Galerien
Mammon und Gomorrha
(cai)Na ja, Ostern ist sowieso
bald. Jedenfalls ist hier alles golden wie dieser Schokohase (der mit
dem Glöckchen). Und der Jesus ist kein Putzi in der Krippe, das auf die
Weisen aus dem Morgenland wartet, sondern bereits aufgebahrt für die
Beweinung. Verdammt scharf ist diese Ausstellung auch. Man muss direkt
aufpassen, dass man sich nicht in den Finger schneidet. Also: nix
angreifen. Denn da gibt’s mehr Messer als beim Fleischhauer. Eine Wand
ist damit völlig übersät. In die Klingen sind die sadomasochistischen
Titel von Liebesliedern eingraviert ("Take My Breath Away".. .), während
dem Schmerzensmann auf dem Boden die Seitenwunde verrutscht ist. Zum
Herzen hin. Nein, da steckt eh kein Messer drin. So unsensibel ist der
Carlos Aires auch wieder nicht, der diese Kapelle im Keller der Galerie
Mauroner eingerichtet hat.
Sollen da Personen mit Liebeskummer ein Tränenopfer darbringen?
(Weinen.) Tja, die Liebe ist eine Herzrhythmusstörung. Vom Herzklopfen
bis zum Herzstillstand (beim Mord aus Eifersucht). Und einem Heiligen
hat der Spanier ein besonderes Martyrium beschert: seine
Statue enthauptet und ihr als Kopf eine goldene Diskokugel aufgesetzt,
die quasi Goldmünzen aus Licht in den Raum wirft. (Den Besen hat der
Heilige Martin de Porres übrigens nicht, weil er der Patron der
Hausmänner wäre.) Daneben: lauter Euroscheine, aus denen
Sex-and-crime-Motive herausgeschnitten sind. Ein Altar für den Mammon?
Ist Europa Sodom und Kommerza? Zuerst ist man ja von der barocken Pracht
geblendet. Doch irgendwann erkennt man den makabren Humor. Etwa wenn
Aires eine Plattensammlung zerschnipselt und aus der Scheibe "Light My
Fire" einen Atompilz macht. Zitate hintergründig provokant zu
kombinieren, darin ist er Meister. Aber manchmal fehlt ihm das
Feingefühl. Um aus einem 500er das zynische KZ-Motto "Arbeit macht frei"
herauszustanzen, da muss man schon extrem abgebrüht sein.
Mario Mauroner Contemporary Art Vienna
Weihburggasse
26, "Golden Tears", bis 29. Jänner
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 11 –
16 Uhr
Auto fahren, aber zu Fuß
(cai)Maler sind halt süchtig
nach Farbe. Doch wie viele würden gleich so weit gehen und
ihre bunte Droge in eine Spritze füllen? Na ja, einer : Drago
Prelog. Nein, injizieren tut er sich die Farbe eh nicht. Er benutzt die
Spritze (ohne Nadel) als Zeichengerät. Um seine Bewegungsenergie zu
notieren, wenn er tänzelnd die Leinwand umrundet. Eine Art
Meditationsübung. Yoga-Joggen vielleicht. Wie ein Autorennen ("Ka
Wunder, dass der Niki Lauda die Büda auch kauft"), allerdings
ohne Auto. Die fast pathetische Leere in der Mitte dieser
"Umlaufbilder" (die Ruhe im Zentrum der Raserei) saugt den Blick
geradezu magisch an. Und obwohl der aufgespachtelte Untergrund
neuerdings immer greifbarer wird, hat alles eine unbeschwerte
Leichtigkeit. Hm. Wenn ein Ex-Formel-1-Weltmeister auf diese
Kreisverkehrs-Ikonen steht, wer hängt sich dann die Bilder mit der
geraden Strecke auf, die Bilder mit der Durchzugsstraße? Denn ein
Fernfahrer hat ja sicher keine 10.000 Euro.
Galerie Wolfgang Exner
Rauhensteingasse 12, Drago
J. Prelog, bis 10. Jänner
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 17 Uhr
Malen ist ganz natürlich
(cai)Zeigt uns der Harald Gangl
jetzt die Natur der Farbe (indem er die bunte Materie mit Spachtel,
Pinsel und Fingern virtuos bezwingt) oder die Farben der Natur? Beides.
Da suggeriert ein abstraktes Grün eine komplette Naturidylle und ein
Blau ist so tief wie ein Bergsee. Leider lässt sich Gangl zwischendurch
zu ganz banalen Landschaften hinreißen (tiefer Horizont, viel Himmel).
Doch bei seinen bleichen Bildern, wo im Weiß Schatten
herumgeistern, findet man Trost.
Galerie Frey
Gluckgasse 3, Harald Gangl, bis 8.
Jänner
Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 10 – 16 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 29.
Dezember 2010
Online seit: Dienstag, 28. Dezember 2010 15:33:00