst ungeheuer divers ist. Da gibt es vieles, bei dem niemand in Frage
stellen würde, dass viele nicht auf den ersten Blick ein beglückendes
Gefühl oder einen interessanten Gedanken empfinden. Jetzt gibt es aber
diese Bandbreite bis hin zu einer - auch von mir so empfundenen - viel
zu verkopften, viel zu konstruierten Konzeptkunst.
OÖN: Und hier wird's ein Braten im eigenen Saft.
Rollig:
Ja. Es ist eine unselige Entwicklung, dass die Kunst seit dem frühen
19. Jahrhundert ihren Platz in der Gesellschaft zunächst ganz stark auf
der Vorgabe des Elitären ausgebaut hat. Dass der Kunstschaffende quasi
außerhalb stehen muss, also der Klügere ist, der den anderen sagt, wie
es geht und somit unangreifbar wird.
OÖN: Da hört sich aber die Kommunikation auf.
Rollig:
Genau. Denn diese Elitendarstellung führt zu einer Kluft, zur
Schwellenangst. Vieles wird von vornherein abgelehnt, weil
zeitgenössische "Kunst" dadurch mit Vorurteilen belastet ist.
OÖN:
Es ist doch auch Ihre Aufgabe, diese Vorurteile, diese Kluft durch ein
griffiges Marketingkonzept zu überbrücken. Haben Sie überhaupt eines?
Rollig: Ja, natürlich.
OÖN: Die sinkenden Besucherzahlen verweisen aber darauf, dass das nicht funktioniert?
Rollig:
Wir sind dabei, vieles zu verändern. So haben wir unsere
Kunstvermittlung neu überarbeitet. Und es ist uns klar, wir müssen uns
viel direkter nach außen tragen. Wir haben zwar elegante
Einladungskarten, aber da gab es bislang viel zu wenig "Eyecatcher".
Das werden wir - differenziert für unsere unterschiedlichen
Interessengruppen - radikal ändern müssen.
OÖN: Diskretion hat ja wirklich keinen Platz in extensiver Werbung!
Rollig:
Wahrscheinlich. Wir müssen uns von der Diskretion verabschieden, und
das ist ein immenser Bereich, den es zu bearbeiten gibt. Wobei das
Lentos-Gebäude an sich ein sehr großes Manko hat, das mir auch erst
jetzt klar wurde.
OÖN: Als da wäre?
Rollig:
Dieses schöne Haus wurde sehr hermetisch gebaut. Damit kämpfe ich schon
ziemlich. Denn viele Entscheidungen zugunsten der Architektur ergaben
zwar eine wunderbare Hülle und haben auch zu einem Markenzeichen für
diese Stadt geführt, sind aber nicht dazu angetan, die Menschen hier
hereinzulocken.
So ist etwa auf dieser sehr ästhetischen
Lichtfassade leider gar kein Platz, auf dem man zeigen könnte, was sich
herinnen abspielt. Da steht zwar dezent Kunstmuseum Lentos drauf, aber
es wär' unbedingt notwendig, dass da auch Bilder knallen.
Ich
überlege intensiv, was man am Haus anbringen könnte, um auf seine
innere Lebendigkeit zu verweisen. Dass man schon von weitem sieht, was
darin gezeigt wird. Wir überlegen auch, wie wir diese unsägliche
Betonfläche vor dem Eingang populärer bespielen können.
OÖN:
Apropos: Wie stehen Sie eigentlich zu Kollegen, die sich nicht scheuen,
mit populären Ausstellungen Besucher zu beeindrucken - wie etwa
Albertina-Chef Schröder?
Rollig: Das ist ein Kurs, den ich respektiere, obwohl es nicht meiner ist.
OÖN: Wie schaut es mit Ihrem Verhältnis zu Masse, Klasse und Kasse aus?
Rollig:
Ich werde selbstverständlich Klasse zeigen und nicht einfach etwas ins
Programm setzen, nur weil ich sicher sein kann, dass dann sehr viele
Menschen kommen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es da vor allem
auf eine faszinierende Vermittlung ankommt.
Betrachtet man die
internationale Landschaft der Zugpferde, so schmilzt die Masse der
Kassenknüller auf ganz wenig zusammen: Picasso, Chagall, Matisse etc.
Sowas kann sich das Lentos nicht leisten. So eine Ausstellung kostet
rund eine Million Euro.
OÖN: Wie schaut es mit dem Sponsoring aus der Wirtschaft aus?
Rollig:
Das ist ohnehin unbedingt notwendig. Ich bin ständig in Gesprächen und
halte es für einen großen Erfolg, dass beispielsweise das Schweizer
Bankhaus Julius Bär von sich aus an mich herangetreten ist und uns nach
einem Jahr intensiver Beobachtung ausgesucht hat, um in das
österreichische Kunstsponsoring einzusteigen.
OÖN: Fühlen Sie sich von den Stadtverantwortlichen entsprechend unterstützt?
Rollig: Das ist klar, da müssen wir jetzt alle an einem Strang ziehen.
OÖN: Was ist ihr dringendster Wunsch?
Rollig:
Im Moment sehe ich mich als Ziel einer Negativ-Kampagne. Somit ist mein
dringendster Wunsch jetzt, dass diese Untergriffe aufhören. Nicht nur,
weil ich als Person drunter leide, sondern weil es für das Lentos so
schädlich ist.
Dieses Schlechtreden funktioniert ja leider immer
und setzt eine Spirale in Gang, die das ganze Haus hinunterzieht. Wer
wird aber schon gern in ein Museum gehen, dem das Image "Geisterhaus"
aufgedrückt wurde?
vom 15.07.2005 | |
|